Die juristische Presseschau vom 7. bis 9. März 2015: Strafverteidiger gegen Jugendarrest – BGH-Richterin in Teilzeit – Schonung für Zschäpe

09.03.2015

Im Jugendarrest kommt man nur in falsche Kreise. Der Strafverteidigertag fordert deshalb die Abschaffung des Arrests. Außerdem in der Presseschau: Verwirrung um neue Vorratsdatenspeicherung, Richterwahlausschuss wählt Teilzeitrichterin, die NSU-Angeklagte Beate Zschäpe wird vom Gericht geschont, Mannheimer Master-Studiengang für Juristen und warum ein Düsseldorfer Autofahrer 630 Monate Fahrverbot erhielt.

Thema des Tages

Strafverteidiger gegen Jugendarrest: Der Strafverteidigertag, der am Wochenende in Lübeck tagte, hat sich für die Abschaffung des Arrests im Jugendstrafrecht ausgesprochen, berichtet die Montags-FAZ (Helene Bubrowski). Positive Wirkungen des Jugendarrests seien nicht belegbar. Jugendliche kämen in Kontakt zu kriminellen Gruppen oder würden Opfer von Übergriffen. Das Jugendgerichtsgesetz lasse den Richtern schon jetzt viel Freiheit bei der Auswahl geeigneterer Sanktion.

Strafverteidiger und richterliche Vorurteile: Ebenfalls auf dem Strafverteidigertag wurde darüber diskutiert, dass "Richter qua Gesetz gleichsam zum Vor-Urteil gezwungen sind." Denn: "Bevor ein Prozess überhaupt beginnt, muss die Strafkammer über die Zulassung der Anklage entscheiden". Der Eröffnungsbeschluss werde leicht zur selbsterfüllenden Prophezeihung. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) berichtete vorab auf der Titelseite.

Rechtspolitik

Gott in der Verfassung: Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tsp) kritisiert eine überparteiliche Initiative, die "Gott" in der schleswig-holsteinischen Landesverfassung verankern will. Er sieht darin keinen traditionellen Verfassungsinhalt. Auch die Integrationswirkung eines Gottesbezugs sei begrenzt. Müller-Neuhof stellt die Formel auf: "Steht er drin, eint er. Soll er erst noch hineingeschrieben werden, spaltet er."

EU-Datenschutz-GrundVO: Der Spiegel (Sven Becker) schildert, wie eng sich das Bundesinnenministerium bei den Verhandlungen zur geplanten EU-Datenschutz-Grundverordnung mit deutschen Branchenverbänden und Unternehmen abstimmt, um das Datenschutz-Niveau zu begrenzen und zu senken.

Vorratsdatenspeicherung: Der Spiegel (Maik Baumgärtner u.a. - spiegel.de-Zusammenfassung) will erfahren haben, dass die Bundesregierung die Vorratsdatenspeicherung jetzt auch ohne neue EU-Richtlinie einführen will. Justizminister Heiko Maas dementiert dies allerdings gegenüber der Montags-SZ (Heribert Prantl). Die Montags-taz (Christian Rath) schildert den Hintergrund der Diskussion.

Heribert Prantl (Montags-SZ) kritisiert in einem separaten Kommentar: "Seitdem die Nachrichten über NSA und Co wieder leiser geworden sind, werden die Rufe nach der Vorratsdatenspeicherung wieder lauter." Christian Rath (Montags-taz) wirft der SPD in dieser Frage Profillosigkeit vor: "Stets hängt sie ihr Fähnchen in den Wind, reagiert auf Ereignisse oder versteckt sich hinter Gerichtsurteilen, die dann doch nicht so eindeutig sind wie behauptet."

Kartellrecht: Die Bundesregierung will verhindern, dass Unternehmen durch eine Umstrukturierung kartellrechtlichen Bußgeldern entgehen können. Eine entsprechende Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei geplant, meldet der Spiegel (Melanie Amann/Simone Salden).

CETA/TTIP: Juniorprofessor Steffen Hindelang schlägt in einem englischsprachigen Beitrag für verfassungsblog.de vor, das ausverhandelte europäisch-kanadische CETA-Abkommen wieder aufzuschnüren und zunächst nur die Freihandelsinhalte in Kraft zu setzen. Der Investorenschutz könne später trilateral mit den USA im Rahmen der TTIP-Verhandlungen zu Ende verhandelt werden. Der Transformationsforscher Holger Janusch beschrieb in der Samstags-FAZ, wie die USA in ihren Freihandelsabkommen zunehmend Arbeitnehmerrechte aufnimmt und durchsetzt.

Islamgesetz: Der von der Türkei finanzierte Moscheenverband Ditib kritisiert die Diskussion über ein deutsches Islamgesetz. Ein derartiges Gesetz wäre ein "verfassungswidriges Sondergesetz, das in die Lehre und Glaubenspraxis von religiösen Minderheiten eingreift", berichtet die Montags-taz (Daniel Bax). Beanstandet werden insbesondere eine mögliche Pflicht, auf deutsch zu predigen, und ein mögliches Verbot, Zuschüsse aus dem Ausland zu erhalten.

Richterwahlen: Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) macht darauf aufmerksam, dass der Richterwahlausschuss am Donnerstag erstmals eine Teilzeit-Richterin zur BGH-Richterin gemacht hatte. Dies sei ein Signal und zugleich die Folge einer immer weiblicheren Justiz.

Gesellschaftsrecht: Der Anwalt Robert Peres kritisiert auf lto.de das gesellschaftsrechtliche Spruchkammerverfahren zur Festlegung des Unternehmenswerts. Die Sachverständigen seien oft nicht neutral, die Verfahren dauerten zu lang. Minderheitsaktionäre sollten beim Delisting wieder ein Barabfindungsangebot bekommen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. bis 9. März 2015: Strafverteidiger gegen Jugendarrest – BGH-Richterin in Teilzeit – Schonung für Zschäpe . In: Legal Tribune Online, 09.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14881/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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