Die juristische Presseschau vom 19. September 2014: Mindestlohn und Dienstleistungsfreiheit – gestaffelte Kündigungsfristen – EuGH-Richter im Interview

19.09.2014

Deutsche Behörden können nach einem EuGH-Urteil nicht verlangen, dass für öffentliche Aufträge immer Mindestlöhne gezahlt werden. Außerdem in der Presseschau: Erkenntnisse vom DJT, gestaffelte Kündigungsfristen sind rechtens, ein EuGH-Richter spricht über das Google-Urteil und warum im Schulunterricht keine Kokablätter verteilt werden sollten.

Thema des Tages

EuGH zu Subunternehmern im EU-Ausland: Behörden können bei der Vergabe öffentlicher Aufträge von deutschen Bietern nicht verlangen, dass deren Subunternehmer im EU-Ausland deutsche Mindestlöhne entrichten. Das hat der Europäische Gerichtshof am Donnerstag entschieden. Die Stadt Dortmund hatte die Digitalisierung von Akten ausgeschrieben und der Bundesdruckerei den Zuschlag nicht erteilt, da das nordrhein-westfälische Vergaberecht einen Tarif von 8,62 Euro vorschreibt, Subunternehmer der Bundesdruckerei in Polen diesen Tarif aber nicht zahlen. Die Stadt hatte die Vorgabe gemacht, dass auch Subunternehmer im Ausland den Mindesttarif zahlen müssen. Daraufhin verklagte der Bund das Land Nordrhein-Westfalen.

Der EuGH sieht in der Lohnuntergrenze einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. Das Argument des Arbeitnehmerschutzes konnte die Vorgabe für den EuGH nicht rechtfertigen. Entscheidendes Argument: Die Mindestlohnbestimmung gelte nur für öffentliche Aufträge – nicht für private. Die Untergrenze sei nur gerechtfertigt, wenn sie den öffentlichen und den privaten Sektor gleichermaßen betreffe. Außerdem könne der deutsche Mindestlohn auf polnische Verhältnisse wegen dort niedrigerer Lebenshaltungskosten nicht übertragen werden. Dies zu tun, sei eine "zusätzliche wirtschaftliche Belastung", die die Vergabe von Dienstleistungen in anderen EU-Staaten "behindern oder weniger attraktiv machen" könne.

Es berichten das Handelsblatt (Frank Specht), die SZ (Wolfang Janisch) und lto.de. Frank Specht (Handelsblatt) moniert, dass ausgerechnet Staatsunternehmen ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht werden, indem sie Mindestlohnbestimmungen umgingen – auch wenn der Fall "juristisch wasserdicht" sei.

Rechtspolitik

Deutscher Juristentag: Die FAZ (Joachim Jahn und andere) und die SZ (Wolfang Janisch) fassen die Diskussionspunkte und Ergebnisse des DJT zusammen. Die Beschlüsse des DJT fungieren als Empfehlungen an den Gesetzgeber.

Im Arbeitsrecht seien die Abstimmungen über Reformvorschläge von der Tagesordnung gestrichen worden – mit der Begründung, die anstehenden Gesetzesentscheidungen zur Tarifeinheit "nicht zu stören". Im Strafrecht sollen sich Gesetzgeber und Gerichte an Vorstellungen hiesigen Rechtsgemeinschaft orientieren, nicht an den religiösen oder kulturellen Vorstellungen der Täter. Fremdenfeindliche Motive in die Strafzumessung explizit aufzunehmen – wie vom Bundesjustizministerium jüngst angestoßen –, fand hingegen kaum Zustimmung. Das geistige Eigentum schließlich solle nicht geschwächt werden, indem man die Interessen von Nutzern und Verwertern explizit kodifiziere, die Zuständigkeit dafür solle auch nicht gänzlich auf die EU verlagert werden; Haftungsfragen für WLAN-Betreiber seien gesetzlich klarzustellen.

Außerdem werden Ergebnisse zu den Gebieten Wirtschaftsrecht (Haftung von Managern), Haushaltsrecht (Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen) und Prozessrecht vorgestellt. Dort sei man etwa überwiegend dagegen, Spruchkörper an Gerichten auch mit fachkundigen Laienrichtern zu besetzen. Auf Zustimmung sei die Idee gestoßen, spezielle Kammern für internationale Handelssachen zu schaffen; außerdem Strukturen für eine stärkere Spezialisierung von Gerichten. Den Aspekt "Knowhow in der Justiz" beleuchtet lto.de (Pia Lorenz) genauer.

Asylpolitik: An diesem Freitag stimmt der Bundesrat über eine Verschärfung des Asylrechts ab. Danach sollen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden und Flüchtlinge von dort kein Asyl mehr erhalten können. Für Matthias Drobinski (SZ) ist das Asylrecht "ein Grundrecht der freien Welt". Mit dem neuen Gesetz hingegen stünde die Praktikabilität des Rechts vor dem Menschenschutz. Die FAZ (ahan) weist darauf hin, dass Flüchtlinge sich – unabhängig vom in Deutschland kodifizierten Recht auf Asyl – auch auf die Genfer Konvention berufen können.

Außerdem im Bundesrat diskutiert wird laut FAZ (Eckart Lohse) am heutigen Freitag eine Änderung des Bauplanungsrechts. So sollen die Belange von Asylsuchenden in der Bauleitplanung künftig stärker berücksichtigt werden, damit Unterkünfte etwa in Gewerbegebieten ermöglicht und erleichtert werden.

Trennbankengesetz: Das Trennbankengesetz dient der Stabilisierung des europäischen Bankensystems. Kreditinstitute müssen danach unter anderem risikoreichere Bereiche (Hedgefonds) vom Einlagengeschäft abtrennen. Laut FAZ (Manfred Schäfers, Markus Frühauf – Kurzfassung) soll das Gesetz nach Plänen des Bundesfinanzministers Wolfang Schäuble (CDU) nun entschärft werden. Hintergrund: Eine künftige europäische Verordnung werde weniger streng ausfallen als das deutsche Gesetz. Dies könne nach Angaben des Finanzministeriums zu Problemen führen, weil die Banken bereits jetzt Umstrukturierungen nach dem Trennbankengesetz vornehmen müssten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. September 2014: Mindestlohn und Dienstleistungsfreiheit – gestaffelte Kündigungsfristen – EuGH-Richter im Interview . In: Legal Tribune Online, 19.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13239/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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