Die juristische Presseschau vom 3. November 2016: Böh­m­er­mann vs. Erdogan / Quo­ten­an­walt am BVerfG? / Mei­nungs­f­rei­heit für Bot?

03.11.2016

Erdogan und Böhmermann, der Prozess geht weiter. Außerdem in der Presseschau: Forderung nach Anwaltsquoten für Bundesverfassungsrichter, Kranke dürfen Personalgespräch fernbleiben und Recht auf Meinungsfreiheit für Meinungsroboter?

Thema des Tages

LG Hamburg – Böhmermann: Das Landgericht Hamburg hat im Hauptverfahren zu Erdogans Unterlassungsklage gegen Böhmermann verhandelt. Der Anwalt des türkischen Präsidenten beharrt darauf, der Satiriker bediene rassistische Vorurteile gegen Türken und verletze so die Menschenwürde seines Mandanten. Eine Abwägung sei daher nicht mehr zulässig. Die Vertretung des Satirikers hingegen plädiert, das Gedicht sei so "gaga", dass es nicht auf die Verletzung Erdogans ziele. Im Vordergrund stehe die Diskussion um die Meinungsfreiheit. Sie kam zudem auf die derzeitige Lage in der Türkei zu sprechen. Das Gericht werde erst am 10. Februar 2017 urteilen. Die Vorsitzende Richterin Simone Käfer habe nicht erkennen lassen, ob das LG von seiner Entscheidung im Eilverfahren abweichen werde. Unter anderem taz (Christian Rath), SZ (Annette Ramelsberger), Welt (Per Hinrichs) und Hbl (Christoph Kapalschinski) widmen sich der nächsten Streitrunde. tagesschau.de (Kolja Schwartz/Tobias Sindram) zeichnet die Hintergründe und die unterschiedlichen Verfahren nach.

Rechtspolitik

Quote für Anwälte am BVerfG: Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein fordern eine gesetzliche Quote für Anwälte bei der Wahl zum Bundesverfassungsrichter – mindestens ein Anwalt pro Senat solle bestellt werden. Der größte juristische Berufsstand sei in Karlsruhe völlig unterrepräsentiert, da die freien Stellen, "bisher mit einem gewissen Automatismus an Staatsrechtslehrer" gingen. Die SZ (Wolfgang Janisch) merkt an, ein noch dichteres Quotengeflecht könne faule Kompromisse erzeugen. Es sei allerdings möglich, dass die "Richtermacher" auch ohne Quote den Ruf der Anwälte hörten.

Bekämpfung der Steuerumgehung: Als Reaktion auf die "Panama Papers" hat Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) ein Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung auf den Weg gebracht. Das Hbl (Martin Greive/Jan Hildebrand) stellt den vorliegenden Gesetzentwurf und Reaktionen darauf vor. Deutsche Steuerzahler sollen dazu verpflichtet werden, alle Geschäftsbeziehungen zu einer Briefkastenfirma im Ausland offenzulegen. Widrigenfalls drohe ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro.

Vermögensabschöpfung: Die SZ (Kristiana Ludwig) gibt Reaktionen auf Heiko Maas' (SPD) Plan wieder, die strafrechtliche Vermögensabschöpfung zu vereinfachen. So erklärt der Verband der Insolvenzverwalter, die Strafjustiz sei heute schon zu wenig spezialisiert in Sachen Wirtschaftskriminalität. Der Deutsche Richterbund moniert, es werde "zum Pflichtprogramm für die Strafjustiz", ausgebliebene Steuer-Zahlungen und Sozialabgaben einzutreiben. Reiner Hüper von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International dagegen begrüßt das Gesetz ausdrücklich.

Volksentscheide: Anlässlich der Forderung des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), bundesweit Volksentscheide einzuführen, spricht die taz (Hannes Koch) mit Politologin Patrizia Nanz. Diese positioniert sich gegen Referenden und für Bürgerräte. Sie stellt zudem ein Konzept von Bürgergremien für die EU vor.

Bundestagssitze: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sprach sich dafür aus, die Bundestagssitze auf 630 zu begrenzen. Auslöser war die Prognose, die Zahl der Mandate werde nach der kommenden Wahl auf über 700 steigen. Der Habilitand Sebastian Roßner erklärt auf lto.de, warum diese Rechnung realistisch und welche Wahlrechtsänderung denkbar sei.

Hessische Todesstrafe: Hessen will die Todesstrafe in der Landesverfassung abschaffen und das passive Wahlalter von 21 auf 18 Jahre senken, meldet focus.de. Dies soll zusammen mit der Landtagswahl 2018 geschehen. Die hessische Landesverfassung darf nur durch ein Referendum geändert werden.

Kinderehen: Simone Schmollack (taz) meint, die Argumente der Union für das Verbot der Kinderehen, u.a. Kinder gehörten in die Schule und nicht in die Ehe, griffen zu kurz. Sie sieht zwar bürokratischen Aufwand, plädiert aber für Einzelfallprüfungen. Denn diese würden helfen, Pauschalurteile zu vermeiden, das Kindeswohl individuell zu beurteilen und Zwangsehen herauszufiltern.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. November 2016: Böhmermann vs. Erdogan / Quotenanwalt am BVerfG? / Meinungsfreiheit für Bot? . In: Legal Tribune Online, 03.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21025/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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