Die juristische Presseschau vom 16. Januar 2015: Sportgerichtsbarkeit bröckelt – AfD-Mann als Halunke – Dresdner Ermittler angezeigt

16.01.2015

Paukenschlag im Sportrecht: Das OLG München stellt die Sportgerichtsbarkeit grundlegend infrage. Außerdem in der Presseschau: Ein AfD-Landesvorsitzender muss sich als Halunke schimpfen lassen, ein Bundestagsabgeordneter wirft Dresdner Ermittlern Strafvereitelung vor, Irakeinsatz der Bundeswehr möglicherweise verfassungswidrig und wie ein bisschen Marihuana per Drohne ins Gefängnis flog.

Thema des Tages

OLG München zur Sportgerichtsbarkeit: Das Oberlandesgericht München hat eine Schadensersatzklage der Eisläuferin Claudia Pechstein gegen den Sportverband ISU per Zwischenurteil für zulässig erklärt – und damit die Schiedsklauseln für unwirksam befunden, die Pechstein untersagt hatten, im Streitfall vor Zivilgerichte zu ziehen. Sportverbände missbrauchen nach Ansicht des OLG mit solchen Schiedsklauseln ihre Monopolstellung; sie seien daher kartellrechtswidrig. Das Gericht hat außerdem ein Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes Cas nicht anerkannt, wonach Pechstein wegen auffälliger Blutwerte gesperrt worden war. ISU hat Revision zum Bundesgerichtshof angekündigt. Es berichten u.a. SZ (Johannes Aumüller), taz (Johannes Kopp) und lto.de.

Claudio Catuogno (SZ) erwartet, dass der Sport "sich jetzt zu grundlegenden Reformen seiner Sportjustiz gezwungen sieht". Die Welt zitiert den Kartellrechtler Mark Orth: "Die Verfahren des Cas sind mit dem heutigen Tage wertlos geworden. Weit über den Dopingfall hinaus macht der Entscheid Sportlern Mut, sich gegen die Sportverbände durchzusetzen, die oft nicht die Interessen der Sportler verfolgen."

Der Bericht der FAZ (Christoph Becker) lässt Experten zu Wort kommen, die sich zum geplanten Anti-Doping-Gesetz äußern. Dort sei zwar vorgesehen, die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen wie im Fall Pechstein gesetzlich klarzustellen. Diese Klarstellung sei nun überholt, weil sich die Kartellrechtswidrigkeit aus höherrangigem europäischen Recht ergebe. Im Interview mit der FAZ (Christoph Becker) äußert Juraprofessor Peter W. Heermann schließlich, das Anti-Doping-Gesetz sei zur Regelung der Sportsgerichtsbarkeit ein "definitiv ungeeigneter Ort" (weiterführend: ein umfassender Gastbeitrag Heermanns bei faz.net).

Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: Der Forderung einer (Wieder)Einführung der Vorratsdatenspeicherung hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am gestrigen Donnerstag angeschlossen: Sobald die EU-Kommission die überarbeitete Richtlinie vorlege – der Europäische Gerichtshof hatte sie 2014 gekippt –, solle sie in deutsches Recht umgesetzt werden. Die taz (Tobias Schulze) berichtet.

Reinhard Müller (FAZ) meint, die Koalition könne auch jetzt schon ein Gesetz zu Vorratsdatenspeicherung verabschieden, und zwar nach den engen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs. Es sei das altbekannte Berliner Spiel: "Warten auf Brüssel, Warten auf Karlsruhe, Warten auf Luxemburg, Warten auf den Weihnachtsmann." Torsten Krauel (Die Welt) beklagt: Bei Finanzvergehen sei die Vorratsdatenspeicherung die Regel, während sie beim Kampf gegen Terror angeblich die Freiheit gefährde. Das sei "unlogisch und fahrlässig".

V-Leute und Straftaten: Sollen V-Leute im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung zukünftig selbst Straftaten begehen dürfen? Nein, findet Heribert Prantl (SZ): "Ein Rechtsstaat ist kein Agentenabenteuer. Deutschland ist kein 007-Staat."

Blasphemieverbot: Gehört das Blasphemieverbot nach § 166 Strafgesetzbuch abgeschafft? Auch die FAZ (Reinhard Bingener/Helene Bubrowski) befasst sich nun mit dem Thema, das seit dem Charlie Hebdo-Attentat wieder auflebt. Der Beitrag skizziert Rechtsgeschichte und Schutzzweck der Norm – und den aktuellen Diskurs um ihre Abschaffung.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Januar 2015: Sportgerichtsbarkeit bröckelt – AfD-Mann als Halunke – Dresdner Ermittler angezeigt . In: Legal Tribune Online, 16.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14390/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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