Die juristische Presseschau vom 9.10.2014: Fischer zum Vergewaltigungsparagrafen – Handlungsbedarf bei Syndikusanwälten – gleichgeschlechtliche Ehe in den USA

09.10.2014

Thomas Fischer sieht keine Schutzlücke im Vergewaltigungsparagrafen – und findet klare Worte zur Frage, warum für ihn die aktuelle Debatte zu kurz greift. Außerdem in der Presseschau: Handlungsbedarf bei Syndikusanwälten, eine Präambel ohne Gottesbezug, Verbote gleichgeschlechtlicher Ehe in den USA werden gekippt und warum sich ein Paar während der Verhandlung noch schnell verlobt hat.

Thema des Tages

Fischer zum Vergewaltigungsparagrafen: Im Rahmen der aktuellen Debatte die Strafbarkeit von Vergewaltigungen meldet sich einmal mehr BGH-Richter Thomas Fischer zu Wort. In einem ausführlichen Kommentar für die Zeit erklärt Fischer zunächst die Tatbestände des Sexualstrafrechts – sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Missbrauch – und kommt anhand von Beispielsfällen zum Ergebnis: Es existiere keine Schutzlücke. Für Fischer rührt die Debatte auch aus einigen fehlerhaften Gerichtsentscheidungen, die Anlass zu Missverständnissen böten. Fehlerhafte Gerichtsentscheidungen dürfe man aber nicht mit geltendem Recht verwechseln. Fischer stellt klar: Es sei zum Beispiel Unsinn, von einer Straflosigkeit eines Mannes auszugehen, der mit einer "vor Angst starren" Frau gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr vollzieht. Ein solcher Fall erfülle vielmehr den Tatbestand der Vergewaltigung "durch Ausnutzen einer schutzlosen Lage". Das bloße "Nein" als Grundlage der Strafbarkeit zu fordern, greife zu kurz: Die entscheidende Frage sei nicht das "Nein", sondern wie ein Täter einen entgegenstehenden Willen mit Zwang bricht.

Entschieden schließt Fischer ab: Jede sexuelle Handlung "gegen den Willen" als Vergewaltigung ahnden zu wollen, sei eine "Desinformations-Kampagne, die mit der Uninformiertheit der breiten Mehrheit spielt, Regeln rationaler Diskussion missachtet und auf ein rechtspolitisches Klima abzielt, das "Sicherheit" vortäuscht, in Wahrheit aber Rechtsunsicherheit verbreitet." Ihr Erfolg wäre "eine Niederlage für den Rechtsstaat".

Rechtspolitik

Wahl der Verfassungsrichter: Wird neben dem Bundesrat bald der gesamte Bundestag an der Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts beteiligt sein – und nicht mehr wie bisher der zuständige Wahlausschuss? Ein Gesetzentwurf sieht laut FAZ (Reinhard Müller) vor, künftig das Plenum wählen zu lassen. Der Entwurf soll am heutigen Donnerstag in erster Lesung beraten werden; Ziel sei mehr Transparenz im Verfahren. Doch werde sich in der Praxis kaum etwas ändern, da das Plenum aufgrund eines Vorschlages abstimmen soll – "die entscheidende Vorauswahl erfolgt wie bisher".

Stellung der Syndikusanwälte: Nachdem das Bundessozialgericht im April entschied, dass Syndikusanwälte nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, ist der Status von Unternehmensjuristen weiter ungeklärt. Und erneut richten sich zahlreiche Appelle an den Gesetzgeber: Wie Rechtsanwalt Martin W. Huff für lto.de berichtet, haben Politik und Verbände auf einem Gipfel des Bundesverbands der Unternehmensjuristen nun für eine einheitliche Anwaltschaft und Vertrauensschutzregelungen plädiert. Außerdem habe ein Vorsitzender Richter des BSG Kritik am Gericht und seinen Syndikus-Entscheidungen von sich gewiesen.

Runder Tisch zur Regulierung von Prostitution: Wie die taz(Heide Oestreich) meldet, hat sich der "Runde Tisch Prostitution" zur geplanten Reform des Prostitutionsgesetzes kritisch geäußert. Die Experten setzen in ihrem Abschlussbericht weniger auf Regulierung, mehr auf Selbstbestimmtheit der Prostituierten – durch umfassende Beratung für Selbstschutz und -fürsorge und einfachen Zugang zu medizinischer Versorgung. Ein Prostitutionsverbot habe der "Runde Tisch" abgelehnt. Freier würden durch ein Verbot kriminalisiert: Prostituierte hätten dann keine legalen Kunden mehr und könnten "nicht offen und selbstbewusst auftreten".

Verfassung ohne Gottesbezug in Schleswig-Holstein: Wie die Welt (Uwe Schmitt) schreibt, hat der schleswig-holsteinische Landtag am gestrigen Mittwoch eine neue Landesverfassung beschlossen. Neuerungen seien geringere Hürden für direkte Demokratie, Förderung unbürokratischer Verwaltung und Schutz digitaler Privatsphäre. Im Fokus steht aber ein anderer Aspekt: Die neue Verfassung verzichtet in ihrer Präambel auf den Gottesbezug. Reinhard Müller kritisiert in der FAZ: "Die Demut der bescheidenen Formel "In Verantwortung vor Gott und den Menschen" aus dem Jahr 1949 ist eine klare Absage an jede totalitäre Herrschaft – und heute nötiger denn je. Sehr bedauerlich, dass man das in Kiel nicht erkannt hat." 

Jagd auf Katzen in NRW: Laut SZ (Bernd Dörries) soll im Frühjahr in Nordrhein-Westfalen ein neues Jagdgesetz in Kraft treten, mit dem die Jagd auf Katzen verboten werden soll. Jäger protestieren dagegen und bezeichnen das Ansinnen als "Wohlfühlgesetz"; der Schutz von Vögeln werde außer Acht gelassen. Die Jäger erwägen außerdem eine Verfassungsklage, weil das Gesetz "ein Einstieg in den Ausstieg aus der Jagd" sei. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9.10.2014: Fischer zum Vergewaltigungsparagrafen – Handlungsbedarf bei Syndikusanwälten – gleichgeschlechtliche Ehe in den USA . In: Legal Tribune Online, 09.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13417/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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