Die juristische Presseschau vom 9. Dezember 2014: Expertokratie statt Rechtsprechung – Zukunft des Datenschutzes – Entscheidung zu Telekom-Aktien

09.12.2014

Verdienen Richter mehr, als sie verdienen? Jüngste Urteile lassen daran zweifeln. Außerdem in der Presseschau: Verwertungsgesellschaft für personenbezogene Daten, Haftung für Atomausstieg, Verbraucherschützer gegen Pauschalreisen-Veranstalter, BGH entscheidet über Telekom-Aktien, und der Werdegang eines Denunzianten.

Thema des Tages

Richter und Gutachten: In einem Kommentar bezeichnet Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) das gegenwärtig beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur Angemessenheit der Richterbesoldung als berechtigt. Denn allgemein biete die Justiz "ein Rechtsschutzniveau, das man wohl erst vermissen wird, wenn man es nicht mehr hat". Einige Richter jedoch verfielen der "Expertokratie" und delegierten Entscheidungen, die sie selbst treffen müssten, an Gutachter. Beispiele hierfür seien jüngste Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu sogenannten "Homo-Tests" für Asylbewerber oder jenes des Bundesverfassungsgerichts zur elterlichen Kompetenz eines Ghanaers. In beiden Entscheidungen wurde die Übernahme inhaltlich fragwürdiger Aussagen von Gutachten in die Urteile unterer Instanzen gerügt.

Rechtspolitik

Datenschutz: In einem Gastbeitrag für das Feuilleton der FAZ fordert der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) eine "Neukonzeption des digitalen Freiheitsschutzes in globaler Dimension". Hierzu könne die geplante europäische Datenschutzgrundverordnung einen entscheidenden Beitrag leisten. In jedem Fall müsse die Bundesregierung den USA bei allem Respekt vor deren historisch gewachsener Rechtskultur und einer unterschiedlichen Definition von Privatheit klar gemacht werden, dass Grundrechtsschutz und hier speziell der absolut geltende Schutz der Menschenwürde nicht zur Debatte stehe.

Rechtsanwalt Peter Bräutigam stellt dagegen in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt die "Monetarisierung personenbezogener Daten" durch Endnutzer als "neue Formel für den Datenschutz" vor. Über Verwertungsgesellschaften könnten Private ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht "kommerzialisieren" und selbst über die Weitergabe von Daten entscheiden, die "Google, Facebook & Co." über sie erheben. Die hierfür notwendige Übertragung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und einzelner Teile hiervon sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig.

Integration: In einem Kommentar gibt Reinhard Müller (FAZ) zu bedenken, dass die Kenntnis der deutschen Sprache Voraussetzung für Integration sei. Wer seine Kinder daran hindere, diese Sprachkenntnis zu erlangen, schade damit auch deren Wohl. Gleichwohl könne der Staat, dem an erfolgreicher Integration gelegen sei, diese nicht befehlen, vielmehr müsse er "eindringlich für sie werben".

Suizid- und Sterbehilfe: Nun berichtet auch die SZ (Wolfgang Janisch) über die vom baden-württembergischen Justizministerium veranstaltete Tagung zu einer gesetzgeberischen Notwendigkeit der Suizid- und Sterbehilfe unheilbar Kranker.

Jagdrecht: Über Kritik an dem vom nordrhein-westfälischen Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) vorgelegten Entwurf eines reformierten Jagdgesetzes schreibt die FAZ (Reiner Burger). So argumentierten etwa Jäger-Verbände, dass der Entwurf dem angestrebten Ziel, einer Verbesserung von Tier- und Artenschutz, zuwiderlaufe.

Atomausstieg: Nach Darstellung des Handelsblatts (Klaus Stratmann) prüft die Kanzlei Becker Büttner Held gegenwärtig im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, ob "atomrechtlich begründete Kosten" im Falle der Insolvenz eines Energieunternehmens vorrangig bedient werden müssten. Das beauftragte Gutachten soll gleichfalls ergründen, ob von Unternehmen für den Ausstieg aus der Atomkraft zurückgestellte Beträge auf Extrakonten zu sichern seien. In der Regierung herrsche nach den Aufteilungs-Plänen des Eon-Konzerns die Befürchtung, dass die Kosten entgegen der ursprünglichen Planung bei der öffentlichen Hand verblieben. In einem Interview der Zeitung (Klaus Stratmann) plädiert der Rektor der Universität für Verwaltungswissenschaften, Joachim Wieland, dafür, die Haftungsfrage in diesem Bereich neu zu regeln.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. Dezember 2014: Expertokratie statt Rechtsprechung – Zukunft des Datenschutzes – Entscheidung zu Telekom-Aktien . In: Legal Tribune Online, 09.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14052/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen