Die juristische Presseschau vom 2. Dezember 2016: Freie Fahrt für Maut / End­lich Ende im NSU-Pro­zess? / Ver­fas­sungs­be­schwerden mit Stra­tegie

02.12.2016

Justiz

EuGH – HOAI: Der Europäische Gerichtshof befasst sich nun mit der deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOIA). Nach Auffassung der EU-Kommissarin für den Binnenmarkt, Elzbieta Bienkowska, behinderten die Festschreibungen von Höchst- und Mindestsätzen in der HOIA die Niederlassungsfreiheit, schreibt unter ausführlicher Darlegung der relevanten Rechtsprobleme Rechtsanwalt Friedrich-Karl Scholtissek in einem Gastbeitrag für den Immobilien-Teil der FAZ.

BGH zu Sparangeboten: Sparangebote für medizinische Hilfsmittel, bei denen Händler auf die üblicherweise von Verbrauchern zu leistenden Zuzahlungen verzichten, sind nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs zulässig. Die fraglichen Bestimmungen dienten nicht dem Schutz von Apothekern, sondern der Kostendämpfung im Gesundheitswesen, gibt die FAZ (Hendrik Wieduwilt) die Entscheidung wieder. Die unterlegene Wettbewerbszentrale könne sich somit nicht auf deren Einhaltung berufen.

BGH zu Oskar Gröning: Der SWR RadioReport (Gigi Deppe) widmet sich in einem Feature der nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs nun rechtskräftigen Verurteilung von Oskar Gröning wegen dessen Tätigkeit im KZ Auschwitz und geht dabei auch auf mögliche weitere Verfahren gegen KZ-Aufseher ein.

BSG zu Streikrecht für Kassenärzte: Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks bleiben für Kassenärzte weiterhin unzulässig. Eine derartige Interessenvertretung gegenüber Krankenkassen und kassenärztlicher Vereinigung sei nicht mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts vereinbar, entschied das Bundessozialgericht nach einer Meldung von community.beck.de (Markus Stoffels).

OLG München – NSU: Am 327. Verhandlungstag im NSU-Verfahren hat das Oberlandesgericht München die Beteiligten aufgefordert, etwaige Beweisanträge "möglichst zügig und möglichst schnell" zu stellen. Die Vernehmung des psychologischen Gutachters zur Hauptangeklagten sei in drei Wochen angesetzt worden, berichtet die SZ (Wiebke Ramm). Im Anschluss seien die Plädoyers zu erwarten. Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel habe für die kommende Woche ergänzende Angaben seiner Mandantin angekündigt. Nach Meinung von Annette Ramelsberger (SZ) ist das absehbare Ende des Prozesses zu begrüßen. Dieser habe im vergangenen Jahr eher der Absicherung gegen eine Urteilsaufhebung in der Revision denn der Wahrheitsfindung gedient. Daher habe sich das Gericht "mit zusammengebissenen Zähnen" die umständliche Vernehmung Zschäpes "gefallen" lassen.

LG Traunstein – Bad Aibling: Das Strafverfahren zum Zugunglück von Bad Aibling wurde am Landgericht Traunstein mit der Vernehmung von Sachverständigen fortgesetzt. Das Gericht ließ sich hierzu Einzelheiten des vom Angeklagten vor dem Zusammenstoß der Züge benutzten Handyspiels und der hierdurch bedingten Beeinträchtigung des Aufmerksamkeitsvermögens erläutern. Es berichten SZ (Annette Ramelsberger) und FAZ (Karin Truscheit).

LG Berlin zu Reservierungsgebühr: Das Landgericht Berlin hat es in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom 8. November einem Immobilienunternehmen untersagt, von Kaufinteressenten eine sogenannte Reservierungsgebühr zu erheben. Die Klausel benachteilige Verbraucher unangemessen, schreibt die FAZ (Marcus Jung) über das noch nicht rechtskräftige Urteil. In einem separaten Kommentar mutmaßt Marcus Jung (FAZ), dass die beanstandete Praxis wohl nicht nur in Berlin vorkomme. Ob die Leistung tatsächlich Geld wert wäre, müsse höchstrichterlich geklärt werden. Bis dahin würden Vermittler "in Graubereichen Chancen" erkennen. So funktioniere "ein Markt mit hoher Nachfrage und wenig Angeboten nun mal".

VG Dresden zu Lutz Bachmann: Das Verwaltungsgericht Dresden hat ein gegen den Pegida-Anführer Lutz Bachmann verhängtes mehrjähriges Verbot, als Versammlungsleiter aufzutreten, aufgehoben. Die Generalklausel des sächsischen Versammlungsgesetzes biete für das Verbot keine ausreichende Rechtsgrundlage, schreibt lto.de zu dem Beschluss.

GFF: Gemeinsam mit Amnesty International Deutschland hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) im vergangenen Monat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Telekommunikationsüberwachung durch den BND erhoben. Die GFF soll durch eine sogenannte strategische Prozessführung die gerichtliche Durchsetzung von Bürger- und Freiheitsrechten erwirken. Im Interview mit juwiss.de (Sarah Rödiger) erläutert Rechtsprofessorin Nora Markard, Vorstandsmitglied der GFF, Ziele und Vorgehen des Vereins und geht auch auf das nun beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren ein.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. Dezember 2016: Freie Fahrt für Maut / Endlich Ende im NSU-Prozess? / Verfassungsbeschwerden mit Strategie . In: Legal Tribune Online, 02.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21313/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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