Die juristische Presseschau vom 9. Juli 2014: Karlsruher Skepsis bei Erbschaftsteuer – Grüne für sexuelle Selbstbestimmung – "Super Nanny" verletzte Menschenwürde

09.07.2014

Das BVerfG wird vermutlich die weitgehende Steuerfreiheit für Unternehmenserben beanstanden. Gestern verhandelte der Erste Senat. Außerdem in der Presseschau: bei der Rente mit 63 gibt es Verfassungsprobleme, Grüne fordern Verschärfung des Sexualstrafrechts, das VG Hannover hält Rüffel für die "Super Nanny" für gerechtfertigt - und warum ein amerikanischer Baseball-Fan nach einer Sportübertragung zehn Millionen Dollar Schadensersatz forderte.

Thema des Tages

BVerfG - Erbschaftsteuer: Im Rahmen einer Normenkontroll-Vorlage durch den Bundesfinanzhof prüfte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag, ob die weitgehende Steuerverschonung für Unternehmenserben gegen den Gleichheitssatz verstößt. Die Bundesregierung verteidigte das seit 2009 geltende Gesetz damit, dass die Verschonung der Unternehmenserben Arbeitsplätze sichere. Die Verfassungsrichter zeigten sich jedoch skeptisch. Über die Verhandlung und ihre Vorgeschichte berichten ausführlich die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Joachim Jahn), die taz (Christian Rath) und das Handelsblatt (Donata Riedel).

Joachim Jahn (FAZ) geht in seinem Kommentar davon aus, dass den Verfassungsrichtern die bisherige Privilegierung der Unternehmenserben "zu weit" geht, weil "sogar die Hauptaktionärin eines Konzerns mit Milliardenumsatz wie SGL Carbon in den Genuss von Steuerbegünstigungen kommen könnte". Claus Hulverscheidt (SZ) sieht in der Behauptung mancher Verbände, jede Besteuerung von Firmenerbschaften und -schenkungen bedeute ein wirtschaftliches Fiasko, "das Angstgeheul einer kleinen, um ihre Privilegien fürchtenden Kaste." Christian Rickens (spiegel.de) plädiert für eine "maßvolle Steuer für alle Erben".

Rechtspolitik

Rente mit 63: Die SZ (Thomas Öchsner) berichtet über ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Danach sei eine Detailregelung der beschlossenen "Rente mit 63" verfassungswidrig. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, wenn bei der Berechnung der erforderlichen 45 Beitragsjahre in den letzten zwei Jahren eine Arbeitslosigkeit wegen betriebsbedingten Kündigungen nicht mitgerechnet wird, während eine Arbeitslosigkiet wegen Insolvenz zähle. Nicht jede betriebsbedingte Kündigung beruhe auf einer missbräuchlichen Absprache zu Lasten der Sozialversicherung.

Mindestlohn: Rechtsprofessor Frank Maschmann schildert in einem Gastbeitrag für die FAZ Rechtsprobleme des Mindestlohnes. Dabei geht er ein auf die Prüfmöglichkeiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, das fehlende Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, die Umrechnung von Monats- und Stücklöhnen in Stundenlöhne sowie die Abgrenzung zwischen echten und vorgeschobenen Werkverträgen.

Maut: Der wissenschaftliche Assistent Walther Michl prüft auf verfassungsblog.de die Maut-Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Sie verstoßen seiner Meinung nach an zwei Punkten gegen das EU-rechtliche Diskriminierungsverbot. Zum einen sei es unzulässig, dass eine Kurzzeit-Vignette für einen EU-Ausländer so viel kostet wie bestimmte Jahres-Vignetten für deutsche Kfz-Halter. Außerdem sei die gleichzeitige Senkung der Kfz-Steuer als Kompensation für die Einführung der Maut eine mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern.

Vergewaltigung: Die Grünen fordern einen "voraussetzungslosen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung", berichtet die taz (Heide Oestreich). Entsprechend der Istanbul-Konvention des Europarats müsse es auch bestraft werden, wenn Sex ohne Gewalt, Drohung oder Ausnutzung einer schutzlosen Lage gegen den Willen der Frau durchgesetzt werde.

Gleichstellung: Die SZ (Heribert Prantl) berichtet über ein Gutachten des ehemaligen BVerfG-Präsidenten Hans-Jürgen Papier zur praktischen Wirkung von Gleichstellungsgesetzen im öffentlichen Dienst. Papier komme zum Schluss, dass die Pflicht zur vorrangigen Einstellung von Frauen bei gleicher Eignung leer laufe, weil die Anforderungen meist so konkretisiert werden, dass nur der gewünschte männliche Bewerber sie erfülle. Papier schlägt vor, künftig auf eine "offensichtlich" bessere Qualifikation von Konkurrenten abzustellen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. Juli 2014: Karlsruher Skepsis bei Erbschaftsteuer – Grüne für sexuelle Selbstbestimmung – "Super Nanny" verletzte Menschenwürde . In: Legal Tribune Online, 09.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12491/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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