Die juristische Presseschau vom 11. Dezember 2014: BVerwG zur Aufenthaltserlaubnis und Sicherungshaft – AG Dresden zu Ramelow - USA und Folter

11.12.2014

Das BVerwG hat am Mittwoch zwei Grundsatzurteile gefällt – zur Aufenthaltserlaubnis illegal Eingereister und zu den Kosten der rechtswidrigen Sicherungshaft. Außerdem in der Presseschau: Die Immunität des Ministerpräsident Bodo Ramelow soll aufgehoben werden, das Gesetz zur Tarifeinheit soll beschlossen werden, und die folgenlose Folter durch amerikanische Geheimdienste.

Thema des Tages

BVerwG zu Aufenthaltserlaubnis: Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Ausländer kein Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik haben, wenn sie illegal eingereist sind. Dies gelte auch dann, wenn sie einen deutschen Staatsbürger geheiratet haben. In dem Verfahren war ein türkischer Mann im Jahre 2010 illegal nach Deutschland eingereist. Er heiratete im darauf folgenden Jahr eine Deutsche und blieb mit Hilfe von Duldungen in Hamburg. Eine Aufenthaltserlaubnis könne jedoch nicht ausgestellt werden, da der Betroffene nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei, so der Vorsitzende Richter Uwe-Dietmar Berlit. Der Mann müsse daher in die Türkei zurück reisen, um dort ein entsprechendes Visum zu beantragen. Anschließend könne er einen Antrag auf Erteilung eine Aufenthaltserlaubnis stellen. Dies berichtet welt.de (Sven Eichstätt).

BVerwG zu Kosten für Sicherungshaft: Grundsätzlich sind Ausländer dazu verpflichtet, die Kosten zu tragen, welche durch ihre Abschiebung entstehen. Sie müssen jedoch nicht für die Sicherungshaft aufkommen, wenn die gerichtliche Anordnung der Haft rechtswidrig war. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch in einem zweiten Grundsatzurteil. Hintergrund der Entscheidung war die Klage eines Mannes aus Nigeria, welcher sich gegen die Kostenforderung für seine Sicherungshaft wehrte. Die Verlängerung der Haft sei nicht rechtmäßig erfolgt und die Kostenforderung daher rechtswidrig, fand das Gericht Die Rechtswidrigkeit der Sicherungshaft ergebe sich aus dem Fehlen eines hinreichend begründeten Haftantrags, so der Vorsitzende Richter Berlit. Von diesem Urteil berichtet ebenso welt.de (Sven Eichstätt).

Rechtspolitik

Europarechtswidrigkeit des Wiedereinreiseverbots: Der Professor für Öffentliches Recht Thorsten Kingreen stellt für die FAZ die Europarechtswidrigkeit des geplanten Wiedereinreiseverbots dar. Die geplante Regelung sehe vor, dass Unionsbürgern die Wiedereinreise verboten werden kann, wenn das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts aufgrund der wiederholten Vorspiegelung falscher Tatsachen über das Recht auf Einreise oder Aufenthalt festgestellt wurde. Nach Artikel 15 Absatz 3 der Freizügigkeitsrichtlinie seien Wiedereinreiseverbote, die nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erlassen werden, unzulässig. Da das geplante Verbot unterhalb dieser Schwelle greifen solle, entspricht es laut Kingreen nicht dem unionsrechtlich vorgeschriebenen Maßstab. Der Bundestag könne sich auch nicht auf Artikel 35 der Richtlinie stützen, welcher Maßnahmen gegen Rechtsmissbrauch und Betrug legitimiert, denn auch bei Anwendung dieser Vorschrift sei Artikel 15 Absatz 3 zu beachten.

Leistungsschutzrechte von Verlegern: Am 1. August des vergangenen Jahres wurden die §§ 87 f bis 87 h im Urheberrechtsgesetz eingeführt. Diese legitimieren Presseverleger dazu, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ausgenommen davon sind einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Schon vor dem Erlass dieser Normen sprachen sich Experten dagegen aus; eine Evaluierung im Bundestag verlief ernüchternd. Der Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht Thomas Hoeren erläutert für lto.de, wie es zu der "fehlgeleiteten" Urheberrechtsregelung kommen konnte, und spricht sich für die Abschaffung des Leistungsschutzrechts aus. Er plädiert für ein Urheberrecht, welches das Interesse der Kreativen selbst schützt.

Frauenquote: Der Menschenrechtsaktivist Aaron Rhodes legt in der Zeit dar, weshalb er die Frauenquote für menschenrechtswidrig hält. Er ist der Ansicht, es handele sich dabei um eine Privilegierung einer Gruppe, der Frauen, zum Nachteil einer anderen, der Männer. Dies verstoße unter anderem gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen den Gleichheitsgrundsatz. Prinzipien würden "so interpretiert, wie es gerade zu den politischen Zielen passt". Rhodes sieht darin die Schwächung des Schutzes vor "Tyrannei und Willkür". Quoten seien keine geeignete rechtsstaatliche Maßnahme zur Stärkung der Rechte Benachteiligter. Vielmehr sei die Zivilgesellschaft gefordert, um gegen entsprechende Benachteiligungen vorzugehen. Vielfalt, die aus der Gesellschaft erwächst, sei beständiger als staatlich vorgegebene.

Burkaverbot: Auf dem Parteitag der CDU in Köln wurde kontrovers über die Einführung eines Burkaverbots diskutiert. Ein dahingehender Beschluss wurde vertagt. Es müssten zunächst juristische Probleme eines möglichen Verbots überprüft werden. Dies meldet spiegel.de.

Die FAZ (Katja Gelinsky) befasst sich mit der Rechtmäßigkeit eines Burkaverbots. In Frankreich gelte dieses unter Androhung von Bußgeldern bereits seit 2011, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei es gebilligt worden. Die Religionsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre würden durch die Regelung nicht verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hingegen hält die Vollverschleierung für eine geschützte Form der Religionsausübung. Ausführlich wird die Argumentation der Strafrechtsprofessorin Tatjana Hörnle zur Verfassungsmäßigkeit eines Burkaverbots wiedergegeben.

TTIP: Der Jurist und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erläutert für die FAZ, weshalb er TTIP und die darin vorgesehenen Schiedsgerichte für notwendig erachtet. So böten die Gerichte den Vorteil zügiger Verfahren. Auch sei die Befürchtung, es etabliere sich ein Paralleljustiz durch die Einführung von Schiedsgerichten, nicht haltbar. Die Zivilprozessordnung kenne bereits seit Langem das schiedsgerichtliche Verfahren. Solange für eine ausreichende Transparenz der Verfahren gesorgt werde, gebe es keinen Grund, die Einführung von Schiedsgerichten und den Investorenschutz durch das TTIP abzulehnen.

Tarifeinheit: Am heutigen Donnerstag will das Bundeskabinett das Gesetz zur Tarifeinheit beschließen. Was wird das Gesetz regeln? Wer profitiert davon? Wem schadet es? Diese und weitere Fragen zur geplanten Regelung beantwortet die SZ (Detlef Esslinger/Thomas Öchsner).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. Dezember 2014: BVerwG zur Aufenthaltserlaubnis und Sicherungshaft – AG Dresden zu Ramelow - USA und Folter . In: Legal Tribune Online, 11.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14078/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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