Die juristische Presseschau vom 14. November 2014: Kohl-Zitate untersagt - Sterbehilfe debattiert - Mietpreisbremse kritisiert

14.11.2014

Helmut Kohl siegt im Zitate-Streit mit seinem Ghostwriter. Außerdem in der Presseschau: Der Bundestag führt eine Orientierungsdebatte zur Sterbebegleitung, das OLG Düsseldorf verurteilt eine Terrorzelle, Termin-Stress für Thomas Middelhoff, die FIFA erklärt sich - nicht unwidersprochen - für korruptionsfrei und ein überkorrekter Bundesjustizminister.

Thema des Tages

LG Köln zu Helmut Kohl: Das Landgericht Köln hat den Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens sowie dem Verlag ihres Buches "Vermächtnis – die Kohl-Protokolle" die Veröffentlichung des weitaus größten Teils der dortigen Zitate Helmut Kohls verboten. Schwan hat nach Ansicht des Gerichts gegen eine "Geheimhaltungsabrede" verstoßen, schreibt tagesspiegel.de (Jost Müller-Neuhof), der Co-Autor Jens sowie der Verlag hätten dagegen Persönlichkeitsrechte des Altkanzlers verletzt. Der Bericht der taz (Christian Rath) macht vor allem ein geschicktes Manöver von Kohls Anwälten für den jetzigen Erfolg verantwortlich. Durch die Verbindung mit einer Klage auf Herausgabe von Kopien der zu den Gesprächen angefertigten Tonbänder sei eine Entscheidung durch jene Kammer erreicht worden, die dem Altkanzler schon die Herausgabe der Orginalbänder zuerkannt hatte. Laut FAZ (Reiner Burger) plant Kohl eine Klage auf Gewinnabschöpfung und Schadensersatz.

Nach Heribert Prantl (SZ) ist das Urteil "wichtig, richtig und wegweisend". Kohls Erinnerungen gehörten nur ihm, das in Frage stehende Werk sei damit ein "Produkt eines ziemlich dreisten Diebstahls". Dessen Autor habe "nicht nur rechtswidrig, sondern unanständig" gehandelt. Es sei zu hoffen, dass mit der Entscheidung einer "gewissen Verirrung und Verrohung im publizistischen Geschäft" Einhalt geboten werde. Auch Torsten Krauel (Welt) meint, dass der Altkanzler "zu Recht gewonnen" habe. Die fraglichen Gespräche seien "private Einschätzungen des Privatmanns" und eben keine Amtshandlungen. Daher gelten für den früheren Kanzler "die gleichen Schutzgrenzen wie für jeden anderen Deutschen". 

"Zum Glück gibt es noch Richter in Deutschland" erklärt Alan Posener (Welt) im Feuilleton des Blatts. Ein solcher habe nun einen Journalisten, der "Grundprinzipien seines Fachs nicht begreift" und ein Verlagswesen, das seine "vornehmste Aufgabe vernachlässigt", nämlich "Autoren vor sich selbst zu retten", entlarvt. Dabei sei es unzweifelhaft, dass die fraglichen Tonbänder in ein Archiv gehörten. Denn Kohl habe mit seiner Verteidigung des Prinzips "des Ehrenwortes gegenüber den Ermittlungsbehörden der Republik" ungeachtet seiner geschichtlichen Verdienste "sich des moralischen Rechts begeben, die Deutungshoheit über sein Charakterbild zu behalten."

Rechtspolitik

Sterbebegleitung: In einer ungewöhnlich ernsthaften und emotionalen Aussprache ohne Koalitionszwang haben sich die Abgeordneten des Bundestags in einer Orientierungsdebatte über Positionen zu einer gesetzlichen Regelung einer ärztlichen Sterbebegleitung oder organisierter Suizidhilfe verständigt. In ausführlichen Artikeln berichten Berliner Zeitung (Mira Gajevic), FAZ (Heike Schmoll), zeit.de (Ludwig Greven), SZ (Nina von Hardenberg) und taz (Heike Haarhoff) über die Debatte zum - in den Worten von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) - "anspruchsvollsten Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode", für das ein Entwurf Ende des kommenden Jahres vorliegen soll. Einig sei man sichhinsichtlich eines Ausbaus der Palliativ- und Hospizversorgung.

In einer Kolumne warnt Jakob Augstein (spiegel.de) davor, durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung "Sterbehilfe als übliche Behandlungsmethode" zu etablieren. Dies berge die Gefahr, nicht nur "das Altern zu verlernen" sondern auch den Tod dem "Geist des Zwecks" zu unterwerfen. Ähnlich argumentiert Heike Schmoll (FAZ) im Leitartikel der Zeitung. Die "Grauzone, in der Ärzte in besonders tragischen Grenzfällen agieren", müsse erhalten erhalten bleiben, allenfalls sei der Gesetzgeber berufen, diese Ärzte angesichts einer "rigiden Haltung" nicht allein zu lassen. Auch Matthias Drobinski (SZ) stellt auf die Schwierigkeit ab, "dass hier ein Rechtsstaat Normen finden muss in einem Bereich, der individuell ist wie kein anderer." Es liege nun an den Abgeordneten, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des zu schaffenden Gesetzes dazu beizutragen, "ein anderes Verhältnis zum schwachen, hilfsbedürftigen, leistungsunfähigen Menschen" zu schaffen.

Einen rechtsvergleichenden Blick auf Regelungen des europäischen Auslandes wirft die taz (Heike Haarhoff).

Bundespräsident: Ein vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstelltes Gutachten zu außenpolitischen Äußerungsbefugnissen des Bundespräsidenten kommt zu einem abwägenden Ergebnis. Eine gänzliche Freiheit bestehe nicht, vielmehr sei das Staatsoberhaupt wegen der Verfassungsorgantreue dazu verpflichtet, keine "Nebenaußenpolitik" zur Bundesregierung zu betreiben. Dies berichtet die SZ (Robert Roßmann) und nennt als Auftraggeber den Abgeordneten Peter Gauweiler (CSU). Christian Bommarius (Berliner Zeitung) kommentiert, dass Joachim Gauck mit seiner Äußerung, Deutschland müsse die Erhaltung der "offenen internationalen Ordnung" notfalls auch militärisch sichern, tatsächlich die "Avantgarde schwarz-roter Außenpolitik" bilde.

Frauenquote: Innerhalb der Regierungskoalition meldet nach einem Bericht der SZ (Constanze von Bullion) die CSU verfassungsrechtliche Bedenken gegen das geplante Gleichstellungsgesetz an. So gefährde die im Entwurf vorgesehene Frauenquote in Firmenvorständen die grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit von Anteilseignern.

Mietpreisbremse: Ein im Auftrag des Immobilieneignerverbandes Haus & Grund unter anderem von Rechtsprofessor Alexander Blankenagel erstelltes Rechtsgutachten bezeichnet die geplante Mietpreisbremse als verfassungswidrig. So sei der Entwurf schon nicht geeignet, Wohnungsknappheit zu beheben. Der Eingriff in das Eigentumsrecht der Vermieter sei auch nicht erforderlich, denn mit einer Erhöhung des Wohngeldes stünde ein milderes Mittel zur Verfügung, zitiert die FAZ (Joachim Jahn/Michael Psotta) die Gutachter.

Eine mögliche Verfassungsbeschwerde hätte so durchaus Chancen, meint Joachim Jahn (FAZ) in einem Kommentar. Denn "schließlich gibt es kein Grundrecht darauf, in einem besonders hippen Stadtteil zu wohnen." Was not tue, seien neue Wohnungen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. November 2014: Kohl-Zitate untersagt - Sterbehilfe debattiert - Mietpreisbremse kritisiert . In: Legal Tribune Online, 14.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13806/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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