Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2015: Keine Cof­fee­shops in Kreuz­berg - Papier zur Wohn­raum­be­schlag­nah­mung - Ärger für NSU-Neben­klä­ger­an­walt

06.10.2015

In Berlin bleibt Cannabis vorerst weiter illegal. Außerdem in der Presseschau: Hans-Jürgen Papier zur Wohnraumbeschlagnahmung, dem NSU-Nebenklägeranwalt Ralph Wilms droht standesrechtliches Ungemach und ein Sitzstreik als Kündigungsgrund.

Thema des Tages

Coffeeshops in Kreuzberg: Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wird es vorerst keine Verkaufsstellen für Cannabis unter staatlicher Aufsicht geben. Ein vom Bezirk beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestellter Genehmigungsantrag ist nun abschlägig beschieden worden, schreibt die SZ (Jens Schneider). Nach Auffassung des Amtes sei die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken nicht mit dem Schutzzweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbar. Für dessen Änderung sei der Gesetzgeber zuständig. Ob der Bezirk einen Widerspruch gegen den Bescheid einlege, werde gegenwärtig geprüft, schreibt die taz-Berlin (Plutonia Plarre) in ihrem Bericht, der auch Einzelheiten des beantragten Konzepts vorstellt. bild.de (Olaf Wedekind) und FAZ (Mechthild Küpper) berichten ebenfalls.

Dass die Entscheidung zu erwarten war, meint Claudius Prößer (taz) in einem Kommentar. Unabhängig hiervon hätte auch eine Ausnahmegenehmigung nichts an den ursprünglichen Problemen, vor allem der gesunkenen Aufenthaltsqualität im überregional bekannten Drogenumschlagplatz Görlitzer Park verändert worden. Antje Lang-Lendorff (taz) dagegen begrüßt die Initiative. "Endlich mal" sei "durchdekliniert" worden, wie ein legales Verkaufsmodell, dass sich zudem als Ziel gesetzt habe, Missbrauch zu verhindern, aussehen könne. Letztlich gehöre Drogenpolitik zu den Aufgaben des Bundes, die Freigabe von Cannabis könne also auch nur dort erstritten werden.

Rechtspolitik

Asylrecht: Nach dem Willen der Bundesregierung soll das neue Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz bereits zum Beginn des kommenden Monats in Kraft treten. Die SZ (Jan Bielecki) gibt einen Überblick über geplante Neuerungen. Politische Forderungen nach strengeren Grenzkontrollen unterzieht focus.de einer rechtlichen Prüfung.

Torsten Krauel (Welt) fordert im Leitartikel des Blattes angesichts der aktuellen und der noch zu erwartenden Situation ein Umdenken sowohl in Deutschland als auch der EU. Neue Richtlinien und Gesetze, im Bedarfsfall wieder zu ändern, würden nicht weiterhelfen. Vielmehr sei die Durchsetzung geltenden Rechts auch gegen politische Widerstände nötig. Statt eines Integrationsgesetzes etwa sei die konsequente Befolgung der Genfer Flüchtlingskonvention angezeigt. In deren Art. 2 sei festgelegt, dass Flüchtlinge im Aufnahmeland "Recht und Gesetz des Gastlandes zu beachten und zu befolgen" hätten.

Reinhard Müller (FAZ) zieht Parallelen zwischen dem Grundrecht auf Asyl und dem für Deutsche geltenden Grundrecht auf Freizügigkeit. Der beim Letzteren im Verfassungstext vorgesehene Schrankenvorbehalt sei von der Bundesregierung 1950 angesichts "vieler Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone" tatsächlich ausgeübt worden. Diese Beschränkungen hätten die Billigung des Bundesverfassungsgerichts gefunden, nach dem eine Grundrechtseinschränkung auch "volle Abweisung", sogar gegenüber politisch "Deutschen aus der SBZ" bedeuten könne. Dass eine schrankenlose Aufnahme "anarchische Züge" trage, sei auch bei der aktuellen Debatte über die Ausgestaltung des Asylrechts von Bedeutung.

Wohnraumbeschlagnahmung: Einen Überblick zur aktuellen Diskussion über die Beschlagnahmung von Wohnraum zur Unterbringung von Flüchtlingen bringt lto.de. Das Handelsblatt (Heike Anger u.a.) widmet dem Thema einen mehrseitigen Themenschwerpunkt und befragt (Heike Anger) hierbei auch Rechtsprofessor Joachim Wieland.

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, erörtert in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt die rechtlichen Voraussetzungen hoheitlicher Zugriffe auf das Eigentumsrecht. Diese Möglichkeiten wüchsen, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts sei. Hiervon abzukoppeln sei jedoch die Frage der politischen Zweckmäßigkeit.

Steuervermeidung: Die Industrieländerorganisation OECD hat einen 15-Punkte-Plan gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen vorgestellt, über den am kommenden Donnerstag die Finanzminister der G20-Staaten beraten wollen. Unter anderem solle es transnationalen Konzernen erschwert werden, Steuerlasten etwa über Tochtergesellschaften in Steueroasen zu verringern, so die FAZ (Manfred Schäfers) in einer ausführlichen Darstellung.

TTIP: In einem Gastbeitrag für die FAZ spricht sich Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, dafür aus, die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP als Chance zu begreifen, "faire Regeln für den Welthandel aufzustellen". Das Europäische Parlament habe mit seinem Eintreten für einen Schiedsgerichtshof bereits verdeutlicht, dass "private, intransparente und undemokratische Schiedsstellen" der Vergangenheit angehörten.

Sportwettbetrug: Auch das Handelsblatt (Heike Anger) berichtet nun zur geplanten Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von Sportwettbewerben. Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht entsprechende Änderungen des Strafgesetzbuches vor.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2015: Keine Coffeeshops in Kreuzberg - Papier zur Wohnraumbeschlagnahmung - Ärger für NSU-Nebenklägeranwalt . In: Legal Tribune Online, 06.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17107/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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