Die juristische Presseschau vom 20. April 2016: BVerfG beg­renzt Abstam­mungs­klärung / Haft für Grap­scher / Kir­chen­steuer für Mus­lime

20.04.2016

Das BVerfG will Fragen nach der Abstammung nicht immer beantworten. Außerdem in der Presseschau: strafbares Grapschen, Kirchensteuer für Muslime und warme Jacken für Polizeianwärter.

Thema des Tages

BVerfG zu Abstammungsklärung: Das Grundgesetz gewährt keinen Anspruch auf isolierte (rechtsfolgenlose) Klärung der Abstammung gegenüber einem mutmaßlichen leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater, entschied das Bundesverfassungsgericht. Klärungsbegehren "ins Blaue hinein" würden die Grundrechte des betroffenen Mannes (und seiner Familie) erheblich beeinträchtigen, so das Gericht. Daher ginge hier die verfassungsrechtliche Abwägung zulasten des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung aus. Der Gesetzgeber habe allerdings die Möglichkeit, die isolierte Abstammungsprüfung nach § 1598a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch auf mutmaßliche nicht rechtliche Väter auszuweiten – dies sei verfassungsrechtlich zulässig, aber nicht verpflichtend. Im vorliegenden Fall ist Inge Lohmann mit ihrer Verfassungsklage gescheitert, mit deren Hilfe sie klären wollte, ob der Mann, den sie für ihren Vater hält, auch ihr Vater ist, schreiben Tsp (Jost Müller-Neuhof), SZ (Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath) und FAZ (Helene Bubrowski). Ausführlich dazu auch lto.de (Pia Lorenz).

Wolfgang Janisch (SZ) moniert, die Karlsruher Richter legten einen "Mantel des Schweigens" über ungeklärte Herkunftsverhältnisse – es sei ein schlechter Grund, den Familienfrieden des potentiellen Vaters der "für die Identität so prägenden Kenntnis des biologischen Vaters" vorzuziehen. Ein guter Grund sei allerdings, dass das Gericht nicht in die Reformvorhaben bezüglich des Abstammungsrechts eingreifen wollte. Jost Müller-Neuhof (Tsp) hält es ebenso für richtig, dass das BVerfG dem Gesetzgeber die Entscheidung überlässt, den nötigen Ausgleich zwischen den Rechten der Kinder und mutmaßlichen Väter zu schaffen. Er mahnt allerdings, die Politik solle behutsam vorgehen, um den familiären Frieden nicht zu gefährden.

Rechtspolitik

Strafbares Grapschen: Die große Koalition will tätliche sexuelle Belästigung – sogenanntes Grapschen – künftig mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ahnden. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stehe dem Vorhaben offen gegenüber, weiß zeit.de. Es bestehe noch die Möglichkeit, diese Reform mit in das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Verschärfung des Sexualstrafrechts aufzunehmen.

Sexistische Werbung: "Nicht der Sex, [...] nicht die Freiheit des Gedankens und der Assoziation sind verachtenswert, pervers oder strafwürdig, sondern die sozialen Strukturen, die solche Träume in einen Bereich der Warenwelt ausgrenzen." Bundesrichter Thomas Fischer zerpflückt auf zeit.de das geplante Verbot sexistischer Werbung und mokiert sich auch über den Unsinn anderer Verbote.

Moscheensteuer: CSU-Politiker Alexander Radwan setzt sich für eine "Moscheensteuer" ein – eine Steuer vergleichbar mit der Kirchensteuer, über die sich islamische Glaubensgemeinschaften finanzieren könnten. Der SZ (Robert Rossmann) sagte er, dass dieses Vorhaben Hand in Hand mit dem Verbot ausländischer Finanzierung deutscher Moscheen gehen solle.

EU-Datenschutzgrundverordnung: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) konstatiert, es sei noch ein weiter Weg, bis die EU-Datenschutzgrundverordnung zu Rechtssicherheit führe. Zum einen, weil viele Rechtsbegriffe noch der Auslegung bedürfen, zum anderen, weil sich die EU-Datenschützer in Einzelfragen abstimmen müssen, um zu gewährleisten, dass das Recht einheitlich bleibt.

Mietrechtsreform: Der Fachanwalt für Mietrecht Dominik Schüller erläutert auf lto.de den Entwurf des zweiten Mietrechtsnovellierungsgesetzes – dieses sei ein "wirksameres Paket" insbesondere gegen extreme Mietsteigerungen. Etwa solle eine Mitspiegelverordnung Rechtsunsicherheiten bei Mieterhöhungen entgegen wirken.

Pflegebetrug: Wie kann Betrug in Alten- und Krankenpflege eingedämmt werden? Die Bundesregierung hat die gesetzliche Krankenversicherung dazu aufgefordert entsprechende Vorschläge zu machen. Die FAZ (Andreas Mihm) informiert über die Ermittlungen in Sachen organisierter Pflegebetrug und über die Maßnahmen des Gesetzgebers.

Autoabgase: Andere Autohersteller als VW nutzten angeblich, schreibt Thomas Fromm (SZ), mit einer trickreichen Methode ein "Schlupfloch für Stickoxide", um so unter bestimmten Bedingungen die Abgasreinigung rechtmäßigerweise herabsetzen zu können. Fromm fordert (gerade nach dem VW-Abgasskandal), dass der Gesetzgeber diese Gesetzeslücken schließt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. April 2016: BVerfG begrenzt Abstammungsklärung / Haft für Grapscher / Kirchensteuer für Muslime . In: Legal Tribune Online, 20.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19137/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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