Die juristische Presseschau vom 4. August 2015: "Netz­po­li­tik.org" und Pres­se­frei­heit – Is­la­mis­ten­-Pro­zess ohne Bild – Straf­ba­re Flucht­h

04.08.2015

Zur Netzpolitik-Affäre: Können sich Blogger auf Pressefreiheit berufen? Außerdem in der Presseschau: Islamisten-Prozess ohne Bild-Zeitung, Haftstrafe für Libor-Manipulator, Strafbarkeit von Fluchthilfe und kreativer Täter-Opfer-Ausgleich.

Thema des Tages

GBA – Netzpolitik.org: Auch am Dienstag beherrschen die vorerst ruhenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen Journalisten von "Netzpolitik.org" wegen des Verdachts des Landesverrats die Berichterstattung. Ausführliche Darstellungen der bisher bekannten Abläufe liefern zeit.de (Steffi Dobmeier/Sybille Klormann) und spiegel.de (Jörg Diehl). Die SZ (Hans Leyendecker) beschreibt Hans-Georg Maaßen, den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, als Ausgangspunkt der Angelegenheit.

spiegel.de (Claudia Niesen) erläutert die im Raum stehenden Delikte des Landes- bzw. Geheimnisverrats nach § 94 bzw. 353 b Strafgesetzbuch.

Markus Beckedahl: Markus Beckedahl, einer der Beschuldigten kommt in einem Interview mit der Berliner Zeitung (David Freches) zu Wort. In einer auf netzpolitik.org (Markus Beckedahl) veröffentlichten Erklärung wird zudem die Einstellung der Ermittlungen sowie eine rechtliche Besserstellung von Whistleblowern gefordert. Hierzu müsse insbesondere der im Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vorgesehene Straftatbestand der Datenhehlerei gestrichen werden.

Range vs. Maas: Nach Einschätzung der FAZ (Günter Bannas) verliert der Generalbundesanwalt Harald Range den Rückhalt der Regierung. Dass sich demgegenüber Heiko Maas (SPD) der vollen Unterstützung des Koalitionspartners CDU sicher sein kann, wird in einem Porträt des Bundesjustizministers von Günter Bannas (FAZ) dargelegt. Als "Justitiar der Bundesregierung" habe sich Maas "zuvörderst an Recht und Gesetz zu halten". Seine Zurückhaltung entspreche dieser Anforderung.

Thomas Darnstädt (spiegel.de) bedauert dagegen, dass der Minister sich kleiner mache, "als er ist". Die "einzige und allerwichtigste Aufgabe" seines Amtes bestünde darin, "darüber zu wachen, dass innerhalb der Zitadelle der Exekutive in den Gerichten, bei den Staatsanwälten, kein Unheil geschieht". Aus der Dienstaufsicht über den Generalbundesanwalt folge auch eine Fürsorgepflicht dahingehend, seinen "wichtigsten Vertreter in der Justiz nicht zum Spielball von politischer Ranküne" werden zu lassen. Nach Hans Leyendecker (SZ) habe die Affäre "mehr verdient als nur ein Bauernopfer", als das Range nun gelten müsse. Reinhard Müller (FAZ) vermutet schließlich im Leitartikel der Zeitung, dass das von Maas in Auftrag gegebene Gutachten die Straflosigkeit der betroffenen Blogger bestätigen werde. Im Ergebnis werde damit eine Weisung an den Generalbundesanwalt ausgesprochen.

Pressefreiheit: Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck (zeit.de) hofft, dass sich als mögliche Konsequenz aus der Affäre die Anerkennung der Pressefreiheit auch für "eine neue Form des Journalismus", wie sie von "Netzpolitik.org" betrieben wird, Raum greifen wird. Blogger und andere "aktivistischere" Berichterstatter würde immer noch abgesprochen, "professionellen und unabhängigen" Journalismus zu betreiben. Nach der im Interview mit der FAZ (Ursula Scheer) im Medien-Teil wiedergegebenen "persönlichen Meinung" von Rechtsprofessor Christoph Degenhart genießt jeder, "der nach journalistischen Maßstäben arbeitet" besonderen verfassungsmäßigen Schutz. Hieraus folgten aber auch besondere Sorgfaltspflichten, die speziell bei der wahllosen Veröffentlichung von Dokumenten zu beachten sei.

Auf Kritik von Journalistenverbänden am Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geht die taz (Christian Rath) ein. Wenn sich Journalisten dem Vorwurf des Landesverrats ausgesetzt sähen, hätten Ermittler nach der aktuellen Entwurfsfassung auch Zugriff auf ihre Daten. Quellenschutz könnten sie so nicht leisten.

Rechtspolitik

Mordparagraf: Aus Anlass der Diskussion über eine Reform des § 211 Strafgesetzbuch unternimmt die SZ (Wolfgang Janisch) einen ausführlichen rechtsvergleichenden und -historischen Abriss zur Ahndungspraxis beim "Urverbrechen der Menschheit".

Selbstanzeige/Berichtigung: Neben der Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung (AO) lassen sich fehlerhafte Steuererklärungen auch durch eine Berichtigung gemäß § 153 AO korrigieren. Die bislang unklare Abgrenzung beider Instrumente soll der Entwurf eines entsprechenden Erlasses aus dem Bundesfinanzministerium beheben. Die Steuerrechts-Experten Thorsten Franke-Roericht und David Roth unterziehen auf lto.de den Entwurf einer kritischen Würdigung.

TTIP: Die FAZ (Helene Bubrowski) stellt Positionen US-amerikanischer Akteure zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP dar. Bei den dortigen maßgeblichen Entscheidungsträgern erfahre das TTIP im Gegensatz zu Europa eine breite Unterstützung, dies gelte im besonderen Maße für die Beibehaltung einer Schiedsgerichtsbarkeit bei Investorenklagen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. August 2015: "Netzpolitik.org" und Pressefreiheit – Islamisten-Prozess ohne Bild – Strafbare Fluchth . In: Legal Tribune Online, 04.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16482/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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