Die juristische Presseschau vom 10. Juli 2014: "Dr. No" kommt straflos davon – Wetter-Wette zulässig – Angeklagter mit Model-Vertrag

10.07.2014

Das LG Hamburg hat im HSH-Prozess Dirk "Dr. No" Nonnenmacher und seine Vorstandskollegen überraschend freigesprochen. Ist das Strafrecht gegenüber Zockern machtlos? Außerdem in der Presseschau: EU verordnet Auto-Notruf, EuGH vor Deutsch-Test-Urteil, BVerwG zu Wetter-Wette, Bundesanwaltschaft ermittelt gegen weiteren Spion, und in den USA erhält ein Häftling einen Model-Vertrag.

Thema des Tages

LG Hamburg zu HSH-Nordbank: Das Untreue-Verfahren gegen Ex-Vorstandsmitglieder der HSH-Nordbank um den Ex-Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher vor dem Landgericht Hamburg hat überraschend mit Freisprüchen für die Angeklagten geendet. Die Fehlentscheidungen der Angeklagten seien nicht so gravierend gewesen, dass die Grenze zur Strafbarkeit überschritten worden sei, zitiert die SZ (Kristina Läsker) die Begründung des Gerichts. Auch FAZ (Joachim Jahn/Christian Müßgens/Johannes Ritter) und Handelsblatt (E. Atzler/M. Lambrecht) berichten ausführlich, spiegel.de (Stefan Kaiser) und die taz (Gernot Knödler) etwas knapper.

Kristina Läsker (SZ) bezeichnet das Urteil als eine "Klatsche für die Staatsanwaltschaft" und einen "Freibrief für zockende Banker". Und fragt: "Was muss noch passieren, damit schwere Untreue vorliegt? Wie groß muss der Schaden sein und wie lax das Verhalten?". Das Urteil lasse daran zweifeln, "dass deutsches Recht dazu geeignet ist, Fehltritte der Finanzkrise zu ahnden." Auch Joachim Jahn (FAZ) meint: "Mit den Mitteln der Strafjustiz ist den Urhebern der Finanzkrise offenbar nicht beizukommen." Er kritisiert die einseitige, enge Auslegung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Untreue. Nach Hermannus Pfeiffer (taz) sind die Angeklagten "schuldig trotz Freispruch". Der Prozess habe "ein grelles Schlaglicht auf die globale Finanzkrise und ihre Verursacher" geworfen. Matthias Lambrecht (Handelsblatt) ist überzeugt, das Verfahren habe trotz der Freisprüche abschreckende Wirkung: Die Angeklagten hätten ein Jahr auf der Anklagebank gesessen und das Gericht an ihren Pflichtverletzungen keinen Zweifel gelassen. Ein Unternehmensstrafrecht lehnt Lambrecht ab; dies treffe mit den Aktionären meist die Falschen. Anne Kunz (Welt) findet das Urteil "empörend, aber richtig". Unternehmerisches Versagen sei "kein Fall für den Staatsanwalt, sondern den Insolvenzverwalter" – Banken müssten endlich pleite gehen können.

Rechtspolitik

Finanzdienstleistungen: Auf einer Themenseite stellt die SZ (Simone Boehringer) die gesetzgeberischen Bemühungen um einen größeren Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen vor. Dabei spiele die Einführung des Beratungsprotokolls eine zentrale Rolle und sei gleichzeitig auch umstritten. In Interviews kommen auch eine Aktienexpertin und eine Verbraucherschützerin zu Wort.

EU-Verordnung zu Auto-Notruf: EU-Parlament und Rat haben einer Verordnung zugestimmt, die Automobilhersteller bald dazu verpflichtet, das automatische Notrufsystem "eCall" in ihre Neuwagen einzubauen. Die Zeit (Marcus Rohwetter) berichtet und hebt die Datenschutzbedenken hervor, die mit den neben dem Notrufsystem ebenfalls vorgesehen "Zusatzdiensten" einhergingen.

Erbschaftsteuerreform: Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zur Erbschaftsteuer halten Regierung und Opposition eine Reform der Erbschaftsteuer für notwendig. Finanzministerium und Regierungskoalition wollten aber die "Vorgaben aus Karlsruhe" abwarten, so das Handelsblatt (Donata Riedel). Die FAZ (Manfred Schäfers/Joachim Jahn) stellt die Haltung der Bundesregierung etwas anders dar – demnach sei man "weiterhin überzeugt, dass das Gericht [dem Gesetz] seinen Segen geben wird" und rechne allenfalls mit "gewissen Auflagen", dem Anziehen von "Stellschrauben".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Juli 2014: "Dr. No" kommt straflos davon – Wetter-Wette zulässig – Angeklagter mit Model-Vertrag . In: Legal Tribune Online, 10.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12516/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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