Die juristische Presseschau vom 17. Oktober 2014: BGH stärkt Selbstbestimmungsrecht von Patienten – Positionspapier zur Suizidhilfe – Sicherungsverwahrung für HIV-infizierte Prostituierte

17.10.2014

Der BGH stärkt das Selbstbestimmungsrecht von Wachkoma-Patienten. Es kann auch ohne tödliche Krankheit auf den mutmaßlichen Willen ankommen. Außerdem in der heutigen Presseschau: LG Oldenburg verurteilt HIV-infizierte Prostituierte zu Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung, Positionspapier von Abgeordneten zur Suizidhilfe, Klage gegen US-amerikanische Drohnenangriffe im Jemen - und wie ein Anwalt seinen eigenen Fehler in eine Attacke auf den Gegner ummünzte.

Thema des Tages

BGH zu "Sterbewunsch": Der Bundesgerichtshof beschloss am gestrigen Donnerstag, dass bei fehlender Patientenverfügung stets der mutmaßliche Wille eines Patienten bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen maßgeblich ist - unabhängig vom Stadium der Krankheit. Das Gericht bestärkt damit die geltende Rechtslage. Demnach sei der Wille des Betroffenen auch unabhängig von der Art und Weise der Willensäußerung entscheidend, solange dieser zuverlässig festzustellen ist. Eine Patientenverfügung sei somit nicht notwendig. Der BGH hob ein Urteil des Landgerichts Chemnitz auf. Dies entschied über den Antrag auf Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen, welchen Ehemann und Tochter einer Wachkoma-Patientin erwirken wollten. Die betroffene Frau hatte dieses Vorgehen bei Eintreten entsprechender Umstände wohl mehrfach und ernstlich gewünscht. Das LG lehnte den Antrag ab und begründete sein Urteil mit "erhöhten Beweisanforderungen" an den Patientenwillen, wenn die Sterbephase noch nicht erreicht ist. Das Gericht wird sich nun erneut mit dem "Sterbewillen" der Koma-Patientin befassen müssen. Es berichten die FAZ (Helene Bubrowski), die SZ (Wolfgang Janisch) sowie tagesschau.de (Frank Bräutigam/Michael-Matthias Nordhardt).

Christian Bommarius (BerlZ) skizziert den rechtlichen Weg der Familie durch die verschiedenen Instanzen. Er bedauert sowohl die Richter in einem solchen Fall sowie Patienten, deren Willen zu sterben erst höchstrichterlich zur Durchsetzung verholfen werden muss.

Rechtspolitik

Suizidhilfe: Peter Hintze (CDU) und verschiedene Koalitionskollegen – unter anderem Karl Lauterbach (SPD) – stellten am gestrigen Donnerstag ihr Positionspapier zur Suizidhilfe vor. Demnach soll Beihilfe zur Selbsttötung durch Ärzte künftig ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch erlaubt werden. Dies soll das Selbstbestimmungsrecht der Patienten und die Rechtssicherheit der Ärzte stärken. Diese Hilfe soll aber nur unter bestimmten, strengen Voraussetzungen gewährt werden dürfen. Ein Verbot organisierter Suizidhilfe ist im Konzept bisher nicht enthalten, würde aber wohl Unterstützung bei besagten Abgeordneten finden. Über den Vorschlag berichten die SZ (Nina von Hardenberg), die BerlZ (Mira Gajevic), die taz (Christian Rath), und zeit.de (Katharina Schuler).

Darüber hinaus informiert die FAZ (Heike Schmoll) über die Kritik an der geplanten Regelung und gibt eine kurze Übersicht über die verschiedenen Vorschläge zur Suizidhilfe. Neben dem dargestellten Gesetzentwurf befürwortet eine weitere Gruppe ein möglichst umfassendes Verbot der Suizidhilfe, eine andere will die organisierte Beihilfe zum Suizid verbieten, aber keine Neuregelung für Ärzte einführen.

Matthias Kamann (Die Welt) kommentiert die geplante Pönalisierung organisierter Suizidhilfe. Er gibt zu bedenken, dass eine Regelung im Strafrecht als "ultima ratio" entsprechend begründet werden muss. Insbesondere sei zu erläutern, aus welchem Grund die Suizidhilfe durch einen Verein zu bestrafen sei, die Beihilfe durch Familienangehörige hingegen straflos bleiben solle.

Reform des BVerfGG: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Sebastian Roßner setzt sich für lto.de mit der Reform der Wahl der Bundesverfassungsrichter im Bundestag auseinander. Er fasst die Ursache für die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Wahl in einem Wahlausschuss zusammen und beschreibt ferner, weshalb sich durch die Verlagerung der Wahl ins Plenum an dem Wahlausgangwohl kaum etwas ändern wird.

"Steuerschlupfloch" für Lizenzgebühren: Hessens Finanzminister, Thomas Schäfer (CDU), brachte am vergangenen Donnerstag im Bundesrat eine Gesetzesinitiative gegen "Steuerflucht" ein. Ein wichtiger Punkt seines Vorschlags sieht die Beseitigung des "Steuerschlupflochs Patentbox" vor. Deutsche Unternehmen gründen wegen der dortigen geringeren Besteuerung Tochtergesellschaften im Ausland, welche alle Rechte und Lizenzen besitzen. An diese Tochterunternehmen zahlen sie Lizenzgebühren – beispielsweise für Patentrechte. Diese Ausgaben können sie nun in Deutschland vom steuerpflichtigen Gewinn abziehen. Dies soll nun beschränkt werden, indem dieser faktische "Steuererlass" zukünftig nur noch für Tochterunternehmen gelten soll, die in einem Land ansässig sind, dessen Steuersatz dem deutschen entspricht. Es berichten die SZ (Guido Bohsem) und die FAZ (Joachim Jahn).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. Oktober 2014: BGH stärkt Selbstbestimmungsrecht von Patienten – Positionspapier zur Suizidhilfe – Sicherungsverwahrung für HIV-infizierte Prostituierte . In: Legal Tribune Online, 17.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13513/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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