Wer kann gegen die 'Ehe für alle' klagen und wie würde Karlsruhe entscheiden? Außerdem in der Presseschau: Der Bundestag hat das Gesetz gegen Hass-Posts in Netzwerken beschlossen. In Japan beginnt die Aufarbeitung des Fukushima-Unglücks.
Thema des Tages
Ehe für alle – Grundgesetz: Verstößt das am Freitag beschlossene Gesetz über die 'Ehe für alle' gegen das Grundgesetz? Hans-Jürgen Papier (Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts) meint laut spiegel.de, dass die Öffnung der Ehe eine Verfassungsänderung erfordert hätte. spiegel.de (Dietmar Hipp) geht davon aus, dass über die Frage, ob hier stattdessen ein "Verfassungswandel" stattgefunden hat, eines Tages das Plenum des BVerfG entscheiden wird. Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) vermutet nach ausführlicher Abwägung, dass das Gericht die 'Ehe für alle' nicht beanstanden werde. Rechtsprofessor Uwe Volkmann kann sich auf verfassungsblog.de ein Scheitern der 'Ehe für alle' in Karlsruhe "nur schwer vorstellen" und lehnt eine historische Auslegung des Grundgesetzes ab.
Reinhard Müller (Montags-FAZ) lobt den "Schutz der Freiheit" durch das Erfordernis von Verfassungsänderungen, wenn es "ans Eingemachte" gehe.
Ehe für alle – Verfassungsklagen: Den Antrag auf abstrakte Normenkontrolle kann etwa eine Landesregierung oder ein Viertel der Bundestagsabgeordneten stellen. Der bayerische Ministerrat will am Dienstag entscheiden, ob er einen Antrag stellt, meldet die Samstags-taz (Christian Rath). Die Montags-Welt (Marcel Leubecher) stellt die kontroverse Diskussion in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dar. Die AfD, die eine Klage prüft, habe jedenfalls kein Klagerecht, erläutert die Montags-taz (Christian Rath).
Ehe für alle – Gesetz: Am Freitag hat der Bundestag den Gesetzentwurf des Bundesrats über die Einführung der 'Ehe für alle' mit 393 zu 226 Stimmen beschlossen. Über die Debatte berichten u.a. die Samstags-SZ (Nico Fried) und die FAS (Peter Carstens).
Die Geschichte der eingetragenen Lebenspartnerschaften beschreibt die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch). Im Feuilleton beschreibt die Samstags-SZ (Johan Schloemann) zudem den Wandel des Rechtsinstituts der Ehe in den letzten Jahrzehnten.
Rechtspolitik
NetzDG: Ebenfalls am Freitag beschloss der Bundestag das Gesetz zur besseren Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken. Diese werden nun verpflichtet, ein effektives Beschwerdemanagement einzurichten. Über die Debatte berichteten u.a. lto.de und die Samstags-taz (Christian Rath). Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) erläutert die letzten Änderungen am NetzDG. Laut spiegel.de (Fabian Reinbold/Marcel Rosenbach) wird der deutsche Regelungsansatz international beachtet.
In einem separaten Kommentar kritisiert Hendrik Wieduwilt (Samstags-FAZ) das NetzDG als Beispiel dafür, wie die Freiheit immer weiter eingeschränkt wird. Auch Patrick Beuth (zeit.de) glaubt, dass trotz aller Änderungen der Konstruktionsfehler des NetzDG bestehen blieb: "Die Unternehmen haben nun einen Anreiz zum Overblocking – also zu einer Politik des 'im Zweifel lieber löschen'." Jost Müller-Neuhof (Tsp) prognostiziert als Wirkung des Gesetzes: "Weniger Hass, das wohl, aber vielleicht auch weniger Diskussion und mehr Konformismus."
WLAN: Wer ein öffentliches WLAN anbietet, haftet künftig bei rechtswidrigen Handlungen der Nutzer grundsätzlich nicht auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung. Diese Änderung im Telemediengesetz hat der Bundestag ebenfalls am Freitag beschlossen. Rechteinhaber können allerdings verlangen, dass bestimmte Netzseiten gesperrt werden, wenn dort Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Über das Gesetz berichten u.a. der Anwalt Paetrick Sakowski auf lto.de und netzpolitik.org (Ingo Dachwitz).
Udo Vetter (lawblog.de) befürchtet, dass das Gesetz bei der Nutzung illegaler Tauschbörsen durch die Nutzer gerade nicht gilt.
UrhWissG: Zudem beschloss der Bundestag am Freitag das Gesetz über das Urheberrecht in der Wissensgesellschaft. Danach können Lehrer und Dozenten digitale Inhalte in Unterricht und Lehre nutzen, ohne einen Vertrag mit dem Verlag abzuschließen. Die Urheber müssten aber angemessen honoriert werden. Es berichtet das boersenblatt.net.
Abstammung: Am Dienstag will eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Reformkommission zum Abstammungsrecht dem Ministerium ihren Abschlussbericht übergeben. Darin wird eine Reform des Rechts mit Blick auf neue Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin gefordert. Die FAS (Markus Wehner) und die Montags-taz (Marion Mück-Raab) stellen Details des Berichts vorab vor.
Staatstrojaner: Rechtsprofessor Tobias Singelnstein stellt auf verfassungsblog.de die vor zehn Tagen im Bundestag beschlossenen Änderungen der Strafprozessordnung zur Einführung der Quellen-TKÜ und der Onlinedurchsuchung vor und bewertet sie kritisch. Im Focus diskutieren in Pro- und Contra-Form der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Datenschutz: Rechtsprofessor Alexander Roßnagel kritisiert im Gespräch mit netzpolitik.de (Ingo Dachwitz) das jüngst beschlossene Datenschutzanpassungs- und Umsetzungsgesetz. Dort sei die Chance verpasst worden, Lücken der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung zu schließen.
Prostitution: Rechtsprofessor Gregor Thüsing kritisiert im Gespräch mit lto.de (Maximilian Amos) das Prostituiertenschutzgesetz, das zum 1. Juli in Kraft trat. Es sei nicht so streng wie erforderlich.
Vorratsdatenspeicherung: Verbände aus der Telekom-Branche fordern die Bundesregierung auf, die Vorratsdatenspeicherung auf gesetzlicher Ebene ausdrücklich auszusetzen, so die Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt). Es genüge nicht, dass die Bundesnetzagentur mit Blick auf einen Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster derzeit bei Nicht-Speicherung auf Sanktionen verzichte.
Justiz
LG Erfurt zu Rundfunk und Persönlichkeitsrecht: Das Landgericht Erfurt hat die Klage eines Erfurter Restauranteigentümers abgewiesen, der durch eine MDR-TV-Ausstrahlung in Verbindung mit der italienischen Organisierten Kriminalität gebracht wurde, so die Samstags-FAZ (Louise Schendel). Der namentlich nicht genannte Kläger sei nur für einen kleinen Kreis identifizierbar gewesen. Er habe andere Ansprüche, etwa auf Unterlassung, nicht ausgeschöpft.
OLG Saarbrücken zu Presse und Persönlichkeitsrecht: Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat der Tageszeitung taz die Nennung des Namens eines Mannes erlaubt, der im Internet Morde an Politikern und "Genderlesben" gebilligt hatte. In der Vorinstanz war die Zeitung noch unterlegen. Die Samstags-taz (Martin Reeh) berichtet hier in eigener Sache.
BAG zu Kartellbußen: Das Bundesarbeitsgericht sollte vorige Woche entscheiden, ob Unternehmen Kartellbußen von den Managern, die sie verursacht haben, zurückverlangen können. Allerdings kam das BAG zum Ergebnis, dass Arbeitsgerichte wegen der kartellrechtlichen Vorfragen hier gar nicht zuständig sind. Über die Entscheidung berichten nun auch community.beck.de (Markus Stoffels) und community.beck.de (Christian Rolfs).
AG Bad Hersfeld zu WhatsApp: Nun stellt auch die Samstags-FAZ (Dinah Riese) die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Bad Hersfeld dar, mit der eine Mutter verpflichtet wurde, von allen WhatsApp-Kontakten ihres Sohnes Einverständniserklärungen einzuholen, Der zitierte Anwalt Sebastian Dramburg hält das für übertrieben, schließlich hätten die anderen Nutzer ja den Lizenzbedingungen von WhatsApp zugestimmt.
StA Bochum zu Steuerhinterziehung: Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen Treuhänder aus Liechtenstein wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch deutsche Anleger. Die Montags-SZ (Hans Leyendecker) stellt den Hintergrund ausführlich dar.
Überlastung der Staatsanwaltschaft: Die Samstags-Welt (Annette Dowideit) hat den anonymen Bericht eines Staatsanwaltes protokolliert. Er müsse viel zu viel Fälle erledigen und bekomme zu wenig Dank und Lohn. Trotzdem würde er wieder Staatsanwalt werden wollen.
GFF: Die taz hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte für ihren Panter-Preis nominiert. Die Samstags-taz (Malaika Rivuzumwami) stellt die GFF vor, die strategische Klagen zur Verteidigung der Grundrechte organisiert.
Recht in der Welt
Österreich – Hitlers Geburtshaus: Der Staat durfte das Geburtshaus von Adolf Hitler enteignen, um es so zu nutzen, dass es nicht zu einer Nazi-Pilgerstätte werden kann. Die bereits erfolgte Enteignung wurde jetzt vom österreichischen Verfassungsgerichtshof gebilligt, berichteten die Samstags-SZ (Stefan Braun) und lto.de.
Kroatien/Slowenien – Grenzverlauf: Ein internationales Schiedsgericht in Den Haag, das seit 2009 verhandelt, hat nun seinen Schiedsspruch vorgelegt. Es geht um den strittigen Grenzverlauf zwischen Kroatien und Slowenien und den Zugang Sloweniens zur Adria, berichtet die Samstags-SZ (Moritz Baumstieger). Kroatien musste sich als Bedingung für den EU-Beitritt beteiligen, will nun aber den Schiedsspruch nicht akzeptieren.
Türkei – Deniz Yücel: In der RedHack-Affäre wurde gegen fünf von sieben inhaftierten Journalisten Anklage erhoben, nicht aber gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel. Sein Verfahren werde offensichtlich separat verhandelt, die Vorwürfe seien weiter nebulös, berichtet die WamS.
EuGH – Impfschaden: Der Europäische Gerichtshof hat in einem Fall aus Frankreich keinen strengen Nachweis der Kausalität für die Annahme eines Impfschadens verlangt, sondern ein Bündel ernsthafter, klarer und übereinstimmender Indizien ausreichen lassen, berichtet swr.de (Gigi Deppe).Das Urteil habe in Deutschland keine Wirkung, da hier Sonderregeln gelten.
Japan – Fukushima: In Japan hat der erste Strafprozess zur Aufarbeitung des AKW-Unglücks von Fukushima begonnen. Angeklagt sind drei Manager der Betreiber-Firma Tepco. Die Anklage wirft ihnen vor, dass sie trotz besseren Wissens nicht für hinreichende Sicherheitsvorkehrungen gesorgt hätten, so die Samstags-FAZ (Patrick Welter).
USA – Trump: Die Montags-FAZ (Winand von Petersdorff) schildert ausführlich ein Verfahren gegen US-Präsident Donald Trump, das von zwei Bundesstaaten, rund 200 demokratischen Kongressabgeordneten und einer NGO angestrengt worden war. Trump wird im Zusammenhang mit seinen vielen Unternehmen die Verletzung der US-Verfassung vorgeworfen. Danach dürfe ein Präsident neben seinem Gehalt keine anderen Leistungen vom Staat erhalten und auch keine Zuwendungen von ausländischen Mächten beziehen. Ein Bundesgericht in New York muss entscheiden.
Venezuela – Verfassungskonflikt: Der Rechtsstudent Hans Hosten analysiert auf verfassungsblog.de den aktuellen Stand des Verfassungskonflikts in Venezuela. Er kommt zu dem Schluss, dass Präsident Maduro ein Staatsstreich anzulasten sei, an dem sich der Nationale Wahlrat und das Verfassungsgericht beteiligten. Die Opposition dürfe deshalb zu friedlichem Widerstand aufrufen.
Juristische Ausbildung
Eine Hausarbeit – zwei Noten: justillion.de (Stephan Weinberger) schildert einen Fall aus Freiburg. Dort hatte ein Student seine Hausarbeit unter zwei Namen zur Korrektur eingereicht. Die Arbeit wurde von zwei unterschiedlichen Korrekturassistenten bewertet, einmal mit fünf Punkten, das andere Mal mit neun Punkten. Nun zweifele der Student am Bewertungssystem.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. Juli 2017: 'Ehe für alle' und das Grundgesetz / NetzDG wurde beschlossen / Fukushima-Prozess hat begonnen . In: Legal Tribune Online, 03.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23340/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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