Die juristische Presseschau vom 15. April 2015: Betreuungsgeld verfassungswidrig? – Thomas Fischer zu Ehrverletzungen – Richter lästert über BGH

15.04.2015

Das Betreuungsgeld könnte an der Zuständigkeit des Bundes scheitern – am gestrigen Dienstag war die erste Verhandlung vor dem BVerfG. Außerdem in der Presseschau: Strafrechtler kritisieren strengere Gesetze für Sterbehilfe, Thomas Fischer zur Bedeutung des Rechtsguts Ehre in Gesellschaft und Strafrecht, E-Books dürfen nicht einfach so weiter veräußert werden und ein Richter am LG lästert über den BGH – in seiner Urteilsbegründung.

Thema des Tages

BVerfG – Betreuungsgeld: Im Fokus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zum Betreuungsgeld am gestrigen Dienstag standen Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung. Der Bund kann auf dem Gebiet der "öffentlichen Fürsorge" Gesetze erlassen, wenn dies zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich ist, da diese Materie der konkurrierenden Gesetzgebung unterfällt. Mehrere Richter äußerten ihre Bedenken hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzung. So monierte Richter Reinhard Gaier beispielsweise, dass die Regelung zum Betreuungsgeld "gar nicht konstruiert" sei, um regionale Unterschiede bei der Kinderbetreuung auszugleichen und somit gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Die Vertreter der Bundesregierung hingegen sehen Betreuungsgeld und Kita-Förderung als Gesamtkonzept zur Behebung von Problemen bei der Kinderbetreuung und begründen so die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Auf die Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gingen die Richter nur am Rande ein. Die SZ (Wolfgang Janisch) informiert über die in der Verhandlung vorgebrachten Argumente und erklärt die Kompetenzstreitigkeit. Die taz (Christian Rath), die FAZ (Helene Bubrowski) und spiegel.de (Dietmar Hipp) gehen zudem auch auf die Hamburger Begründung des Normenkontrollantrags ein. Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) beantwortet relevante Fragen.

Auch Heribert Prantl (SZ) betont, das BVerfG habe in der mündlichen Verhandlung "wenig Zweifel" an der mangelnden Zuständigkeit des Bundes gelassen. Er hält fest, dass die Länder, natürlich auch Bayern, in Zukunft selbst ein Betreuungsgeld beschließen oder aber das Geld "in den Ausbau von Kitas stecken" könnten. Dabei sei allerdings zu beachten, dass eine entsprechende Länderregelung ebenfalls in Karlsruhe landen könnte, denn die materielle Verfassungswidrigkeit des Betreuungsgeldes, insbesondere ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, sei noch nicht geklärt. Joachim Jahn (FAZ) stellt unter dem Titel "mehr Macht den Ländern" heraus, "das Gericht täte gut daran", das "Grundgesetz beim Wort zu nehmen" und somit das Subsidiaritätsprinzip in der Gesetzgebungskompetenz durchzusetzen.

Rechtspolitik

Sterbehilfe: Der FAZ (Reinhard Müller) liegt eine Stellungnahme mehrerer Strafrechtler zur geplanten Reform der Sterbehilfe vor – darunter der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer, Claus Roxin und die ehemalige Generalbundesanwältin Monika Harms. Demnach sei eine Strafbarkeit von Ärzten wegen Beihilfe zum Suizid "entschieden abzulehnen". Mit einer entsprechenden Regelung würde unter anderem das Selbstbestimmungsrecht der Patienten unverhältnismäßig beeinträchtigt und das Verhältnis zwischen Arzt und Patient in einen "Graubereich möglicher Strafbarkeit" gelenkt. So würde in Palliativstationen täglich organisiert Sterbehilfe geleistet, denn die dortigen Maßnahmen gingen oftmals mit der Verkürzung der Lebenszeit einher – diese seien allerdings "uneingeschränkt positiv" zu bewerten und sollten daher nicht mit Strafbarkeitsrisiken bedroht werden.

Reinhard Müller (FAZ) hält fest, dass die Hilfe im Sterben wichtig sei. Dennoch schließe die Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts der Patienten nicht aus, dass der Gesetzgeber "ein Zeichen gegen gewerbliche Sterbehilfe" setzt – und "damit auch gegen die professionelle Entsorgung von Alten und Kranken" vorgeht. Es liege zwar "im Trend, das scharfe Schwert des Strafrechts unnötig früh zu ziehen" – dies sei hier allerdings nicht der Fall.

Kommunale Konzessionsvergabe: Neue EU-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen erfordern eine Novellierung des Kartellrechts. Die Rechtsanwälte Jana Michaelis und Peter Rosin legen in der FAZ dar, weshalb umfangreiche Neuregelungen im Rahmen der kommunalen Konzessionsvergabe nicht notwendig seien. Sie erklären zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, welche bestehende Unklarheiten im kommunalen Vergabeverfahren geklärt hätten und aus denen konkrete Vorgaben für die Auswahlentscheidung hervorgingen. So müssten kommunale Unternehmen im Verfahren den anderen gleichgestellt werden und dürften sich nicht auf "das Privileg einer internen Vergabe" berufen – dies diene der "sachgerechten Auswahl des besten Bieters".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. April 2015: Betreuungsgeld verfassungswidrig? – Thomas Fischer zu Ehrverletzungen – Richter lästert über BGH . In: Legal Tribune Online, 15.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15237/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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