Die juristische Presseschau vom 12. Juli 2017: Tarif­ein­heits­ge­setz ver­fas­sungs­kon­form / Zschäpe-Gut­achter / Voll­ver­sch­leie­rung

12.07.2017

Recht in der Welt

EGMR zu Vollverschleierung: Nach zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstößt das in Belgien geltende Verbot der Vollverschleierung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Restriktion könne vielmehr "notwendig in einer demokratischen Gesellschaft" sein. Außerdem sei es im Grundsatz eine Entscheidung des jeweiligen Staates, ob die Vollverschleierung gesellschaftlich akzeptiert werde. Die Entscheidung fügt sich nach Auffassung der SZ (Matthias Dobrinski) in die übrige Rechtsprechung des Gerichtes ein. Es berichtet auch die FAZ (Michael Stabenow).

Jugoslawien-Tribunal: Die FAZ (Michael Martens) porträtiert anlässlich eines nahenden Urteils ausführlich den Prozess gegen Ratko Mladić. Der serbische General wird für die mehr als drei Jahre andauernde Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo verantwortlich gemacht, bei der über 10.000 Menschen starben.

Japan  Bitcoin-Prozess: Mark Karpeles, ehemaliger Chef der einst größten Bitcoin-Börse der Welt, muss sich vor dem Bezirksgericht Tokio wegen Unterschlagung und Datenfälschung verantworten. Er soll Kundeneinlagen im Wert von 2,6 Millionen Euro veruntreut haben, um damit eine 3D-Druckerfirma zu übernehmen sowie sich selbst ein Himmelbett zu kaufen. Karpeles bestreitet den Vorwurf und führt den Verlust der Summe auf einen Hackerangriff zurück, wie die SZ und die FAZ (Patrick Welter) berichten.

USA  Kinderpornographie: Der deutsche Magier Jan Rouven, der sich vor einem Gericht in Las Vegas des Besitzes von Kinderpornographie für schuldig erklärt hatte, hat nach Berichten von SZ (Jürgen Schmieder) und FAZ sein Geständnis zurückgezogen. Er habe den Schritt mit der fehlerhaften Beratung durch seine damaligen Anwälte begründet. Im Fall einer Verurteilung erwartet den Illusionskünstler nicht nur eine hohe Freiheitsstrafe, sondern auch die Ausweisung aus den USA.

Chile  Abtreibungsverbot: Das in Chile geltende absolute Abtreibungsverbot wird auf Initiative der Präsidentin Michelle Bachelet voraussichtlich abgeschafft. Die Lockerung soll in drei Ausnahmefällen, nämlich bei einer Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung, bei Lebensgefahr der Mutter und wenn das Kind nicht lebensfähig ist, greifen. Die aktuelle Rechtslage gehe auf ein Gesetz aus der Amtszeit des Diktators Augusto Pinochet zurück, wie die SZ (Boris Herrmann) anmerkt. 

Indien  Rinderhandel: Indiens oberster Gerichtshof hat das Verbot des Handels mit Kühen zum Ziel des Schlachtens für drei Monate ausgesetzt. Das Verbot belastete vor allem Muslime, die überproportional in den betroffenen Sektoren arbeiteten. Wie die taz (Sven Hansen) berichtet, gingen Beobachter davon aus, dass das Verbot ideologisch motiviert ist. Es gehe um die Propagierung der Hindutva-Ideologie.

Sonstiges

"Ehe für alle": Der wissenschaftliche Mitarbeiter Daniel Toda Castan geht auf verfassungsblog.de aus rechtsvergleichendem Blickwinkel der Frage nach, ob Artikel 6 Grundgesetz die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare zulässt. So beziehe die spanische Verfassung ihrem Wortlaut nach den Schutz der Ehe explizit auf eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Nichtsdestoweniger hielt das spanische Verfassungsgericht die gleichgeschlechtliche Ehe für zulässig. Ebenso beschränke der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die ähnlich lautende Gewährleistung in Artikel 12 der Europäischen Konvention für Menschenrechte nicht auf verschiedengeschlechtliche Ehen. Vor diesem Hintergrund sei es Zeit für Rechtsvergleichung in Karlsruhe.

StPO-Reform: Der Rechtsprofessor Marco Mansdörfer bespricht auf lto.de das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens". Bei der Reform handele es sich um eine "Wundertüte"; dies hält den Autor nicht davon ab, im Beitrag sämtlichen enthaltenen Überraschungen auf den Grund zu gehen.

Auskunftsrechte gegen Finanzbehörden: Roland Kleemann kritisiert in einem Gastbeitrag in der FAZ die Anpassung der Abgabeordnung an die Datenschutz-Grundverordnung. Der Gesetzgebungsprozess sei als befremdlich zu bezeichnen, es werde außerdem eine massive Einschränkung der Informationspflichten und Auskunftsrechte vorgenommen. Damit gebe es derzeit kein Recht des Steuerbürgers, beim Finanzamt Auskunft über den ihn betreffenden Datenbestand zu verlangen. Ein verbindliches Akteneinsichtsrecht sei wünschenswert.

Das Letzte zum Schluss

Spritztour: Wie spiegel.de berichtet, hat eine Frau im hessischen Darmstadt eine zur Tatbestandsprüfung einladende Spazierfahrt mit ihrem Ehemann unternommen  ihr Partner befand sich nach einem Streit auf der Motorhaube des Fahrzeugs. Es wurde Anzeige wegen der Trunkenheitsfahrt, wegen versuchter Körperverletzung und wegen Gefährdung des Straßenverkehrs erstattet. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/fs

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. Juli 2017: Tarifeinheitsgesetz verfassungskonform / Zschäpe-Gutachter / Vollverschleierung . In: Legal Tribune Online, 12.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23433/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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