Die juristische Presseschau vom 3. März 2015: Edathy-Verfahren eingestellt - Deutsche Bank-Anklage zugelassen - Verwandtenaffären-Verfahren eröffnet

03.03.2015

Das Verfahren gegen Sebastian Edathy ist nach § 153a StPO eingestellt worden. Hat er gestanden? Außerdem in der Presseschau: Gutachten zum Tarifeinheitsgesetz, Gottesbezug in Schleswig-Holstein, LG München I lässt Anklage gegen Deutsche Bank-Vorstände zu, Verwandtenaffäre vor Gericht, rechtliche Probleme des Lehrerstreiks und eine verspätete Einladung zum Kaffee.

Thema des Tages

LG Verden zu Sebastian Edathy: Das gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes kinderpornographischer Bilder und Dateien eingeleitete Strafverfahren vor dem Landgericht Verden ist gemäß § 153a Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden. Der Angeklagte hatte über seinen Verteidiger einer Erklärung abgegeben, in der er ihr die ihm zur Last gelegten Vorwürfe einräumte und angab, sein Verhalten zu bereuen. Weil hiermit der von der Staatsanwaltschaft geforderten Einlassung Genüge getan wurde, konnte die Sache mit ihrem Einverständnis gegen eine Zahlung von 5.000 Euro zugunsten des Kinderschutzbundes Niedersachsen eingestellt werden.

Aus dem Gericht berichten u.a. SZ (Annette Ramelsberger), zeit.de (Mariam Lau), spiegel.de (Julia Jüttner) und FAZ (Alexander Haneke). Der Bericht des Tagesspiegels (Jost Müller-Neuhof/Christian Tretbar) fasst sich aus dem Verfahrensende ergebende Fragen zusammen. So dürften unmittelbare Auswirkungen auf den Bundestags-Untersuchungsausschuss, der die politischen Begleitumstände der möglichen Informationsweitergabe ergründen soll, nicht zu erwarten sein.

Pia Lorenz (lto.de) setzt sich dagegen mit dem scheinbar widersprüchlichen Verhalten Edathys auseinander. Unmittelbar nach Verfahrensende hatte der frühere Politiker in einem Facebook-Post erklärt, mit seiner Erklärung vor Gericht gerade keine Geständnis abgeliefert zu haben. Hier räche sich nach Einschätzung des zitierten Rechtsprofessors Matthias Jahn die gesetzeswidrige Forderung der Anklagebehörde nach einem Geständnis. Ein solches hätte dagegen nur bei einer Verständigung nach § 257c StPO erreicht werden können, deren Voraussetzungen an Transparenz und Öffentlichkeit vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 konkretisiert worden seien. Gericht und Staatsanwaltschaft hätten mit der jetzigen "vermauschelten Einstellung nach § 153a StPO" eine Möglichkeit vertan, die Affäre Edathy rechtsstaatlich "richtig" zu beenden.

Auch Reinhard Müller (FAZ) bedauert, dass der eigentliche Sinn eines Strafprozesses, "in öffentlicher Verhandlung Schuld oder Unschuld des Angeklagten" zu klären, nun nicht mehr erfüllt werden kann. Dabei setze auch die Verfahrensbeendigung nach § 153a StPO "schlicht Schuld voraus", wenn auch eine geringe. Jene, die Edathy durch den Konsum eines Kinder missbrauchenden Systems auf sich geladen habe, könne er auch durch eine Geldleistung nicht wiedergutmachen. Den scheinbaren Widerspruch von Edathys Erklärungen im Gericht und auf Facebook greift auch Christian Rath (taz) auf und mutmaßt, dass er auf ein Verfahren verzichtet habe, "weil die Bilder vielleicht eben doch recht eindeutig strafbar waren." Rüdiger Scheidges (Handelsblatt) erinnert dagegen daran, dass auch bei "einem derart unappetitlichen Vorwurf" bis zur Urteilsverkündung die Unschuldsvermutung zu gelten habe. Diese "zivilisatorische Errungenschaft", nach der "Justiz und Öffentlichkeit zwischen Recht und Moral trennen" sei in der gesamten, von Informationsweitergaben und "sensationsgierigen Medien" geprägten Angelegenheit abgeschafft worden. Insofern habe die "Causa Edathy" nur "Schutt und Asche hinterlassen."

In einem weiteren Beitrag erläutert die SZ (Kim Björn Becker) die Anwendungspraxis der Einstellung nach § 153a StPO, die jährlich etwa 200.000 Mal erfolgt. Prominente Profiteure seien etwa Altkanzler Helmut Kohl oder Josef Ackermann im Mannesmann-Prozess. Einen Rekordbetrag habe im vergangenen August der Formel-1-Boss Bernie Ecclestone mit gut 75 Millionen Euro geleistet.

Rechtspolitik

Entgeltgleichheit: Die SZ (Constanze von Bullion) berichtet über ein Gesetzesvorhaben aus dem Bundesfamilienministerium. Durch ein Entgeltgleichheitsgesetz soll die gleiche Bezahlung von Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit gesichert werden. Als Pro (Constanze von Bullion) und Contra (Nikolaus Piper) referiert die SZ zudem Argumente für und wider das Vorhaben.

Frauenquote: Die Regierungskoalition hat sich nach einem Bericht des Handelsblatts (Catrin Gesellensetter) auf Nachbesserungen des Gesetzentwurfs zur Frauenquote verständigt. So sei die ursprüngliche Absicht, Führungsgremien im öffentlichen Dienst paritätisch zu besetzen, fallengelassen worden. Die in diese Zusammenhang auch in einer Expertenanhörung kritisierte Männerforderung als Nebeneffekt solle nur noch in den Sachverhalten zur Anwendung kommen, in denen eine strukturelle Benachteiligung von Männern bestehe. Eine im Beitrag zitierte Rechtsprofessorin prognostiziert zudem wegen starrer Klauseln bei der Besetzung von Aufsichtsräten eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Haftung von WLAN-Anbietern: Die Bundesregierung will durch eine Änderung des Telemediengesetzes Haftungsregelungen für die Anbieter von WLAN-Netzen reformieren. Thomas Stadler (internet.law.de) kritisiert den gegenwärtigen Referentenentwurf als europarechtswidrig. Die im Entwurf enthaltene Einschränkung von Haftungsprivilegien für besonders gefahrgeneigte Hosting-Dienste verstoße gegen Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie. Überhaupt mute es "anachronistisch" an, offene Internetzugänge einerseits zu propagieren, andererseits aber Sicherungsmaßnahmen gegen unberechtigte Zugriffe zu fordern.

Tarifeinheit: Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen das geplante Gesetz zur Tarifeinheit "nicht von der Hand zu weisen." Es stelle einen Eingriff in zumindest die kollektive Koalitionsfreiheit dar, schreibt die SZ (Thomas Öchsner) in ihrem Bericht. Auch fehlten "empirische Hinweise" für die von der Regierung zur Begründung des Entwurfs angeführte "Vervielfältigung von Arbeitskämpfen".

Gottesbezug: Bestrebungen, die schleswig-holsteinische Landesverfassung gleich dem Grundgesetz mit einem Gottesbezug auszustatten, begrüßt Reinhard Müller (FAZ) in einem Kommentar ausdrücklich. Denn mitnichten gehe es hierbei um einen "christlichen Alleinvertretungsanspruch", vielmehr wende sich die Bezugnahme "gegen jede totalitäre Herrschaft".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. März 2015: Edathy-Verfahren eingestellt - Deutsche Bank-Anklage zugelassen - Verwandtenaffären-Verfahren eröffnet . In: Legal Tribune Online, 03.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14833/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen