Die juristische Presseschau vom 7. November 2014: Zug-Räder stehen weiter still - Schutzlückenschließung im Sexualstrafrecht - Erkenntnisse im NSA-Ausschuss

07.11.2014

Der starke Arm der GDL hat sich vor dem Arbeitsgericht Frankfurt durchgesetzt, der Bahnstreik geht damit zunächst weiter. Außerdem in der Presseschau: Reform des Vergewaltigungsparagraphen, BKA-Präsident zum Datenschutz, NVA vor Gericht, juristische Aufarbeitung der DDR, Erkenntnisgewinn im NSA-Ausschuss und Gefängnis für betrügerischen Speiseplan.

Thema des Tages

ArbG Frankfurt – Bahn-Streik: Der von der Gewerkschaft Deutscher Lokführer ausgerufene Streik geht vorerst weiter. Wie faz.net (Patrick Bernau) meldet, lehnte das Arbeitsgericht Frankfurt am späten gestrigen Abend den Erlass einer von der Deutschen Bahn beantragten einstweiligen Verfügung ab. Nach den Worten der Vorsitzenden Richterin Ursula Schmidt sei der Ausstand verhältnismäßig, verstoße nicht gegen die Friedenspflicht und sei zudem auch nicht altersdiskriminierend. Nach Darstellung von spiegel.de geht die unterlegene Arbeitgeberin gegen die Entscheidung in Berufung. Das Landesarbeitsgericht Hessen könnte hierüber bereits am heutigen Vormittag verhandeln. Argumente für und gegen die Rechtmäßigkeit des Streiks stellt zeit.de (Sabine Hockling) zusammen.

Streik-Folgen I: Mögliche arbeitsrechtliche Folgen des Streiks für Pendler stellt zeit.de (Tina Groll) in einer Übersicht dar. Auch bei einer streikbedingten Verlängerung des Weges zur Arbeit trifft die Arbeitnehmer das sogenannte Wegerisiko. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts seien sie dazu verpflichtet, alternative Verkehrsmittel oder Routen zu nutzen. Bei etwaigen Zuspätkommen bestehe zwar kein Recht zur Kündigung, grundsätzlich könne der Arbeitgeber jedoch den Lohn kürzen.

Streik-Folgen II: Zu der Berichterstattung über das Wohnhaus des GDL-Chefs Claus Weselsky stellt die SZ (Hans Leyendecker) in ihrem Medien-Teil klar, dass diese "moralisch, aber wohl auch rechtlich" unzulässig ist. Zwar schlage nach der wegweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor sechzig Jahren "das Pendel mal mehr in Richtung Pressefreiheit, mal mehr in Richtung Persönlichkeitsschutz". Wer aber auch als Person des öffentlichen Lebens seinen persönlichen Rückzugsort nicht freiwillig offenbare, habe einen Anspruch auf Schutz desselben.

Streik-Folgen III: Nach Auffassung von Dorothea Siems (Welt) trägt die Position der GDL dazu bei, der Regierung bei der Verwirklichung ihres "fragwürdigen Gesetzesvorhabens" zur Tarifeinheit zu erleichtern. Durch die aktuellen Bilder entstehe der unzutreffende Eindruck, dass es Kleingewerkschaften seien, die der Wirtschaft mehr als die großen Gewerkschaften schaden würden. Daher sei es unangebracht, über den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit kleinen Arbeitnehmerorganisationen wie eben der GDL "faktisch das Streikrecht zu nehmen und die Gründung weiterer Spartengewerkschaften unmöglich zu machen".

Rechtspolitik

Sexualstrafrecht: Die Konferenz der Landesjustizminister hat ihre Zustimmung zu der von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorangetriebenen Reform des strafrechtlichen Vergewaltigungsparagrafen signalisiert. Die Reform soll vorhandene Schutzlücken schließen, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch/Robert Roßmann) in einem Bericht, der zudem ausführlich auf die aktuelle Debatte zwischen dem Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer und der Rechtsprofessorin Tatjana Hörnle eingeht.

Reinhard Müller (FAZ) begrüßt die Einigkeit der Justizminister "in einer so wichtigen Frage", zeigt sich aber skeptisch, ob dies gleichermaßen für die nun zu hörenden Fachleute gelten werde. Auch die jetzige Rechtslage lasse Raum für Bestrafung von Tätern, denen körperlicher Widerstand nicht entgegengesetzt werde. Dagegen erinnert Heide Oestreich (taz) daran, dass trotz der prominenten Fälle "Kachelmann" oder "Strauss-Kahn" die Opfer sexueller Gewalt regelmäßig Frauen und eben nicht falsch beschuldigte Männer seien. Eine Fallsammlung der Frauennotrufe belegte, dass für Gerichte Vergewaltigungen häufig unstreitig seien, aber dennoch strafrechtlich nicht erfasst werden könnten.

Terror-Tourismus: Eine weitere Einigung der Justizministerkonferenz betrifft schärfere Maßnahmen gegen terrorbereite Islamisten. Wie berliner-zeitung.de (Mira Gajevic) schreibt, soll sich künftig strafbar machen, wer die Absicht hegt, sich im Ausland "dem Heiligen Krieg anzuschließen" oder ein entsprechendes Ausbildungs-Camp zu besuchen.

Missbrauch von Sozialleistungen: Der Bundestag hat mit den Stimmen der Regierungskoalition ein Gesetz verabschiedet, mit dem sogenanntem Missbrauch von Sozialleistungen durch EU-Ausländer vorgebeugt werden soll. Unter anderem soll die Aufenthaltsgenehmigung von Betroffenen erlöschen, wenn eine sechsmonatige Arbeitssuche erfolglos gewesen ist, schreibt spiegel.de (Anna Reimann) in einem Bericht, der auch auf die eher gering zu veranschlagende Anzahl bekannter Missbrauchsfälle eingeht.

Datenschutz: Der scheidende Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hat in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa eine "grundsätzliche Debatte" über Datenschutz und hierdurch entstehende Beschränkungen der polizeilichen Ermittlungsarbeit gefordert. Nach Darstellung von datenschutzbeauftragter-info.de schlug Ziercke dabei die Einrichtung eines speziellen Richtergremiums vor, das bei Schwerstkriminalität zu Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung entscheiden könne.

Nach Jasper von Altenbockum (FAZ) fehlt zu solchen seit Jahren bekannten Vorschlägen "der Mut, etwas zu tun". Denn "die unkritische Anbetung des Internets hat seit Jahren zu einem netzpolitischen Bermuda-Dreieck" geführt, in der Nutzer bereitwillig Daten preisgäben, sich aber nicht an der Verunglimpfung "jeglicher staatlicher Eingriffe als Überwachung" störten.

Selbstanzeige: Der Bundestag hat die Verschärfung der Hürden für eine strafbefreiende Selbstanzeige beschlossen, die FAZ (Joachim Jahn) stellt die wichtigsten Regelungen vor. So sei etwa eine Staffelung des prozentualen Strafzuschlages entsprechend der Höhe der hinterzogenen Summe vorgesehen, zudem beginne die strafrechtliche Verjährungsfrist für im Ausland verstecktes Geld erst dann zu laufen, wenn das Finanzamt von einem konkreten Sachverhalt Kenntnis erlangt hat.

Steuerwettbewerb: Holger Steltzner (FAZ) kommentiert im Leitartikel der Zeitung die fragwürdige Position des EU-Kommission-Präsidenten Jean-Claude Juncker angesichts des laufenden Beihilfeverfahrens gegen dessen Heimatland Luxemburg wegen mit mutmaßlich staatlicher Hilfe organisierter Steuersparmodelle. Es sei "weder neu noch falsch", dass Juncker als Premierminister seiner Heimat Steuerwettbewerb propagiert habe. Die jetzige Aufregung von Politiker-Kollegen findet er etwas "heuchlerisch". Nur ein Steuerwettbewerb schütze den "Steuerzahler davor, übermäßig geschröpft zu werden." Juncker bezeichnet er als "wandelnden Widerspruch," denn als Chef der Eurogruppe habe er eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte gefordert, als Premier in Luxemburg habe er dagegen gestimmt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. November 2014: Zug-Räder stehen weiter still - Schutzlückenschließung im Sexualstrafrecht - Erkenntnisse im NSA-Ausschuss . In: Legal Tribune Online, 07.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13734/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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