Die juristische Presseschau vom 13. Januar 2016: Aus­wei­sung Straf­fäl­liger / EGMR zügelt Über­wa­chung / opt-out bei Coo­kies

13.01.2016

Innen- und Justizministerium haben sich auf eine Verschärfung bei der Ausweisung Straffälliger geeinigt. Außerdem in der Presseschau: Überwachungsbändiger EGMR, opt-out-Einwilligung bei Cookies erlaubt und der Renner in der UN-Bibliothek.

Thema des Tages

Ausweisung Straffälliger: Innen- und Justizministerium haben sich auf einen Vorschlag zur Reform des Ausweisungsrechts geeinigt. Bei Begehung bestimmter Delikte (gegen Leib, Leben oder Eigentum und Widerstand gegen Polizisten, die gewalttätig oder mit Gewaltdrohung oder List begangen sind), sollen anerkannte Flüchtlinge und Asylantragsteller nicht mehr wie bisher ab dreijähriger, sondern bereits bei einjähriger Haftstrafe ausgewiesen werden können. In der Einzelfallabwägung nach dem übrigen Ausweisungsrecht soll anstelle einer einjährigen nun jede Haftstrafe ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen, berichtet die taz (Christian Rath). Dass jeweils auch Bewährungsstrafen genügen sollen, verstoße bei Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Danach sei der Ausweisungsschutz nur bei einer Gefahr für die Allgemeinheit durchbrochen, die bei Strafaussetzung zur Bewährung aber gerade verneint werde.

Reinhard Müller (FAZ) hält das für einen guten Schritt, betont aber die Bedeutung effektiver Grenzsicherung für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und der sozialen Ordnung in Deutschland.

Rechtspolitik

Sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum: Assistant Professor Ulrike Lembke schreibt auf verfassungsblog.de zur Rechtslage bei sexuellen Übergriffen im öffentlichen Raum und zeigt Reformbedarf und mögliche Ansätze auf, nicht nur im Strafrecht. Die taz (Christian Rath) zeigt Strafbarkeitslücken bei kurzem "Angrapschen" auf.

Investitionsgerichtsbarkeit: Mit dem EU-Vorschlag eines stärker verstaatlichten Gerichtssystems für Investitionsstreitigkeiten befassen sich die Rechtsanwälte Alexandra Diehl und Heiko Heppner auf lto.de. Transparenz und Konsistenz in der materiellen Rechtsprechung seien Vorteile, Nachteile seien jedoch die staatliche – also geringe und damit korruptionsanfällige – Bezahlung und, dass Richter nicht mehr nach besonderer Qualifikation für einen bestimmten Fall ausgewählt werden können. Die Autoren schlagen eine Kombination aus erstinstanzlicher Schiedsgerichtsbarkeit und einem staatlichen Gerichtshof in zweiter Instanz vor. Außerdem sei eine einheitliche, dem Beitritt weiterer Staaten offen stehende Gerichtsbarkeit den bisher geplanten bilateralen Gerichten vorzuziehen.

Sozialleistungen an EU-Bürger: Rechtsprofessor Gregor Thüsing schreibt in der FAZ, dass das Urteil des Bundessozialgerichts nach geltendem Recht zwar stimmig sei, für eine Gesetzesänderung aber Raum bleibe. Wie das Asylbewerberleistungsgesetz zeige, ergebe sich aus der Menschenwürde keine den Gesetzgeber bindende Leistungspflicht. Es sei an der Zeit Sozialgesetzbuch und Asylbewerberleistungsgesetz auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Es könnten auch die Kriterien für eine hinreichende Verfestigung des Aufenthalts per Gesetz strenger als im Urteil gefasst werden, denn auch diese seien nicht logisch zwingend.

Wissenschaftsurheberrecht: Rolf Schwartmann, Rechtsprofessor, und Christian-Henner Hentsch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, schreiben in der FAZ zur geplanten Vereinheitlichung des Wissenschaftsurheberrechts. Sie betrachten die aktuelle Rechtsprechung und weitere Rechtsentwicklungen im Urheberrecht. Die Rechte von Verlagen und Verwertern stünden nicht hoch im Kurs, sie seien aber von maßgeblicher Bedeutung gerade für die ohnehin schwierige Publikation wissenschaftlicher Werke und für ihre faire Vergütung sei daher in der Reform dringend Sorge zu tragen.

Verfassungsrichter zur Flüchtlingspolitik: Zum Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio zu einem Verfassungsverstoß durch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung schreiben nun auch SZ (Wolfgang Janisch/Daniela Kuhr), Welt (Peter Issig) und FAZ (Reinhard Müller). Das Gutachten bestätige die bayerische Kritik und biete insofern die Grundlage einer Verfassungsklage, es spreche dem Bund jedoch einen weiten Gestaltungsspielraum zur Lösung der bestehenden Probleme zu.

Wolfgang Janisch (SZ) betont, dass sich aus der Verfassung keine konkreten Handlungsvorgaben ergäben. Gerade wer sonst die Politiklastigkeit der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kritisiere, dürfe es nun nicht mit einer Klagedrohung für politische Zwecke missbrauchen. Auch im Hinblick auf die Äußerungen des ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier im HBl, betont Heike Anger (HBl), dass es den Verfassungsrechtlern nicht nur um neue Gesetze gehe, sondern gerade auch um die konsequente Anwendung geltenden Rechts.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Januar 2016: Ausweisung Straffälliger / EGMR zügelt Überwachung / opt-out bei Cookies . In: Legal Tribune Online, 13.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18121/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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