Die juristische Presseschau vom 12.11.2014: EuGH zu Anspruch auf Sozialleistungen – Suizidhilfe – Entwurf zu Anti-Doping-Gesetz

12.11.2014

Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedsstaaten Unionsbürger ohne Arbeit von bestimmten Sozialleistungen ausschließen können, wenn diese lediglich wegen des Bezugs finanzieller Unterstützungen in ein EU-Land einreisen.* Außerdem in der Presseschau: Kurz vor der Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Verschärfung des Sexualstrafrechts präsentiert Maas eine abgeschwächte Ausführung, das Anti-Doping-Gesetz wird vorgestellt, das Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt ist teilweise verfassungswidrig und kann der närrische Scherz eines Richters seine Befangenheit begründen?

Thema des Tages

EuGH zu Anspruch auf Sozialleistungen: Deutschland kann gegenüber Bürgern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten die Gewährung von staatlichen Sozialleistungen – wie Hartz IV – verweigern. Voraussetzung sei allerdings, dass die Betroffenen lediglich wegen des Bezugs entsprechender Leistungen in die Bundesrepublik einreisten und weder hier gearbeitet haben noch nach Arbeit suchen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am gestrigen Dienstag. Die Richter sind der Ansicht, dass ein Staat die Option haben müsse Sozialleistungen, zu versagen, um Missbrauch zu verhindern. In diesem Fall dürfe man auch von dem grundsätzlichen Recht auf Freizügigkeit in der EU und vom  Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen. Im konkreten Fall hatte eine Rumänin mit Aufenthalt in Deutschland Hartz IV beantragt. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, da die Betroffene bisher nicht gearbeitet hat und auch keine Arbeitssuche nachweisen konnte. Gegen diese Entscheidung klagte sie vor dem Leipziger Sozialgericht. Dieses legte dem EuGH besagten Fall im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vor. Ob auch Zuwanderer, die auf Arbeitssuche sind, von den Sozialleistungen ausgeschlossen werden dürfen, wird das Gericht voraussichtlich nächstes Jahr entscheiden. Ein entsprechendes Verfahren eines Arbeitssuchenden, welcher Hartz IV beantragt hatte, sei derzeit angängig. Dies berichten die SZ (Roland Preuß/Wolfgang Janisch), FAZ (Sven Astheimer/Helene Bubrowski/Marcus Theurer), die taz (Christian Rath) und die BerlZ (Mira Gajevic).

Mira Gajevic (BerlZ) sieht in dem Urteil des EuGH lediglich eine Bestätigung geltenden Rechts und kein Grundsatzurteil. Sie wartet allerdings gespannt auf den Ausgang des Verfahrens um den arbeitssuchenden EU-Ausländer, welcher Hartz IV beantragt hatte.

In einem weiteren Kommentar begrüßt Christian Rath (taz) das EuGH-Urteil, hält es allerdings für missverständlich. Er moniert, dass die Entscheidung lediglich für eine kleine Gruppe von Einwanderern gelte – für solche EU-Bürger, die nicht nach Arbeit suchen und dementsprechend kein Aufenthaltsrecht haben. Arbeitssuchende hingegen betreffe das Urteil nicht. Rath hätte es daher für sinnvoller gehalten den vorliegenden Fall zusammen mit dem genannten Fall des arbeitssuchenden Unionsbürgers zu verhandeln und zu entscheiden.

Laut SZ (Roland Preuß/Wolfgang Janisch) wird das Urteil vermehrt positiv aufgenommen. So begrüßt die Bundesregierung die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Der Sprecher der deutschen Jobcenter, Matthias Schulze-Böing, sieht in dem Urteil eine hilfreiche Klarstellung. Dagegen kritisiert die Innenexpertin der Linken, Ulla Jelpke, das Urteil beziehe sich nur auf extreme Einzelfälle.

Rechtspolitik

Entschärfung der Reform des Sexualstrafrechts: Der Bundestag soll am morgigen Donnerstag ein Gesetz zur Verschärfung des Strafrechts beschließen. Justizminister Heiko Maas (SPD) präsentierte nun kurz vorher noch einen neuen Entwurf. Dieser soll nun doch nicht vorsehen, dass bereits das unbefugte Fotografieren eines unbekleideten Kindes oder Jugendlichen unter Strafe gestellt wird. Erst die unbefugte Verbreitung solle kriminalisiert werden. Das unbefugte Herstellen einer Fotografie eines nackten Erwachsenen hingegen solle nun doch nicht bestraft werden. Allerdings solle die Weitergabe von Bildern von Erwachsenen unter Strafe gestellt werden, wenn diese die Hilflosigkeit der Person zur Schau stellen oder geeignet sind, das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden. Der neue Entwurf beabsichtige allerdings auch den Ankauf von unbefugt hergestellten Fotografien zu bestrafen. Es berichten die FAZ (Helene Bubrowski/Eckart Lohse) und der Tagesspiegel (Cordula Eubel/Jost Müller-Neuhof). Dabei werden ebenso die Hintergründe und die Entwicklungen bei der Gesetzesinitiative dargestellt. Die taz (Christian Rath) weiß zudem, dass ein Passus Straffreiheit vorsieht, wenn die Fotos "in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen" aufgenommen werden. Dies diene unter anderem dem Schutz der Presse.

Anti-Doping-Gesetz: Am heutigen Mittwoch werden die Bundesminister Thomas de Maizière und Heiko Maas den Entwurf zum Anti-Doping-Gesetz vorstellen. Dies berichtet die FAZ (Marcel Reinsch). Demnach müssen Spitzensportler wegen Dopings mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. Für Dritte, die andere dopen und gefährden, ist sogar ein Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen. Ebenso soll der nicht medizinisch angezeigte Besitz und die Verabreichung bestimmter leistungssteigernder Substanzen strafbar sein. Der Artikel befasst sich zudem mit verschiedenen Reaktionen auf die geplanten Änderungen. So befürchtet beispielsweise der Deutsche Olympische Sportbund eine Aufweichung und Schwächung des Sportrechts.

Kritik an Freihandelsabkommen: Der Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag hat die SPD dazu aufgefordert, die Kritik an den geplanten Handelsabkommen TTIP und CETA einzustellen. Darüber echauffiert sich Heribert Prantl (SZ). Es sei nicht rechtsstaatlich, erst geheim zu verhandeln und darauf zu verweisen, dass zu einem späteren Zeitpunkt über die geplanten Regelungen gesprochen werden könnte, um dann jegliche Kritik an den Regelungen zu diskreditieren. Freihandelsabkommen dürften nicht zu Entdemokratisierungs-Abkommen werden.

Suizidhilfe: Die SZ (Nina von Hardenberg) befasst sich ausführlich mit der geplanten Reform der Suizidhilfe. Demnach zeichneten sich zwei Positionen ab. Die Abgeordnetengruppe um Peter Hintze (CDU) favorisiert eine Reform, die es Ärzten ermöglicht, Patienten Suizidhilfe zu leisten. Ein Verbot kommt dabei nur bedingt in Frage. Auf der anderen Seite plädieren unter anderem die Abgeordneten Kerstin Griese (SPD) und Eva Högl (SPD) für eine, laut SZ, mehrheitsfähige Lösung, die ein Verbot der organisierten Suizidhilfe vorsieht, aber dafür einen Ausbau der Palliativmedizin unterstützt. Es sei nicht notwendig, eine explizite Erlaubnis von ärztlicher Suizidhilfe zu reglementieren, da dieser ethische Freiraum bereits bestehe. Ein entsprechendes Konzept, welches sich insbesondere mit dem Ausbau der Palliativmedizin befasse, wurde ebenso am gestrigen Dienstag vom Gesundheitsminister Hermann Gröhe präsentiert.

Auch die FAZ (Alexander Haneke) befasst sich mit dem Thema Suizidhilfe und beschreibt die derzeitigen legitimen Möglichkeiten der ärztlichen Sterbebegleitung. Ebenso wird über die Vorzüge eines Ausbaus der Palliativmedizin berichtet.

Ausbau der Palliativmedizin: Am gestrigen Dienstag hat die Regierungskoalition sich darauf geeinigt, die ambulante Palliativmedizin auszubauen. So sollen mehr Hospizplätze angeboten und Pflegeeinrichtungen besser auf die Sterbebegleitung vorbereitet werden. Diese Vorschläge sind insbesondere im Rahmen der Debatte um die Suizidhilfe relevant. Vertreter des Verbots der Suizidhilfe wollen mit der Verbesserung der Palliativmedizin dem Bedürfnis der Patienten, zu sterben, entgegen wirken. Dies schreibt die FAZ (Andreas Mihm).

Anlegerschutz: Am heutigen Mittwoch will das Bundeskabinett das sogenannte Kleinanlegerschutzgesetz verabschieden. Das geplante Gesetz soll für mehr Sicherheit von Anlegern im "grauen Kapitalmarkt" sorgen. Dieser Teil der Finanzindustrie unterliegt nicht der staatlichen Finanzaufsicht und umfasst sowohl seriöse als auch dubiose Anbieter. Laut Bundesregierung stellt das geplante Gesetz eine nötige Balance zwischen dem Wunsch einer höheren Rendite für risikobereite Kapitalanleger sowie dem notwendigen Verbraucherschutz her. Die SZ (Claus Hulverscheidt) und das Handelsblatt (Susanne Schier) beschreiben die geplanten Neuregelungen. Diese umfassen beispielsweise eine Erweiterung der Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen im Rahmen des kollektiven Verbraucherschutzes sowie eine Prospektpflicht für alle Vermögensanlagen. Ebenso berichtet die taz (Malte Kreutzfeldt) und richtet dabei den Fokus auf die Ausnahmen der Regelung im Hinblick auf gemeinnützige Projekte und Genossenschaften.

Strafbefreiende Selbstanzeige: Die FAZ (Manfred Schäfers/Joachim Jahn) bringt verschiedene Ansichten zur Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. So befürchtet die Stiftung für Familienunternehmen beispielsweise, dass die Regelung den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit erschwere, da das Instrument der Selbstanzeige weniger genutzt werden könnte. Die Bundessteuerberatungskammer lobt hingegen, dass die Möglichkeit der Strafbefreiung grundsätzlich erhalten bleibe, hält die praktische Umsetzung in bestimmten Fällen allerdings für unmöglich, weil notwendige Unterlagen wegen des Ablaufs von Aufbewahrungsfristen gegebenenfalls nicht mehr beizubringen sind.

Gesetz zur Armutsmigration: Am vorigen Donnerstag beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Armutsmigration. Darüber berichtet jetzt auch die taz (Christian Rath). Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass EU-Bürgern grundsätzlich nur ein Zeitraum von sechs Monaten in Deutschland gewährt wird, um eine Arbeit zu finden. Werden sie nicht fündig oder können sie keine entsprechenden guten Aussichten vorweisen, endet ihr Aufenthaltsrecht. Nach einer Ausweisung kann zukünftig auch häufiger eine Wiedereinreisesperre verhängt werden, in bestimmten Fällen kann diese bis zu fünf Jahre lang gelten – allerdings nicht im Falle einer überlangen Arbeitssuche.

Auch die FAZ (Sven Astheimer/Helene Bubrowski/Marcus Theurer) schreibt im Rahmen der Berichterstattung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Anspruch auf Sozialleistungen über geplante Gesetzesänderungen gegen entsprechenden Missbrauch.

* Geändert am 12.11. um 15 Uhr. Zuvor stand hier: Der EuGH lehnt einen Anspruch auf Sozialleistungen für arbeitslose Personen ab, die lediglich wegen des Bezugs finanzieller Unterstützungen in ein EU-Land einreisen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12.11.2014: EuGH zu Anspruch auf Sozialleistungen – Suizidhilfe – Entwurf zu Anti-Doping-Gesetz . In: Legal Tribune Online, 12.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13772/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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