Die juristische Presseschau vom 13. Dezember 2016: Son­der­ge­richt in Fran­k­reich / BVerfG zum Asyl­recht / Lebens­lang für Poli­zis­ten­mord

13.12.2016

IWF-Chefin Lagarde ist vor einem Sondergericht angeklagt. Außerdem in der Presseschau: BMJ gegen Strafverschärfung, das BVerfG definiert effektiven Rechtsschutz für Asylkläger und das LG Limburg verurteilt einen Polizistenmörder.

Thema des Tages

Christine Lagarde: Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, muss sich vor dem französischen Sondergerichtshof Cour de Justice de la République wegen Fahrlässigkeit im Amt verantworten. Ihr wird vorgeworfen, 2007 als Wirtschaftsministerin durch einen Schiedsentscheid zugunsten des Geschäftsmanns Bernard Tapie die Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht zu haben. Die zugrunde liegende Auseinandersetzung Tapies, der von der Credit Lyonnais-Bank einen Schadensersatz von mehreren hundert Millionen Euro erstritt, der letztlich aus dem dem Staatshaushalt beglichen wurde, stellt die FAZ (Michaela Wiegel) dar. Der damaligen sozialistischen Opposition habe der Fall als "Symbol für die Vetternwirtschaft der Sarkozy-Ära" gegolten. Der Entscheid sei durch das Pariser Berufungsgericht im Februar 2015 für ungültig erklärt worden, ein Strafprozess gegen Tapie wegen Betruges stehe noch aus. Deswegen habe Lagardes Anwalt die Aussetzung des nun eröffneten Verfahrens beantragt. Ausführliche Berichte bringen auch SZ (Claus Hulverscheidt u.a.) und Hbl (Thomas Hanke).

Den 1993 eingerichteten Gerichtshof der Republik Frankreich stellt lto.de (Marcel Schneider) vor. Er verhandelt ausschließlich über die strafrechtliche Verantwortung, die Politiker in Ausübung ihres Amtes trifft. Entscheidungsbefugt sind dabei nicht nur Juristen, sondern auch Politikerkollegen.

Rechtspolitik

Arzneimittel: Ein der FAZ (Andreas Mihm) vorliegender Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium sieht ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln vor. Der Gesundheitsminister reagiere dabei auf den Druck von Interessenverbänden, die mit Werbekampagnen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Oktober angriffen. Neben der ablehnenden Haltung der SPD könnte die Beteiligung der EU Hermann Gröhe (CDU) "einen Ausweg aus der verfahrenen Lage weisen". Angesichts der erforderlichen Notifikation Brüssels und Stellungnahmen der Kommission dürfte die Verabschiedung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode unmöglich sein.

Atommüll: Am Ende dieser Woche steht das "Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung" vor der Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat. Es geht auf im April unterbreitete Vorschläge einer Kommission ein, schreibt die taz (Malte Kreutzfeldt). Den gefundenen Kompromiss zwischen der Zuständigkeit von AKW-Betreibern für den Rückbau der Kraftwerke und des Staates für die Zwischen- und Endlagerung kritisiert Malte Kreutzfeldt (taz) in einem separaten Kommentar. Zwar hätten betroffene Unternehmen einige ihrer Klagen gegen den Atomausstieg zurückgezogen, zwei "potenziell teure Prozesse", eine Verfassungsklage gegen die Brennelementesteuer und ein von Vattenfall betriebenes Schiedsverfahren, blieben aber anhängig. Diese "Frechheit" nehme "die Politik einfach hin."

Sozialleistungen für EU-Ausländer: Am heutigen Dienstag will EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen eine Überarbeitung der bestehenden EU-Rahmengesetzgebung vorlegen, nach der es Mitgliedsstaaten leichter möglich sein soll, Sozialleistungen für EU-Ausländer restriktiver zu gestalten. Hierdurch solle "Sozialtourismus" vorgebeugt werden, erläutert die FAZ (Werner Mussler). Unter anderem solle der Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten Arbeit im jeweiligen Land abhängig gemacht werden.

ÖPNV-Privatisierung: Die SZ (Markus Balser) hat Kenntnis einer von drei Bundesländern geplanten Gesetzänderung, die sogenannte Zwangsprivatisierungen öffentlicher Nahverkehrsbetriebe erschweren soll, erlangt. Bereits am kommenden Freitag werde sich der Bundesrat mit dem Thema befassen. Betroffen seien Sonderregeln des Personenbeförderungsgesetzes, nach denen private Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen öffentliche Netze auch ohne Ausschreibung übernehmen könnten, wie jüngst etwa in Pforzheim geschehen.

Kassenpflicht: Die der SZ (Cerstin Gammelin) vorliegende aktuelle Fassung des Gesetzentwurfs "zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen" weist nach Einschätzung der Autorin große Schlupflöcher auf. Das erklärte Ziel, Steuerausfälle durch undokumentierte Kassenvorgänge zu bekämpfen, werde durch Ausnahmen von einer allgemeinen Kassenpflicht nicht erreicht. Über den Entwurf solle der Bundestag noch in dieser Woche abstimmen.

Bundeswaldgesetz: Das Hbl (Heike Anger) macht auf eine gesetzgeberische Klarstellung des Bundeswaldgesetzes aufmerksam, die nach dem Willen der Regierung "in einer Hauruckaktion" vom Bundestag am kommenden Donnerstag verabschiedet werden soll. Der Entwurf sehe eine kartellrechtliche Freistellung bestimmter forstwirtschaftlicher Dienstleistungen vor. Hierdurch solle der anhaltenden Kritik vor Kartellwächtern an der in einigen Bundesländern über die staatlichen Forstverwaltungen organisierte Holzvermarktung begegnet werden.

Fake News: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat nach einer Meldung der taz die Einführung spezieller Strafvorschriften gegen die Urheber sogenannter "fake news" abgelehnt. Bestehende Bestimmungen gegen Fälschungen oder Desinformationen seien ausreichend.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Dezember 2016: Sondergericht in Frankreich / BVerfG zum Asylrecht / Lebenslang für Polizistenmord . In: Legal Tribune Online, 13.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21376/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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