Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. Juli 2017: Ver­mum­mungs­verbot und Ver­samm­lungs­recht / Ehe für alle pas­siert Bun­desrat / US-Anklage im Abgasskandal

10.07.2017

Der Umgang mit den Gegendemonstranten beim G-20-Gipfel wird juristisch analysiert. Weiter in der Presseschau: Der Bundesrat hat die "Ehe für alle" passieren lassen und das US-Justizministerium erhob Anklage gegen Audi-Manager.

Thema des Tages

G-20-Demonstrationen: In einem Interview mit der Samstags-taz (Patricia Hecht) ist Rechtsanwalt Udo Vetter der Auffassung, dass der Polizeieinsatz am vergangenen Donnerstagabend gegen Demonstranten rechtswidrig gewesen sei. Die Polizei habe offenbar eine große, friedliche Demonstration mit der bloßen Begründung verhindert, dass einige Leute vermummt gewesen seien. Vetter meint, dass die Auslegung des Vermummungsverbots durch die Hamburger Polizei "ein Dolchstoß in den Rücken des Grundgesetzes" gewesen sei. Auch die Soziologin und Referentin im Komitee für Grundrechte und Demokratie Elke Steven kritisiert in der Samstags-taz die Stadt Hamburg. Eine Allgemeinverfügung habe das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für große Teile der Hamburger Innenstadt außer Kraft gesetzt, Unterkunftsmöglichkeiten für die vielen Gäste, die gegen den Gipfel demonstrieren wollten, seien verboten und nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei jede weitere rechtliche Prüfung verschleppt worden. Heribert Prantl (SZ.de) meint in seiner politischen Wochenvorschau, dass das Versammlungsgrundrecht in der  vergangenen Woche malträtiert worden sei, wie schon lange nicht mehr. Und dass Anamnese, Diagnose und Heilung hierzu dauern werden.

spiegel.de (Heike Klovert) berichtet von der Gesa, der Gefangenensammelstelle, die die Hamburger Polizei während des G-20-Gipfels für festgenommene Demonstranten eingerichtet hat. Rechtsanwälte vom speziell eingerichteten Anwaltsnotdienst kritisierten, dass die Zahl der Container für Besprechungen nicht ausgereicht habe und ihre Arbeit durch die Polizei behindert worden sei. 

Rechtspolitik

"Ehe für alle": Der Bundesrat hat am Freitag das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts passieren lassen. Der Beschlussfassung vorangegangen waren auch hier Diskussionen über eine etwaige Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung. Laut Samstags-SZ (Constanze Bullion) hat sich beispielsweise Bayerns Justizminister Winfried Bausback kritisch über das "Hauruck-Verfahren", mit dem das Gesetz im Bundestag verabschiedet worden sei, geäußert. Er meinte auch, dass das vom Grundgesetz aus gutem Grund besonders geschützte Institut der Ehe, deren Tradition bis in die Antike zurückreiche, mehr Respekt verdient habe. In einem Interview mit dem Tagesspiegel (Robert Birnbaum/Antje Sirleschtov) hat Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Prüfung einer Verfassungsklage gegen das neue Gesetz durch die bayerische Staatsregierung angekündigt. Gleichzeitig kritisierte er Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wegen dessen Hin und Her zur Frage der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung.

Carolin Ehmke wünscht sich in der Samstags-SZ, dass das neue Gesetz vom Bundesverfassungsgericht geprüft wird. Gerade für schwule und lesbische Paare, die jahrzehntelang auf diese Anerkennung als Gleiche gewartet hätten, sei es wichtig, dass diese Anerkennung nun nicht mit dem Zweifel der Verfassungsmäßigkeit belastet werde. Der Freiburger Rechtswissenschaftler Mathias Hong (verfassungsblog.de) begründet noch einmal, warum er die Ehe für homosexuelle Heiratswillige nicht nur für ein Kann sondern für ein verfassungsmäßiges Muss hält.

Rechte von Alleinerziehenden: Angesichts der aktuellen Diskussion um die Begriffe von Ehe und Familie befasst sich Julia Bähr (Samstags-FAZ) im Feuilleton mit der rechtlichen Situation alleinerziehender Elternteile. Es gehe in der Aufregung unter, dass es noch immer diese Art der Familie gebe, die rechtlich schlechter gestellt sei.

Weitere Beschlüsse im Bundesrat: Neben dem erweiterten Eheschließungsrecht hat der Bundesrat u.a. auch den Weg frei gemacht für die Angleichung der Ostrenten an das Westniveau bis 2025, die Abschaffung des § 103 StGB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten), die Strafrahmenerhöhung für den Wohnungseinbruch sowie die Änderungen bei der Parteienfinanzierung. lto.de, zeit.de und die Samstags-SZ stellen die wichtigsten Beschlüsse der Marathonsitzung vor.

WLAN-Gesetz: Die Montags-Welt (Thomas Heuzeroth) stellt das neue WLAN-Gesetz vor, das beispielsweise Gastronomen erlaubt, künftig auch Hotspots ohne Kennwortschutz anzubieten.

Wetterdienstgesetz: Der Bundesrat hat am Freitag auch die Novelle des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst passieren lassen. Rechtsanwalt Daniel Kendziur (lto.de) stellt die Neuregelungen vor.

Staatstrojaner: Die Montags-Welt (Florian Flade) beleuchtet die Neuregelung zum Staatstrojaner und stellt noch einmal die Diskussion des Für und Wider dar.

Reinhard Müller (Samstags-FAZ) begrüßt es, das künftig im Rahmen der Strafverfolgung auch auf Nachrichtendienste wie Twitter zugegriffen werden kann. Denn wenn Anhaltspunkte für schwere Straftaten zu erkennen seien, sei nicht einzusehen, warum der Staat unter strengen Voraussetzungen auf einen beliebten Kommunikationsdienst nicht zugreifen sollte.

Algorithmen: Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, hat in der vergangenen Woche mehr Transparenz und die Überprüfung von Algorithmen wichtiger Online-Dienste gefordert. In einem Interview mit dem Spiegel meint jetzt Rechtsprofessor Torsten Körber, dass die Algorithmen für diesen politischen Anspruch viel zu komplex seien und vor allem auch oft geändert und angepasst würden. Eine Überprüfung durch eine Behörde sei nicht zu leisten und würde Innovationen im Internet behindern. Constanze Kurz (Montags-FAZ) weist darauf hin, dass Software immer von Menschen programmiert wird und man daher an der dahinterliegenden Absicht anknüpfen müsse. Wenn Diskriminierung schlicht erwünscht sei, weil sie das eigene Geschäftsmodell unterstütze, habe das nichts mit Vorurteilen oder Unbedachtheiten der Programmierer zu tun, sondern mit den Erwerbsinteressen oder mit zur Diskriminierung neigenden Überzeugungen in den Firmen, für die sie arbeiten.

Sportmanipulationen: Die Montags-BadZ (Christian Rath) berichtet über eine Tagung in Augsburg zu der im April in Kraft getretenen Neuregelung zur Sportmanipulation. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe kann künftig bestraft werden, wenn jemand Vorteile fordert oder annimmt, um einen "berufssportlichen" Wettbewerb zugunsten der gegnerischen Mannschaft zu manipulieren. Dargestellt werden in dem Artikel die Abgrenzungsschwierigkeiten, die das neue Gesetz mit sich bringt, etwa zwischen Amateur- und Berufssport oder bei der Frage, welche Aktivitäten – angesichts von Schach und Computerspielen – eigentlich unter den Begriff "Sport" zu fassen sind.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. Juli 2017: Vermummungsverbot und Versammlungsrecht / Ehe für alle passiert Bundesrat / US-Anklage im Abgasskandal . In: Legal Tribune Online, 10.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23402/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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