Die juristische Presseschau vom 14. Oktober 2014: EuGH zu EZB – Radikalenerlass gegen rechtsextreme Richter? – Jugoslawische Geheimdienstmorde

14.10.2014

Wie weit reichen die Kompetenzen der Europäischen Zentralbank? Vor der Verhandlung am EuGH gehen darüber die Meinungen auseinander. Außerdem in der Presseschau: Regeln für Lobbyismus, Rückkehr des Radikalenerlasses, Verfassungsbeschwerden gegen Freihandel, jugoslawischer Geheimdienst in der Bundesrepublik und ein überzeugendes Argument für kurze und klare AGB.

Thema des Tages

EuGH – EZB: Im Februar hat das Bundesverfassungsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das sogenannte OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) deren auf Währungspolitik beschränktes Mandat überschritten hat. Ein ausführlicher Vorbericht der SZ (Wolfgang Janisch/Claus Hulverscheidt) stellt vor der am heutigen Dienstag stattfindenden mündlichen Verhandlung die tatsächlichen und rechtlichen Aspekte des Falls vor. Wirtschaftlich sei die Maßnahme zur Euro-Rettung schon wieder "Geschichte", weil allein die Ankündigung des EZB-Chefs Mario Draghi im Juli 2012 die bis dato erhobenen Risikoaufschläge auf südeuropäische Anleihen gesenkt habe. Dagegen habe das Programm nach der im Februar dieses Jahres geäußerten Ansicht des BVerfG die Kompetenzen der EZB überschritten. Das angerufene Gericht müsse nun unter Berücksichtigung der Argumente des Karlsruher Gerichts darüber befinden, wo "die rote Linie" bei den Zuständigkeiten europäischer Institutionen zu ziehen sei. Ein Urteil der Großen Kammer des EuGH werde im kommenden Frühjahr erwartet.

Reinhard Müller (FAZ) stellt das abweichende Sondervotum der mittlerweile ausgeschiedenen Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff an den Beginn seines Kommentars. Über ihre Einschätzung, dass in dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern die Grenzen richterlicher Kompetenz überschritten worden seien, "kann man streiten." Es sei dagegen mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass Karlsruhe auf Individualbeschwerden hin überprüfen kann, ob dass Wahlrecht von Bürgern "im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration ausgehöhlt zu werden droht." Eine diesbezügliche Klärung sei wohl auch vom BVerfG beabsichtigt worden. Dagegen wäre es überraschend, wenn das OMT-Programm vom EuGH für europarechtswidrig erklärt wird. Als tatsächliches Thema der Verhandlung bezeichnet Jens Münchrath (Handelsblatt) im Leitartikel der Zeitung grundsätzliche Fragen über Geldpolitik und deren Grenzen. Mit deren Beantwortung seien die Richter jedoch überfordert.

Auch nach Sebastian Jost (Welt), ebenfalls im Leitartikel, stünden grundsätzliche Fragen zur Entscheidung. Das der EZB gewährte "Unabhängigkeitsprinzip" sei durch das OMT-Programm aus den Fugen geraten, es könne der Bank nicht selbst überlassen werden, wie weit sie ihr Mandat ausdehnen wolle. Der EuGH müsse daher klarstellen, dass auch die EZB "nicht außerhalb des Rechts" stehe. Ulrich Schäfer (SZ) hält dagegen ein bis zum BVerfG reichendes "Missverständnis über die Grenzen der Geldpolitik" für einschlägig. Tatsächlich obliege der EZB etwa die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der EU oder die Pflege einer nachhaltigen Entwicklung. Nichts anderes habe EZB-Präsident Draghi mit seiner streitgegenständlichen Äußerung bezweckt. Demgegenüber wäre ein gerichtliches Verbot des Ankaufs von Staatsanleihen "absurd."

Rechtspolitik

Lobbyismus: Anlässlich der Vorstellung ihres Lobby-Berichts forderte die Organisation Transparency International nach dem Bericht der SZ (Daniela Kuhr) "verbindliche Regeln für den Lobbyismus in Deutschland." So sollte ein sogenannter legislativer Fußabdruck in Entwurfsbegründungen deutlich machen, aufgrund welcher Interessen konkrete Paragrafen formuliert worden seien. Ein Lobbyregister würde nachvollziehbar machen, in wessen Auftrag Agenturen oder Kanzleien tätig würden. Das föderale System der Bundesrepublik erlaube es Interessenverbänden derzeit, ihre Wünsche und Absichten auf zahlreichen Ebenen zu vertreten. Auch die FAZ (Joachim Jahn) berichtet kurz über die Forderungen.

Radikalenerlass: Nach der Enthüllung der mutmaßlich rechtsextremen Vergangenheit eines beim Amtsgericht Lichtenfels tätigen Richters streitet die bayerische Staatsregierung über eine Rückkehr zur Regelanfrage nach dem im Freistaat 1991 abgeschafften, sogenannten Radikalenerlass. Während Justizminister Winfried Bausback (CSU) die Maßnahme befürworte, habe sich Ministerpräsident Horst Seehofer dagegen ausgesprochen, schreibt die SZ (Katja Auer u.a). Nach Bericht der FAZ (Albert Schäffer) soll das mutmaßliche Vorleben des Richters zufällig durch den Beteiligten eines aktuellen Prozesses enthüllt worden sein. Spiegel.de (Conny Neumann/Wolf Wiedmann-Schmidt) schreibt, dass sich der Richter am heutigen Dienstag vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg über seine Vergangenheit und seine politischen Einstellungen erklären müsse.

Crowdfunding: Ein Referentenentwurf der Bundesregierung sieht zahlreiche gesetzliche Änderungen vor, durch die Kleinanleger besser geschützt werden und gleichzeitig ein rechtlicher Rahmen für das sogenannte Crowdfunding geschaffen werden soll. Speziell den letzteren Aspekt unterzieht Rechtsanwalt Alexander Knauss für lto.de einer kritischen Würdigung. Der Autor erklärt hierzu das Konstrukt der gerade von Startups genutzten Finanzierungsform, die geltenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und die im Entwurf vorgesehenen Änderungen. Er bemängelt, dass etwa die vorgesehene Werbebeschränkung einer größeren Bedeutung des Crowdfundings im Wege stehe.

Andrea Voßhoff: Im Rahmen eines Titelthemas zu Google befragt das Handelsblatt (Till Hoppe) die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff zu den Monopolstrukturen der Suchmaschine, einem durch die Kritik an diesen gewachsenen Bewusstsein für Datenschutz und möglichen staatlichen Schutzpflichten gegenüber der Datensammlung durch Konzerne.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Oktober 2014: EuGH zu EZB – Radikalenerlass gegen rechtsextreme Richter? – Jugoslawische Geheimdienstmorde . In: Legal Tribune Online, 14.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13471/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen