Am Landgericht Stuttgart beginnt der Prozess gegen Anton Schlecker und seine Familie. Außerdem in der Presseschau: Ehepartner bleiben bei Adoptionen privilegiert und welche Konsequenzen haben die Enthüllungen zu DPolG-Chef Rainer Wendt?
Thema des Tages
LG Stuttgart – Schlecker: Vor der 11. Großen Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart wurde das Strafverfahren gegen Anton Schlecker, seine Frau Christa und die beiden gemeinsamen Kinder Lars und Meike eröffnet. Die unter anderem wegen Bankrotts bzw. Beihilfe hierzu Angeklagten wiesen über ihre Verteidiger die Vorwürfe zurück, schreibt die SZ (Stefan Mayr). Für den Firmengründer sei eine Insolvenz des Unternehmens "schlicht unvorstellbar" gewesen, wird ein Anwalt zitiert. Die den Kern des Verfahrens bildenden Überweisungen, Schenkungen und Übertragungen seien dagegen eingeräumt worden. Die Anklage, zusammengefasst von der SZ (Stefan Mayr/Klaus Ott), behauptet, dass Schlecker dem Unternehmen insgesamt 26 Millionen Euro entzogen habe. Weitere Berichte zum Prozessauftakt, teilweise verbunden mit Porträts des öffentlichkeitsscheuen Schlecker, bringen FAZ (Marcus Jung), Hbl (Martin Buchenau), Welt (Gisela Friedrichsen) und taz (Benno Stieber). Die FAZ (Susanne Preuß) erinnert daran, dass der Angeklagte als Arbeitgeber nie einen guten Ruf besessen habe. Die Arbeitsbedingungen in seinen Geschäften seien Anfang der 1990er Jahre nach einem tödlichen Überfall auf eine Filiale ohne Telefon zum Thema geworden. Wegen Betruges durch untertarifliche Bezahlung wurden Schlecker und seine Frau 1998 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die Fortsetzung im Verfahren, für das 26 Verhandlungstage anberaumt sind, findet am kommenden Montag statt.
Nach dem Kommentar von Marcus Jung (FAZ) könnte gerade die von Schlecker gewählte gesellschaftsrechtliche Form seines Unternehmens – das er als eingetragener Kaufmann leitete – dazu führen, dass er auch persönlich zur Verantwortung gezogen wird. Nach bereits erfolgter Einigung mit dem Insolvenzverwalter sei auch eine solche in strafrechtlicher Hinsicht denkbar.
Rechtspolitik
Lohngleichheitsgesetz: Über die Expertenanhörung zum geplanten Lohngleichheitsgesetz berichten SZ (Constanze von Bullion) und Welt (Sabine Menkens). Bei teils heftiger Kritik in Detailfragen habe Einigkeit über die Notwendigkeit einer Debatte über die Gründe unterschiedlicher Bezahlung von Männern und Frauen bestanden.
Autobahn-Rechtsweg: Der aktuelle Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Bundesfernstraßengesetz sieht unter anderem die alleinige Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Planvorhaben vor. Die Anwälte Burghard Hildebrandt und Simon Frye legen auf lto.de dar, warum und unter welchen Voraussetzungen dies verfassungsrechtlich zulässig sein kann.
Europäische StA: Gegen Ende der Woche werden 19 EU-Mitgliedstaaten im Wege der "verstärkten Zusammenarbeit" die Weichen für die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft stellen. Entgegen ursprünglicher Planungen werde die Behörde mit nationalen Ermittlern zusammenarbeiten, schreibt die SZ (Thomas Kirchner). Die gesammelte Sachkenntnis könnte das Vorgehen gegen transnationale Vermögensstraftaten entscheidend voranbringen.
Immobilienkredite: Die Regierungskoalition hat sich offenbar darauf verständigt, geplante neue Bestimmungen zur Immobilienkreditvergabe separat und nicht, wie bisher geplant, als Teil eines umfassenden Finanzaufsichtsgesetzes zu verabschieden. Dies berichtet die SZ (Cerstin Gammelin/Benedikt Müller).
Parteienfinanzierung: Nach Bericht des Hbl (Heike Anger) hat sich der Bundesrat auf eine Neufassung des bisherigen Entwurfs für eine Reform der staatlichen Parteienfinanzierung verständigt. Nach diesem würde das Bundesverfassungsgericht über einen Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Finanzierung entscheiden. Der im Beitrag zitierte Staatsrechtler Christian Hillgruber kritisiert dieses "kleine Parteiverbot" und plädiert stattdessen für eine Ergänzung des bestehenden Verbotsverfahrens. So könnte an die verfassungsgerichtliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Ausschluss von der Parteienfinanzierung als Rechtsfolge geknüpft werden.
Wissenschaftsurheberrecht: Die FAZ (Thomas Thiel) unternimmt im Feuilleton einen vertieften Blick auf die aktuelle Debatte zur Reform des Urheberrechts in Wissenschaft und Bildung. Tatsächlich bestehe wegen eines "grotesk aufgeblähten Publikationsapparates" ein Bedürfnis für eine Reform. Der gegenwärtige Entwurf laufe jedoch auf einige wenige Monopolverlage und "den großen Staatsverlag" hinaus.
Fake News: Die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Grüne) und Rechtsprofessor Karl-E. Hain sprechen sich in einem Gastbeitrag für den Medien-Teil der FAZ dagegen aus, sogenannte Fake News im Wege höherer Strafdrohungen oder gar einer offiziösen Clearing-Stelle zu bekämpfen. Der freiheitlich-demokratische Staat beruhe zumindest teilweise auf Voraussetzungen, die er selbst nicht rechtlich garantieren könne. Er bleibe somit "auf die Einsicht in die innere Verpflichtung zur Wahrheit" von Kommunikationsteilnehmern angewiesen.
Justiz
BGH zu Stiefkindadoption: Die gesetzliche Privilegierung einer Stiefkindadoption, die nur zwischen Ehepartnern möglich ist, wurde vom Bundesgerichtshof gebilligt. Über den nun veröffentlichten Beschluss berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Der BGH habe anerkannt, dass auch sogenannte soziale Familien ohne Trauschein unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen. Gleichwohl liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht vor, weil die gesetzliche Privilegierung "noch" im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens liege. taz (Christian Rath) und FAZ (Helene Bubrowski) berichten ebenfalls.
Peter Weissenburger (taz) bedauert in einem Kommentar, dass Politik und Recht sich "weiter nach Familie Mustermann aus Bilderbuchhausen" richteten. Wolfgang Janisch (SZ) fordert, dass der Gesetzgeber die Entscheidung zum Anlass nehmen sollte, "das Gesetz der Wirklichkeit anzupassen".
BGH zu Wechselmodell: In einem Kommentar bezeichnet Jost Müller-Neuhof (Tsp) den jüngsten umgangsrechtlichen Beschluss des Bundesgerichtshofs zum sogenannten Wechselmodell als "freundlichen Wink, mehr nicht". Zwar sei nun die familiengerichtliche Anordnung des Modells auch gegen den Willen der Mutter nicht ausgeschlossen. Diese habe es aber weiterhin in der Hand, durch das Schüren von Konflikten mit dem Vater eine Umsetzung praktisch auszuschließen.
OLG Dresden – Gruppe Freital: Einen Vorbericht zu dem am heutigen Dienstag beginnenden Verfahren gegen Mitglieder der sogenannten Gruppe Freital bringt nun auch die SZ (Annette Ramelsberger), die hierbei einen Blick auf den Alltagsterror wirft, der in Sachsen um sich gegriffen habe und in dessen Klima die Angeklagten Brandanschläge und ähnliche Taten relativ offen planten. Dieses Klima ist auch Thema einer Reportage der FAZ (Stefan Locke). Nur einer der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden acht Angeklagten ist vorbestraft. zeit.de (Kai Biermann/Astrid Geisler) erinnert an mittlerweile eingestellte Ermittlungsverfahren gegen Polizisten aus dem Umfeld der Gruppe.
LAG Köln zu XING-Profil: Der bereits vor Beendigung eines Angestelltenverhältnisses im Netzwerk XING auf "Freiberufler" geänderte Status rechtfertigt ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine fristlose Kündigung. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Köln in einem Urteil, über das community.beck.de (Markus Stoffels) berichtet.
LG Würzburg – Facebook: In einem Kommentar für den Medien-Teil des Blatts bezeichnet es Uwe Ebbinghaus (FAZ) als "überfällig", deutsches Recht im bestbesuchten sozialen Netzwerk des Landes "auf der Höhe der digitalen Zeit" durchzusetzen. Das Landgericht Würzburg könne dies im dort anhängigen Verfahren eines syrischen Flüchtlings, der fortgesetzt auf Facebook verunglimpft wird, klarstellen. Ein Verkündungstermin ist für den heutigen Dienstag angesetzt.
Recht in der Welt
Türkei – Deniz Yücel: Vertreter des Journalisten Deniz Yücel haben einen Widerspruch gegen die Verhängung der Untersuchungshaft formuliert. Das Istanbuler Haftgericht müsse innerhalb von zwei Wochen über den Widerspruch entscheiden, schreibt die Welt. Bei einer Abweisung könne ein weiteres Haftgericht angerufen werden, nach einer nochmaligen Abweisung bleibe die Anrufung des Verfassungsgerichts des Landes.
USA – Einreiseverbot: US-Präsident Donald Trump hat ein neues Dekret für ein vorläufiges Einreiseverbot für Staatsangehörige bestimmter muslimischer Länder erlassen. Im Bemühen, "dieses Mal alles besser zu machen" als beim ersten Versuch, seien sowohl Präsentation als auch Inhalt verändert worden, schreibt zeit.de (Thorsten Schröder). Die Anordnung trete auch erst in zwei Wochen in Kraft. Hubert Wetzel (SZ) bestreitet in einem Kommentar einen vernünftigen Grund für das Dekret. Tatsächlich wolle Trump seine Wahlkampfankündigung verwirklichen, "Muslimen die Einreise zu verweigern". Auch wenn der jetzige Versuch die Billigung eines Gerichts fände, bliebe er dennoch "falsch und unanständig".
USA – Raubkunst: Die Welt (Swantje Karich) beschreibt die Hintergründe einer jüngst in New York eingereichten Klage gegen die BayernLB. Erben eines jüdischen Kunstsammlers verlangen von der Bank die Herausgabe eines bislang in München ausgestellten Werks von Wassily Kandinsky.
Sonstiges
Rainer Wendt: Die rechtlichen Probleme im Fall Rainer Wendt, der als Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) offenbar jahrelang einen Beamtensold als Polizist erhielt, zählt Rechtsanwalt Robert Hotstegs für lto.de auf. Auf den Gewerkschafter könnten auch nach seiner Versetzung in den Ruhestand Rückforderungen und womöglich Ermittlungen wegen Untreue zukommen. Daneben sei aber auch die DPolG gefährdet, weil nach gefestigter Rechtsprechung eine Gewerkschaft im verfassungsrechtlichen Sinne unabhängig vom Arbeitgeber und Dienstherrn sein müsse. An diese Konsequenz erinnert auch der Kommentar von Reiner Blasius (FAZ).
Türkische Minister in Deutschland: Ein für den heutigen Dienstag geplanter Auftritt des türkischen Außenministers Mevlut Cavusoglu in Hamburg ist abgesagt worden. Das Bezirksamt habe die betreffende Veranstaltungshalle wegen einer fehlenden Brandmeldeanlage gesperrt, schreibt das Hbl (Martin Greive). In einem Hintergrundartikel legt die FAZ (Reinhard Müller) dar, dass ausländische Staatschefs nicht Träger von Grundrechten seien. Das Oberverwaltungsgericht Köln habe im vergangenen Juli zutreffend ermittelt, dass auch inländische Veranstalter keinen Anspruch geltend machen könnten, Staatschefs in ihrer Funktion durch Übertragungen an hiesigen Veranstaltungen teilhaben zu lassen. Rechtliche Aspekte zu Wahlwerbung, der Reichweite der Versammlungsfreiheit und den Voraussetzungen des Verbots von Veranstaltungen fasst die BadZ (Christian Rath) in Frage-und-Antwort-Form zusammen.
In einem Gastbeitrag für die FAZ beschreibt Rechtsprofessor Christian Tomuschat, warum es völkerrechtlich eine unzulässige Beeinträchtigung der Gebietshoheit sei, wenn hoheitliche Tätigkeiten auf fremdem Staatsgebiet ausgeübt würden. Hierzu gehöre auch die Werbung für eine Verfassungsreform als Eingriff in den ausländischen Entscheidungsprozess. Es sei Aufgabe der Bundesregierung, der türkischen Regierung diese völkerrechtlichen Bedenken zu vermitteln.
Abgas-Affäre: EU-Justizkommissarin Vera Jourova wird wahrscheinlich am heutigen Dienstag einen Rechtsverstoß des VW-Konzerns wegen der Abgas-Affäre feststellen. Sollte der Konzern der Forderung nach Entschädigungszahlungen an seine Kunden nicht nachkommen, wäre diese Feststellung die Grundlage für Strafbescheide der nationalen Verbraucherschutzbehörden, erläutert das Hbl (Till Hoppe/Daniel Delhaes). Nach Ansicht der Kommission sei die bislang von VW angebotene Reparatur betroffener Fahrzeuge keineswegs ausreichend.
Wikipedia für Juristen: Eignet sich Wikipedia für Juristen? Gerichte hätten bei der Benutzung (und Zitierung) des Online-Lexikons wenig Berührungsängste, schreibt Rechtsprofessor Roland Schimmel auf lto.de. An Universitäten werde dagegen immer noch meist vor der Benutzung gewarnt. Richtig verstanden, als Tertiär-Quelle, lohne sich Wikipedia aber durchaus, "wenn es um Tatsachenwissen geht."
Das Letzte zum Schluss
Bierpreisbremse: Mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens hatte sich die bayerische Landeskartellbehörde auseinanderzusetzen. Wie focus.de schreibt, entschied sie nun, dass die von der Stadt München beabsichtigte Deckelung des zulässigen Höchstpreises einer Maß Bier auf dem Oktoberfest zulässig sein kann.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. März 2017: Auftakt bei Schlecker / Adoption nur mit Trauschein / Aufklärung zu Wendt . In: Legal Tribune Online, 07.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22289/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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