Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. Juli 2017: Ver­mum­mungs­verbot und Ver­samm­lungs­recht / Ehe für alle pas­siert Bun­desrat / US-Anklage im Abgasskandal

10.07.2017

Justiz

BVerfG zu Kopftuch im Gericht: Die Rechtswissenschaftlerin Nahed Samour (verfassungsblog.de) befasst sich angesichts der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes noch einmal mit der Frage, wie genau die Neutralitätspflicht des Staates zu verstehen sei. Sie sieht beispielsweise einen Widerspruch zur Karlsruher Kopftuch-Entscheidung aus dem Jahre 2015. Heftig in den nachfolgenden Kommentaren werden allerdings die Parallelen, die die Autorin zu Rosa Parks zieht, kritisiert. Rosa Parks und die muslimische Rechtsreferendarin mit Kopftuch in Hessen hätten eines gemeinsam: Die Verweisung auf die hinteren Reihen sei wegen ihrer Sichtbarkeit im öffentlichen Raum erfolgt. Auch Johan Schloemann ist in der Samstags-SZ der Auffassung, dass jenen Frauen, die das Tragen des Kopftuches als religiöses Gebot sehen, nicht deswegen der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt werden kann.

OVG NRW zur Verspätung beim Examen: Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat jetzt auch in zweiter Instanz festgestellt, dass eine Examenskandidatin von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen werden kann, wenn sie nicht rechtzeitig erschienen ist. lto.de (Marcel Schneider) hat dazu die Meinung des Hamburger Prüfungsrechtlers Arne-Patrik Heinze eingeholt, der die Entscheidung für bedenklich und einen Gang bis vor das Bundesverfassungsgericht für möglich hält.

BVerfG zu Besoldung in Sachsen: Das Bundesverfassungsgericht hat, so melden es lto.de und die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt), die verzögerte Angleichung der Beamtenbesoldung in den Gruppen ab A10 in Sachsen gerügt. Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die Beamten dieser Besoldungsgruppen ohne sachlichen Grund benachteiligt wurden, indem hier die Angleichung an das Westniveau erst zwei Jahre später erfolgte.

BVerfG – Tarifeinheitsgesetz: Die Montags-Welt weist auf die für Dienstag erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Tarifeinheitsgesetz hin. Es geht um die Frage, ob kleine Spartengewerkschaften benachteiligt werden.

BGH zum Transplantationsskandal: Auf zeit.de analysiert Rechtsprofessorin Elisa Hoven noch einmal ausführlich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Transplantationsskandal. Die Karlsruher Richter bestätigten den Freispruch eines Göttinger Arztes vom Vorwurf des versuchten Totschlags und der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge. Er hatte Patientendaten gefälscht und damit die Reihenfolge von Transplantationen verändert.

AG Bad Hersfeld zur WhatsApp-Nutzung: Rechtsanwalt Frauke Hansen vertritt auf blog.handelsblatt.com die Auffassung, dass aus der Entscheidung des Amtsgerichts Bad Hersfeld, in der ein Richter im Rahmen einer Familiensache festgestellt hatte, dass allein schon die Nutzung von WhatsApp gegen das deutsche Datenschutzrecht verstoße, Konsequenzen für Unternehmen herzuleiten seien, deren Mitarbeiter den Nachrichtendienst zu Kommunikation einsetzten. Es drohten hohe Geldbußen, die nach dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung im nächsten Jahr sogar noch deutlich höher ausfallen könnten. Hansen rät deshalb, auf eine Installation des Nachrichtendienstes auf Diensthandys möglichst zu verzichten.

OLG Düsseldorf – Verfahren gegen Salafistenprediger: Der Spiegel (Julia Jüttner) berichtet von dem Verfahren gegen Sven Lau, dem die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Das Verfahren neigt sich nach 50 Verhandlungstagen dem Ende zu und mit einer Verurteilung sei wohl zu rechnen.

Streit um GStA-Posten in Berlin: Wie die Montags-taz meldet, hat der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) jetzt bekanntgegeben, dass er dem Senat Margarete Koppers als neue Generalstaatsanwältin und Nachfolgerin von Ralf Rother vorschlägt. Kritik an der Entscheidung kommt von der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der Fraktionsvorsitzende Florian Graf wirft Behrendt mangelnde Transparenz vor: Weder im Rechtsausschuss noch in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses habe er seine Entscheidung dargelegt. Man hoffe auf eine Konkurrentenklage, um die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen.

LG Essen – Arcandor: Das Landgericht Essen hat das Verfahren gegen ehemalige Aufsichtsratsmitglieder der Firma Arcandor gegen Geldauflagen eingestellt. Samstags-FAZ (Markus Jung) und Samstags-SZ berichten.

LG München – HRE-Verfahren: Die Montags-SZ (Stephan Radomsky) erläutert, dass aufgrund neu aufgetauchter Unterlagen der Gutachter im Verfahren gegen den ehemaligen HRE-Chef Georg Funke sowie den Ex-Finanzvorstand Markus Fell in den kommenden Monaten deutlich mehr zu tun haben könnte. Es bestehe die Gefahr, dass bei einer Verzögerung des Verfahrens die Vorwürfe verjährten.

Jugendstrafrecht: Im Spiegel berichtet Sven Böll von seinen – ernüchternden – Erfahrungen als Schöffe in einem Jugendstrafverfahren. Auch wenn es im Grunde richtig sei, dass Jugendgerichte vor allem erziehen und nicht strafen wollten, führte das in der Praxis allerdings auch dazu, dass selbst jene Jugendlichen, die gewalttätig seien und keine Reue zeigten, häufig mit einer Art Standardurteil von zwei Jahren auf Bewährung davonkämen. Die Opfer dagegen litten häufig viel länger unter den Folgen – manchmal ein Leben lang.

Rechtsanwalt Helmut Naujocks: Die Montags-SZ (Uwe Ritzer) porträtiert den Arbeitsrechtsanwalt Helmut Naujocks, dem rücksichtsloses Vorgehen bei Kündigungen vorgeworfen wird. Gegenstand des Interesses sind Berichte eines Privatdetektivs, der in mehreren Medien problematische Praktiken gegenüber Mitarbeitern, insbesondere Betriebsräten, geschildert hatte.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. Juli 2017: Vermummungsverbot und Versammlungsrecht / Ehe für alle passiert Bundesrat / US-Anklage im Abgasskandal . In: Legal Tribune Online, 10.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23402/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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