Die juristische Presseschau vom 8. März 2012: Starre Quote für Frauen – Steuerpflicht für Soldaten – Prominenter Hacker spitzelte für FBI

08.03.2012

Zum Internationalen Frauentag wird die starre Quote für Frauen in Wirtschaftsunternehmen weiter heftig diskutiert. Die geplante Besteuerung von Freiwilligen bei Bundeswehr und Sozialen Diensten steht in der Kritik. Dazu gibt es die Ehrensoldreform, Neues zu Acta, Fristen beim Finanzamt, die Marke Hoechst und warum in Guantánamo Fußball gespielt wird.

Starre Quote für Frauen: Das laute Nachdenken von EU-Justizkommissarin Viviane Reding über eine starre Frauenquote in Wirtschaftsunternehmen beflügelt die Debatten am Internationalen Frauentag. Dorothea Siems (welt.de) hält eine starre Regulierung für den falschen Weg, auch wenn Deutschland den Trend vollkommen verschlafen habe. Die "selbsternannten Befreierinnen" der Frauen fragten nie, ob Frauen überhaupt männliche Karrieren machen wollten, im Übrigen löse sich das Problem auf demographischem Weg von allein: Je mehr Frauen studierten, desto mehr würden in Führungspositionen landen. Markus Kerber (Handelsblatt) sieht noch eine Schonfrist für die Unternehmen, die jetzt handeln müssten. Andernfalls sei die starre Quote unvermeidlich.

Monika Gemmer (FR) fordert, sich Ruanda zum Vorbild zu nehmen, wo die Mehrheit der Abgeordneten weiblich sei und verweist auf den Global Gender Gap Report als Übersicht für nicht verwirklichte Frauenrechte.

In einem Interview mit zeit.de (Tina Groll) spricht der Soziologe Hinrich Rosenbrock über die gefährliche Affinität von bestimmten Männerrechtsgruppen zu rechtsextremem Gedankengut. Manche der Aktivisten, von denen zehn Prozent Frauen seien, gingen juristisch gegen Feministinnen vor. Häufig seien sie durch negative persönliche Erfahrungen, insbesondere Scheidungsverfahren, zu der Überzeugung gelangt, sie seien einer weiblichen Dominanzkultur unterworfen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Steuerpflicht für Soldaten: Der Plan von Bundesfinanzminister Schäuble (CDU), den Sold freiwilliger Soldaten und Angehörige sozialer Dienste zu besteuern, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Über den Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 und die breite Kritik aus allen Parteien und zahlreichen Fachverbänden berichten SZ (Claus Hulverschmidt) und FAZ (Manfred Schäfers, Stephan Löwenstein) auf ihrer Titelseite. Das Handelsblatt (Axel Sigmund, Thomas Schrinner) analysiert das Gesetz ausführlich und verortet Schäubles Maßnahme im Kontext des angestrebten ausgeglichenen Haushalts. Laut bild.de könnten sich für Wehrdienstleistende Belastungen von bis zu 65 Euro im Monat ergeben.

Günther Nonnenmacher (FAZ) sieht nicht ein, weshalb die Freiwilligen besser zu stellen seien als die Zeitsoldaten und plädiert im Zweifelsfall für eine bessere Bezahlung. Timot Szent-Ivanyi (FR) wirft Schäuble "Trickserei" vor und fordert, die Kanzlerin müsse ihn "zur Räson bringen". ble (SZ) bezeichnet den Gesetzesentwurf als "zynisch". Mit Leib und Leben für die Interessen seines Landes einzustehen sei mehr als nur ein normaler Job.

Ehrensoldreform: Die FAZ (Stephan Löwenstein) stellt die parteiübergreifenden Ansätze zur Reform des Ehrensoldes vor. Laut Bundestagspräsident Lammert müssten Amtszeit und Lebensalter in Zukunft stärkere Berücksichtung finden. Der emeritierte Juraprofessor der Humboldt-Universität Hans Meyer (FAZ), lehnt in einem ausführlichen Beitrag auf der Recht-Seite die Einschätzung des Bundespräsidialamtes ab, Wulff sei aus politischen Gründen zurückgetreten. Er sieht die Zuständigkeit für diese fiskalpolitische Entscheidung beim Bundestag.

Regulierung der Finanzmärkte: focus.de (Martina Fietz) berichtet über das Ringen um die Finanztransaktionssteuer als Teil der geplanten Regulierung der Finanzmärkte. Die SPD spekuliere auf die Rachegelüste von Kanzlerin Merkel gegenüber der FDP.

Die FR (Markus Siewers) stellt das Acht-Punkte-Programm der FDP zur Regulierung der Finanzmärkte vor. Geplant sei unter anderem eine bessere Kontrolle des Handels mit Staatsanleihen.

Neues zu Acta: netzpolitik.de (Markus Beckedahl) verweist auf eine ausführliche Debatte im NDR zu Sinn und Zweck von Acta. Mit dabei Prof. Axel Metzger, Institut für Rechtsinformatik Hannover, Rechtsanwalt Jens Schippmann und Dirk von Gehlen, Redakteur bei jetzt.de. In einem Videoclip auf netzpolitik.de (Markus Beckedahl) erläutert der kanadische Urheberrechtsprofessor Michael Geist im Rahmen eines INTA-Workshops des EU-Parlaments die Kritik an Acta.

Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe: Michael Kubiciel (lto.de) schreibt über die Schwierigkeiten, professionelle Sterbehilfe gesetzlich zu verhindern, jetzt, da Sterbehilfe grundsätzlich als Möglichkeit akzeptiert sei.

Lex München: Die FAZ (Albert Schäffer) beschreibt den Versuch des bayrischen Umweltministers Markus Söder (CSU), der Landeshauptstadt mittels einer "Lex München" Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich zu entziehen, als Punktsieg für Christian Ude und Kommunikationsdesaster, das Söder nachhaltig beschädigen könne.

Weitere Themen – Justiz

Vorsteuerabzug für Strafverteidigerkosten: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Fall zur Entscheidung vorgelegt, in dem zu klären ist, ob ein Unternehmen bei den Aufwendungen für einen Strafverteidiger zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. Das berichtet lto.de. Für den Vorsteuerabzug spreche laut BFH, dass die möglicherweise strafbaren und anwaltlichen Beistand erforderlich machenden Handlungen die steuerpflichtige Tätigkeit des fraglichen Unternehmens befördert hätten.

Interview mit Buback-Anwalt: Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) verweist auf ein Interview, das der SWR mit Jens Rabe, dem Anwalt der Familie Buback geführt hat, und als Podcast zur Verfügung steht.

Einspruchsfrist beim Finanzamt: Eine Rechtsbehelfsbelehrung des Finanzamts, die nicht auf die Möglichkeit hinweist, dass das Rechtsmittel auch per E-Mail eingelegt werden kann, ist unvollständig. So sieht es der Niedersächsische Finanzhof in einer Entscheidung, die Udo Vetter (lawblog.de) vorstellt. Durch die Unvollständigkeit verlängere sich die Einspruchsfrist von einem Monat auf ein Jahr. Dabei spiele es keine Rolle, dass der zunächst als verspätet zurückgewiesene Einspruch auf Papier eingereicht worden sei.

Hoechst umstritten: Im Streit um die Löschung der Marke "Hoechst" hat das Landgericht Frankfurt/Main einen neuen Termin im Mai anberaumt, berichtet lto.de. Bei dem Streit gehe es um die Frage, ob die Verwendung leicht veränderter ähnlicher Embleme auch das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) hinterlegte Ursprungs-Logo schütze. Da sich der Europäische Gerichtshof im Moment mit einem ähnlichen Fall beschäftige, müsse das Verfahren in Frankfurt eventuell ausgesetzt werden.

Musterprozess gegen Nestlé: Auch zeit.de (Dennis Bühler, Peer Teuwsen) berichtet über den Plan der in Berlin ansässigen Anwaltsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), gegen Nestlé einen Musterprozess zu führen. Anlass sei die Ermordung des kolumbianischen Gewerkschafters Luciano Enrique Romero Molina im Jahr 2005. Die Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden Peter Brabeck und vier weitere Mitarbeiter, die im Schweizer Kanton Zug gestellt wurde, richte sich auf "fahrlässige Tötung durch Unterlassen".

Pflegegeld: Hans-Otto Burschel (blog.beck.de) stellt eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Demnach bestehe der Anspruch auf Pflegegeld auch dann, wenn Großeltern und Enkel unter einem Dach zusammenwohnten. Im zu entscheidenden Fall habe die fünfzehnjährige Mutter ebenfalls unter dem Dach ihrer Eltern gewohnt.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Prominenter Hacker spitzelte für FBI: Der prominente Hacker Sabu, Mitglied der Anonymous-Bewegung ist als Spitzel für das FBI tätig gewesen. Das berichtet die FR (Marin Majica). Durch seine Hinweise seien fünf Mitglieder der Hacker-Gruppe LulzSec festgenommen und angeklagt worden, die seit 2010 zahlreiche Angriffe auf Websites staatlicher Behörden durchgeführt haben soll. Auch spiegel.de (Christian Stöcker) beschäftigt sich mit dem "geheimnisvollen Verräter der Hacker-Elite". 

Laut taz (Lalon Sander) drohen Hector M., so Sabus Name im wirklichen Leben, bis zu 124 Jahre Haft. In einem weiteren Beitrag der taz (Meike Laaf) wird die Aussage des FBI, die Anonymous-Bewegung "enthauptet" zu haben, bezweifelt. Anonymous habe keine Anführer und sei zu groß, um durch die Teilenttarnung zerstört zu werden.

Anklageschrift gegen Breivik: Die FAZ (Sebastian Balzter) stellt die Anklageschrift gegen den norwegischen Massenmörder Anders Breivik vor. Einer der Tatvorwürfe laute auf Terrorismus, was eine Haft von bis zu 21 Jahren ermögliche. Die Vorschrift der "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", die ursprünglich erwogen worden war, sei nicht zur Anwendung gekommen. Unter Hinweis auf das psychiatrische Gutachten, das Breivik für unzurechnungsfähig erklärt hat, erläutert die SZ (Gunnar Herrmann) die mehrschichtige Strategie der Staatsanwaltschaft, die alternativ zu einer Verurteilung auch auf Einweisung in eine psychiatrische Klinik abziele.

Entschädigung für Fukushima: spiegel.de (Stefan Schultz, Heike Sonnberger) berichtet über die mühsamen Versuche, den Opfern von Fukushima eine Entschädigung zukommen zu lassen. Wie so oft bei technischen Katastrophen lasse sich beobachten, dass die verantwortliche Firma, in diesem Fall AKW-Betreiber Tepco, den Geschädigten etwaige Schadensersatzforderungen durch geringfügige Sofortzahlungen abkaufe. Außerdem werde für die Entschädigung staatliches Geld aufgewendet.

Garzón und die Menschenrechte: Kai Ambos (FAZ), Richter am Landgericht in Göttingen, kommentiert in einem Gastbeitrag die drei Verfahren gegen den spanischen Richter Baltasar Garzón. Die Kritiker der Verfahren machten es sich zu einfach. Garzón erscheine in den Tatvorwürfen als juristischer Akteur, der seine richterlichen Grundsätze für politische Ziele außer Acht lasse.

Das Letzte zum Schluss

Fußball in Guantánamo: Martin Krauss (taz) widmet sich im Sportteil der Frage, warum in Camp 6 im US-Militärkomplex Guantánamo ein Fußballplatz für eine halbe Million US-Dollar errichtet wird. Er mutmaßt, durch das Fußballspiel würden die Gefangenen auf eine Entlassung in eines der 200 Länder vorbereitet, in denen Fußball einen höheren Stellenwert genieße als in den USA.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. März 2012: Starre Quote für Frauen – Steuerpflicht für Soldaten – Prominenter Hacker spitzelte für FBI . In: Legal Tribune Online, 08.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5725/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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