Vor dem Landgericht Ulm fordert der Unternehmer Erwin Müller Schadensersatz wegen heikler Cum-Ex-Deals. Außerdem in der Presseschau: Ist die Reform der Parteienfinanzierung eine Lex NPD? Und bezahlt Google geschlechtergerecht?
Thema des Tages
LG Ulm – Erwin Müller: Vor dem Landgericht Ulm verlangt der Drogerieunternehmer Erwin Müller von der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin 45 Millionen Euro Schadensersatz wegen angeblicher Falschberatung. Die Bank habe ihn, so behauptet der Kläger, bei sogenannten Cum-Ex-Deals im Rahmen eines besonders renditeträchtigen Fonds nur unzureichend über Risiken aufgeklärt. Insbesondere sei er nicht über die Möglichkeit eines Totalverlusts aufgeklärt worden, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt/Oliver Schmale). Vertreter der Bank hätten vor Gericht dagegen erklärt, dass dem klagenden Unternehmer die mit der Anlage verbundenen Risiken durchaus bewusst gewesen seien. Der Bericht der SZ (Stefan Mayr) nennt Beispiele anderer riskanter Geschäfte, bei denen Müller hohe Beträge verloren habe. Es sei unwahrscheinlich, dass sich die Parteien vor dem Verkündungstermin am 22. Mai vergleichsweise einigen würden. Der Prozessbericht des Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier) geht auch auf die Geschäftsvita des Unternehmers ein.
Rechtspolitik
Parteienfinanzierung: In einem Kommentar spricht sich Jost Müller-Neuhof (Tsp) gegen eine "Lex NPD" aus, durch die die Partei wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werden soll. Zwischen dem gescheiterten NPD-Verbot und dem aktuellen Gesetzentwurf bestehe ein "fundamentaler Unterschied". Während im ersten Fall gesetzliche Möglichkeiten auf einen Einzelfall angewendet worden seien, würden nun für einen Einzelfall "Gesetze erst noch geschaffen werden". Das "Finanzverbot" greife zudem unzulässig in den politischen Wettbewerb ein. Grundsätzliche Unterstützung erhält das Vorhaben dagegen durch den von der Welt (Tobias Heimbach) ausführlich zitierten Parteienrechtler Martin Morlok. Der Rechtsprofessor halte die aktuelle Regelung für "irrsinnig", kritisiere aber den engen Zeitplan des Gesetzentwurfs angesichts der kommenden Bundestagswahl.
Kinderrechte: Die Welt (Sabine Menkens) lässt in einem Beitrag zur Debatte über die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz vor allem kritische Stimmen zu Wort kommen. Nach diesen würde eine rechtliche Distanz zwischen Kindern und deren Eltern zugunsten staatlicher Eingriffe geschaffen.
Kartell-Ausnahme: Spätestens Anfang Mai soll die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft treten. In der Neufassung sind verlagswirtschaftliche Bereiche von Presseverlagen komplett vom Kartellverbot ausgenommen, schreibt das Hbl (Heike Anger). Hierdurch sollten Verlage im Wettbewerb mit insbesondere neuen Medien gestärkt werden.
Drohnen: Am vergangenen Freitag trat die Drohnen-Verordnung in Kraft, die die private Nutzung von Drohnen reglementiert. Der Kenntnis-Nachweis als Voraussetzung für den Betrieb von Geräten mit mehr als zwei Kilogramm Gewicht ist aber erst ab Oktober Pflicht, schreibt lto.de.
Digitalwirtschaft: Markus Balser (SZ) begrüßt in einem Kommentar den Versuch des Bundeswirtschaftsministeriums, "ein Ordnungsrecht und damit Spielregeln" für die digitale Wirtschaft zu schaffen. Hierbei dürfe es nicht darum gehen, alte Industrien um ihrer selbst willen zu schützen, vielmehr müsse das monopolistische "Recht des Stärkeren" eingeschränkt werden.
Justiz
LG Hannover – Schützenverein: Vor dem Landgericht Hannover muss sich der frühere Vorsitzende eines mittlerweile aufgelösten Schützenvereins wegen Bestechlichkeit verantworten. Der Angeklagte soll sogenannte Waffenbesitzkarten gleichsam verkauft haben, schreibt die SZ (Thomas Hahn/Britta von der Heide). Seine Verteidigung betone behördliche Aufsichtsversäumnisse.
LG Neubrandenburg – SS-Sanitäter: In dem beim Landgericht Neubrandenburg anhängigen Verfahren gegen einen früheren SS-Sanitäter hat nun auch die Staatsanwaltschaft die Befangenheit mehrerer beteiligter Richter gerügt. Die taz berichtet.
LG Hamburg – Brandstiftung: Am Landgericht Hamburg sind vier junge Männer wegen versuchter schwerer Brandstiftung angeklagt. Zum Prozessauftakt hätten die Angeklagten bestritten, dass die Taten – Brandanschläge auf eine Hamburger Zeitung und eine Schule in der Stadt – einen religiösen Hintergrund gehabt hätten, so die taz-Nord (Peter Müller).
LG Köln zu Terror: Wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat hat das Landgericht Köln einen 16-Jährigen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der syrische Flüchtling habe sich auch aus Einsamkeit über digitale Kontakte mit einem "IS-nahen Gesprächspartner" radikalisiert, zitiert zeit.de aus den gerichtlichen Feststellungen.
EU-Justizbarometer: Nach dem von der EU-Kommission vorgestellten Justizbarometer beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer eines Zivilrechtsstreits in Deutschland 190 Tage, meldet die FAZ (Marcus Jung). Die Bundesrepublik liege damit im EU-weiten Mittelfeld. Spitzenreiter der untersuchten Kategorie sei Luxemburg, wo gemessen an der Einwohnerzahl auch das meiste Geld in die Justiz investiert werde.
Recht in der Welt
Vereinigtes Königreich – Brexit: Hat die britische Regierung die Option, das jüngst eingeleitete Austrittsverfahren einseitig zu beenden? Dieser gelegentlich geäußerten Ansicht erteilt Rechtsprofessor Patrick Ostendorf auf lto.de eine klare Absage. Ein Rücktritt vom Brexit ließe sich nur bei ausnahmsloser Übereinstimmung aller Mitgliedstaaten bewerkstelligen.
Rumänien – Korruption: spiegel.de (Jörg Diehl) schildert den Fall eines Deutschen, gegen den in Rumänien wegen Bestechung ermittelt wird. Die Ermittlungen seien wahrscheinlich politisch motiviert, ein Londoner Gericht werde gegen des Monats über die Auslieferung des Mannes auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls entscheiden.
Türkei – Anwältin: Für eine Seite Drei-Reportage begleitet die SZ (Mike Szymanski) den Arbeitstag einer jungen, vielbeschäftigten Rechtsanwältin in Istanbul.
USA – Google: Über das vom US-amerikanischen Arbeitsministerium gegen Google angestrengte Verfahren wegen geschlechtsspezifischer Lohnungleichbehandlung schreibt die SZ (Kathrin Werner). Britta Weddeling (Hbl) behauptet, dass entgegen allen Bemühungen das Silicon Valley "nach wie vor das Tal des weißen Mannes" sei. Nicht nur Google, auch andere Tech-Firmen hätten nach wie vor nicht gelernt, dass das Gehalt "die einzig gültige Währung" für die Wertschätzung von Mitarbeitern sei. Auch in Chefetagen seien nach wie vor zu wenige Frauen vorhanden, "peinlich für eine Gegend, die für sich in Anspruch nimmt, ein Vorreiter in Sachen Innovation zu sein".
Sonstiges
Todesstrafe: Amnesty International hat für das vergangene Jahr weltweit 1.031 bekanntgemachte Hinrichtungen gezählt. Die taz (Sunny Riedel) nimmt den nun vorgestellten Jahresbericht der Organisation zum Anlass, in mehreren Beiträgen auf internationale Ausprägungen aufmerksam zu machen. So fehlten für China verlässliche Zahlen (Felix Lee), es würden im US-Bundesstaat Arkansas Hinrichtungsserien geplant, weil die Haltbarkeit des verwendeten Giftstoffes ablaufe (Agentur). In Beleraus blieben Verurteilte darüber im Unklaren, wann das gegen sie verhängte Urteil vollstreckt wird (Philipp Fritz) und es würden im Iran auch Minderjährige hingerichtet (Jannis Hagmann).
Das Letzte zum Schluss
Schwund: Das Landgericht Düsseldorf hat vier Männer wegen der Sprengung eines Geldautomaten verurteilt. Nicht aufklären konnte das Gericht den Verbleib der ursprünglich im Automaten befindlichen gut 20.000 Euro, schreibt bild.de. Bei der Festnahme der jetzt Verurteilten durch ein SEK-Kommando war das Geld noch vorhanden, seinen Weg in die Asservatenkammer fand es aber nicht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. April 2017: Schadensersatz nach Cum-Ex-Geschäft / Lex NPD? / Frauen und Google . In: Legal Tribune Online, 11.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22620/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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