Die juristische Presseschau vom 30. Januar bis 1. Februar 2016: Abschie­bung in Dritt­staaten / Schuss­waf­fen­ein­satz an Grenzen / Merkel beg­renzt ihr Will­kommen

01.02.2016

Bundesregierung will straffällige Flüchtlinge in Drittländer abschieben. Außerdem in der Presseschau: AfD für Schusswaffeneinsatz an Grenzen, Merkel, Maas und Maizière zur Flüchtlingskrise und Stromanbieter verfolgt illegale Hanfplantagen.

Thema des Tages

Abschiebung in Drittstaaten: Die Bundesregierung erwägt, straffällig gewordene Flüchtlinge auch in Drittstaaten – insbesondere in die Türkei – abzuschieben, wenn eine Abschiebung in die Herkunftsländer nicht möglich ist, schreibt die Montags-taz (Christian Rath) unter dem Titel "Hauptsache, abgeschoben". Die Maßnahme solle greifen, wenn die Heimatländer sich weigerten, die Flüchtlinge wiederaufzunehmen oder etwa die Verfolgung der Betroffenen im Herkunftsland die Abschiebung dorthin verbiete. Deutschland stehe bereits in Verhandlungen mit der Türkei über die zeitnahe Rücknahme von Flüchtlingen, welche über das Land nach Deutschland gelangten. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl moniert, die Türkei gewährleiste nicht die Sicherheit der Flüchtlinge und schiebe beispielsweise nach Syrien ab. Auch Montags-SZ und zeit.de melden die Verhandlungen.

Rechtspolitik

Stimmen zur Flüchtlingskrise: Auf dem Landesparteitag der CDU in Mecklenburg-Vorpommern hat Bundeskanzlerin Merkel vergangenen Samstag betont, sie erwarte, dass auch anerkannte Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, wenn die Fluchtursachen entfallen. Der auf drei Jahre befristete Schutz vor individueller Verfolgung sei ein "temporärer Status". Die Montags-taz (Christian Rath) erklärt unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, die Anerkennung als Flüchtling zu widerrufen.

In einem Gastbeitrag für die Samstags-FAZ nimmt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Stellung zum Vorwurf, der Bundesregierung fehle in der Flüchtlingspolitik die demokratische Legitimation. Sie habe immer innerhalb der Befugnisse der Dublin-Verordnung gehandelt und die Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Europäischen Gerichtshofs beachtet, sodass von einem Rechtsbruch nicht die Rede sein könne. Der Vorwurf der mangelnden Legitimität untergrabe vielmehr die Geltungskraft der Gesetze und demoliere das politische Klima.

In einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ mahnt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), Flüchtlinge müssten sich an "unsere Werte und Regeln" halten – Personen, die sich nicht integrieren wollen, müssten auch damit rechnen, dass der Staat ihre Leistungen kürzt. Sie betont, es gebe "keinen Anspruch auf leistungslose Unterstützung" und fordert ein Integrationsfördergesetz; Integration müsse in Arbeitsmarkt, Kitas, Schulen und Nachbarschaften erfolgen.

Im Interview mit dem Spiegel (Ralf Neukirch/René Pfister, spiegel.de-Zusammenfassung) drängt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf weitere Lösungen, um einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen zu verhindern. Man müsse mit nordafrikanischen Staaten zusammenarbeiten, um die Rückführung zu erleichtern und die Türkei zu einer besseren Sicherung der Grenze bewegen. Die angedrohte Verfassungsklage seitens der CSU hält er für wenig erfolgversprechend.

Asylpaket II: Die beschlossenen Änderungen des Asylpakets II und die Reaktionen fassen unter anderem die Samstags-Welt (Thomas Vitzthum/Daniel Friedrich Sturm), die Samstags-taz (Pascal Beucker/Christina Schmidt) und die Samstags-FAZ (Johannes Leithäuser) und das Hbl (Frank Specht) zusammen. Kernpunkte sind die Beschränkung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, die Erklärung von Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten und die Schaffung neuer Aufnahmeeinrichtungen für Personen aus sicheren Herkunftsländern. Außerdem werde ein drittes Asylpaket erarbeitet, das eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge enthalten soll.

Nach Jasper von Altenbockum (Samstags-FAZ) richtet sich das Asylpaket auch gegen die Behauptung eines Staatsversagens. Ludwig Greven (zeit.de) befürchtet, dass Flüchtlinge nun mit der gesamten Familie die gefährlichen Fluchtrouten nehmen werden.

Nach Einschätzung von zeit.de (Lisa Caspari) lasse die aktuelle Anhörungspraxis des Bundesamts für Migration darauf schließen, dass die Beschränkung des Familiennachzugs vermehrt syrische Flüchtlinge treffen werde, wenn diesen lediglich der subsidiäre Schutz gewährt wird. spiegel.de (Christoph Sydow/Philipp Wittrock) erklärt die Folgen, die mit der Erklärung der drei Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern einhergehen. Die schnellere Ablehnung des Asylantrags garantiere nicht die Abschiebung in die Herkunftsländer.

Volksentscheid über Flüchtlingsunterbringung: Der Verband "Initiativen für erfolgreiche Integration Hamburg" hat beschlossen, einen Volksentscheid über die Unterbringung von Flüchtlingen in Hamburg vorzubereiten. Ziel sei es, durch eine dezentrale Unterbringung die Integration zu verbessern. Nach einer Meldung der Montags-SZ warnten SPD und Grüne davor, dass ein Referendum "polarisiere" und das politische Klima in Hamburg "vergifte".

"Benzin-Soli": Laut EU-Kommission wäre es rechtlich möglich, eine Benzinsteuer als zusätzliche Finanzquelle für die Flüchtlingskrise einzuführen. Cerstin Gammelin (Montags-SZ) weist allerdings darauf hin, dass die Kommission bislang keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat – zudem würde das Gesetz wohl daran scheitern, dass alle EU-Mitgliedsstaaten dafür stimmen müssten, die Steuer einzuführen. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) wolle mit der Forderung nach einem "Benzin-Soli" gewährleisten, dass keine weiteren Schulden entstehen und die Stabilitätsregeln der EU bestehen bleiben.

TTIP: Ab dem heutigen Montag können Bundestagsabgeordnete in einem gesonderten Leseraum Dokumente zu TTIP – auch zur Position der USA – sichten. Diese Maßnahme solle mehr Transparenz signalisieren, deren Fehlen Kritiker bislang monierten. Die Montags-SZ (Alexander Mühlauer) fasst den derzeitigen Stand  der Verhandlungen und insbesondere die strittigen Punkte zusammen.

Der Deutsche Richterbund ist der Ansicht, es gebe "weder eine Rechtsgrundlage, noch eine Notwendigkeit" für ein internationales Investitionsgericht und rät davon ab, ein solches über das TTIP-Abkommen einzuführen. Die Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten könnten effektiven Rechtsschutz für ausländische Investoren gewährleisten. Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) fasst die Kritikpunkte des Richterbunds zusammen.

Reform des Insolvenzrechts: Die geplante Reform des Insolvenzrechtes sieht unter anderem vor, die Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu erschweren und die Vorsatzanfechtung einzuschränken. Rechtsanwalt Biner Bähr konstatiert in einem Gastbeitrag für die Montags-SZ der Entwurf sei "von zweifelhafter Qualität". Er befürchtet, die Gesetzesänderungen wirkten sich unmittelbar auf "den Fortbestand von Unternehmen und den Erhalt von Arbeitsplätzen" aus.

Parlamentsvorbehalt für Bundeswehreinsatz: Die Samstags-FAZ (Johannes Leithäuser) stellt den Gesetzentwurf zur Mandatierung von Bundeswehreinsätzen vor, den die Bundesregierung am Freitag in den Bundestag eingebracht hat. So soll unter anderem die Zustimmungspflicht des Bundestages bei humanitären Einsätzen und Ausbildungsmissionen entfallen. Dies solle auch für den Fall gelten, dass deutsche Soldaten in internationalen Stäben von EU und Nato außerhalb eines bewaffneten Konflikts eingesetzt sind. Die Opposition kritisierte die Reform als Beschränkung von Parlamentsrechten.

Ehegattensplitting: Die FAS (Dyrk Scherff) legt im Ressort "Geld und mehr" ausführlich dar, weshalb die Regelungen des Ehegattensplittings ungerecht seien – der Vertrauensschutz verhindere allerdings, dass die Regelung einfach abgeschafft werde. Der Beitrag erläutert Vor- und Nachteile verschiedener anderer Ansätze, wie der individuellen Besteuerung, des "Splittings für alle" oder des Familiensplittings und schließt damit, ein Einheitssteuersystem böte eine "heiratsneutrale" Lösung.

Jobcenter-Reform: zeit.de sammelt Kritik an der geplanten Jobcenter-Reform. So entlaste der Entwurf, laut Sozialverband, Langzeitarbeitslose nicht ausreichend. Die Grünen monierten, "das bürokratische Hartz IV-System" werde nur wenig verbessert – es sehe zu wenig Stellen vor, die sich um die Integration der Arbeitslosen kümmern. Das Bundeskabinett werde voraussichtlich am kommenden Mittwoch über den Gesetzentwurf von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) beraten.

Safe-Harbour-Abkommen: Die EU-Kommission befindet sich nach wie vor in den Verhandlungen um ein neues Safe-Harbour-Abkommen mit den USA, um den Datentransfer zwischen EU und USA wieder zu ermöglichen – in der Nacht auf den heutigen Montag ist die Übergangsfrist verstrichen. Die Montags-SZ (Varinia Bernau/Guido Bohsem u.a.) setzt sich ausführlich mit dem derzeitigen datenschutzrechtlichen Status auseinander und erläutert, wie das "Rechtsvakuum" für den Austausch von Daten entstand und welche Folgen das Safe-Harbour-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Unternehmen hat.

In einem weiteren Beitrag erklärt die Montags-SZ (Jannis Brühl) die "transatlantischen Machtspiele" um Daten(schutz). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei "ein Verteidigungsschlag Europas" gegen das US-amerikanische Anzapfen von "Finanz- und Informationsflüssen".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Januar bis 1. Februar 2016: Abschiebung in Drittstaaten / Schusswaffeneinsatz an Grenzen / Merkel begrenzt ihr Willkommen . In: Legal Tribune Online, 01.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18321/ (abgerufen am: 26.03.2024 )

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