Die juristische Presseschau vom 01. Oktober 2014: Die Klage einer Toten – Die Mütze des Piloten – Pornosammeln leicht gemacht

01.10.2014

Der EGMR hat die Klage einer Toten wegen Missbrauchs abgewiesen. Außerdem in der Presseschau: Der Soli kann auch nach 2019 verfassungskonform erhalten werden, Linke will vor dem BVerfG die Oppositionsrechte stärken, Mützenpflicht nur für Männer verstößt gegen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und an wen man sich zur Erweiterung seiner Pornosammlung wenden sollte.

Thema des Tages

Den EGMR missbraucht? Eine Schweizerin wollte sterben, sie war zwar gesund, aber altersschwach. Man wollte ihr das tödliche Medikament nicht geben und sie klagte sich durch alle Instanzen. Anschließend zog sie vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nach der Kammerentscheidung der ersten Instanz waren die schweizerischen Regeln zur Sterbehilfe zu unklar, hatten der Klägerin seelische Not verursacht und ihr Recht auf Privatleben verletzt. Erst als die Schweiz in die zweite Instanz ging, wurde bekannt, dass die Klägerin bereits kurz nach Klageerhebung verstorben war. Sie hatte es wohl so eingerichtet, dass ihr Rechtsanwalt nur Kontakt zu einem Seelsorger und keine Kenntnis vom Tod seiner Mandantin hatte, um das Verfahren weiterlaufen zu lassen. Der EGMR entschied daraufhin, dass das Verfahren wegen Missbrauchs unzulässig sei und wies die Klage ab, berichten SZ (Wolfgang Janisch) und spiegel.de (ulz). Aber mit nur neun zu acht Stimmen fiel die Entscheidung denkbar knapp aus.

Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) setzt sich mit der Entscheidung und den abweichenden Voten auseinander. Danach sei Missbrauch nur bei Verschwendung von Gerichtsressourcen anzunehmen, welche jedoch nicht vorliege angesichts der weiterhin realen und dringlichen Menschenrechtsprobleme der Sterbehilfe in der Schweiz. Steinbeis weist auch auf die politische und rechtsgestaltende Rolle des Gerichts hin, der es mit dieser Entscheidung nicht gerecht geworden sei.

Rechtspolitik

Erstausbildung im Steuerrecht: Nach einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung bedarf eine Erstausbildung einer formalen Regelung, muss mindestens 18 Monate dauern und selbst bezahlt werden. Rechtsprofessor Dennis Klein stellt auf lto.de den Entwurf vor und erklärt die Auseinandersetzung zwischen Bundesfinanzhof und Gesetzgeber zur steuerlichen Einordnung von Erst- und Zweitausbildung, die Anlass für den Entwurf ist. So habe sich der Gesetzgeber zunächst damit durchgesetzt, dass die Erstausbildung steuerlich später nicht absetzbar ist, die Zweitausbildung aber schon. Jedoch genügt es nach der Rechtsprechung des BFH, einen Yogalehrerkurs vor dem teuren Jurastudium zu machen, um dieses in den ersten Berufsjahren als Werbungskosten absetzen zu können. Das will die Bundesregierung nun verhindern.

Soli nach 2019: Nach einem Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages verliert der Solidaritätszuschlag nicht zwingend mit Auslaufen des Solidarpakt II seine Legitimation, wie die SZ (Claus Hulverscheidt) schreibt. Sollte auch nach 2019 Aufbaubedarf bestehen, könne die Abgabe unverändert weiter eingefordert werden. Andernfalls bedürfe es lediglich einer Umwidmung für neue Finanzierungsaufgaben. Auch auf das Argument der Schuldenlast des Bundes aufgrund der Wiedervereinigung wird Bezug genommen, jedoch gelte dies nur, wenn der Anteil wiedervereinigungsbedingter Lasten an der Staatsschuld bezifferbar sei und ein Tilgungsplan erstellt werde.

Managerhaftung nicht entschärfen: Laut FAZ (Joachim Jahn) wenden sich die Rechtswissenschaftler Marcus Lutter und Walter Bayer gegen den Vorschlag des Deutschen Juristentages, die Managerhaftung zu entschärfen. Bei Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz sei ein Nachweis noch schwieriger zu führen und damit blieben zu viele Haftungsfälle ungeahndet. Auch eine Änderung der Beweislast lehnen sie ab, sie trage dem überlegenen Wissen der Vorstände um das Geschehene Rechnung. Der Gegenvorschlag der Wissenschaftler: Eine Haftungsobergrenze einführen und der verbleibenden Haftung die Deckung durch die Berufshaftpflichtversicherung versagen.

Karenzzeit: Der Fall Daniel Bahr hat die Diskussion um die Karenzzeit wieder entfacht. Auf den Gesetzesentwurf wird laut zeit.de (Katharina Schuler) weiter gewartet. Eine längere Wartefrist als ein Jahr wird wohl nicht zu erwarten sein, obwohl in zwei Bundesländern bereits längere Fristen bestehen und auch EU-Kommissare 18 Monate warten müssen. Thomas Sigmund (Handelsblatt) spricht sich für eine baldige Regelung aus, um dem Vorurteil, ein solcher Wechsel sei prinzipiell etwas Anrüchiges, entgegen zu wirken. Er weist auch auf den Corporate Governance Kodex hin, wonach beim Wechsel von Vorstand zu Aufsichtsrat eine zweijährige Wartezeit vorgesehen sei.

Flüchtlingsschutz als Gemeinschaftsaufgabe: Zur deutschen Flüchtlingspolitik meint Heribert Prantl (SZ), sie sei "auch deswegen ein Fiasko, weil es eine gemeinsame Flüchtlingspolitik nicht gibt". Auf Bundesebene werde sich auf die Abwehr konzentriert und das Abwälzen der Schutzaufgabe auf die Länder und Gemeinden. Flüchtlingsschutz müsse jedoch eine grundgesetzliche "Gemeinschaftsaufgabe" sein: "Man plant gemeinsam, finanziert gemeinsam und trägt miteinander Verantwortung".

Investitionsschutz: Dorothea Siems (Welt) geht mit der ablehnenden Haltung des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) gegenüber den Investitionsschutzklauseln im TTIP ins Gericht. Dabei weist sie auch darauf hin, dass Umwelt- und Verbraucherschutzregeln durch die Klauseln gar nicht gefährdet seien, da gegen solche Bereiche gar nicht vor Schiedsgerichten geklagt werden dürfe.

Suizidhilfe: Eine Gruppe aus den SPD-Fraktionsvizes Carola Reimann und Karl Lauterbach, dem SPD-Rechtspolitiker Burkhard Lischka sowie Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) hat laut Welt (Matthias Kamann) einen Entwurf zur Regelung der Sterbehilfe gefertigt. Er weicht im Wesentlichen nur darin von dem der Ethiker-Gruppe um Jochen Taupitz ab, dass die Ausnahme für legale Suizidhilfe durch Ärzte im Bürgerlichen Gesetzbuch und nicht im Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 01. Oktober 2014: Die Klage einer Toten – Die Mütze des Piloten – Pornosammeln leicht gemacht . In: Legal Tribune Online, 01.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13357/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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