Die juristische Presseschau vom 18. November 2016: EGMR zur Sub­si­dia­rität / Hass­pos­tings im Internet / Min­der­jäh­ri­genehe

18.11.2016

Der EGMR wünscht erschöpfte Rechtswege auch in türkischer Beschwer. Außerdem in der Presseschau: Justizminister arbeiten an Hasspostings und möchten die Anerkennung von Kinderehen auf Ausnahmen beschränken.

Thema des Tages

Kein Fast-Track zum EGMR: Die Straßburger Richter haben die Beschwerde einer türkischen Richterin abgewiesen, die sich gegen ihre Entlassung und anschließende Inhaftierung gewandt hat. Wie u.a. die taz (Christian Rath) berichtet, war die Juristin im Juli am Tag nach dem Putschversuch ihres Amtes enthoben und einen Tag später unter dem Vorwurf, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, in Untersuchungshaft genommen worden. Nachdem das türkische Gericht die Haftbeschwerde im August abgelehnt hatte, erhob sie Beschwerde wegen Verletzung ihrer Menschenrechte.

Der EGMR entschied nun jedoch, dass die Richterin zunächst das türkische Verfassungsgericht hätte anrufen müssen. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass dort ein faires Verfahren nicht mehr hätte erreicht werden können, zwei Richter und mehrere dort tätige Anwälte sind ebenfalls inhaftiert worden, folgten die Straßburger Richter nicht. Die Bedenken der Antragstellerin mit Blick auf die Unparteilichkeit des türkischen Verfassungsgerichts hätten sie jedenfalls nicht von der Pflicht entbunden, zunächst dieses Gericht anzurufen.

Die taz weist in ihrem Beitrag darauf hin, dass seit Juli bereits rund 3.000 türkische Beschwerden beim EGMR im Zusammenhang mit den Maßnahmen nach dem Putschversuch eingegangen sind. Auch wenn diese Klagen nun zunächst für unzulässig erklärt werden, ist es, wie Klaus Hempel (tagesschau.de) meint, nur eine Frage der Zeit, bis sich die Straßburger Richter auch inhaltlich mit den Inhaftierungen beschäftigen.

Rechtspolitik

"Hassrede" in sozialen Netzwerken: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet, haben sich die Justizminister der Länder während ihrer diesjährigen Herbsttagung auf Maßnahmen gegen sogenannte Hasspostings in sozialen Netzwerken wie Facebook geeinigt. Dabei soll es, so heißt es im Bericht, nicht nur um strafbare Äußerungen gehen, die z.B. von Facebook innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden sollten. Eine abschließende juristische Bewertung sei in dieser Zeit nicht möglich, wird Bundesjustizminister Heiko Maas zitiert.

Kinderehen: Die Landesjustizminister haben im Rahmen der Justizministerkonferenz auch über den Umgang mit sogenannten Kinderehen diskutiert. Bundesjustizminister Mass will laut taz (Christian Rath) bald einen Gesetzentwurf mit zwei Elementen vorlegen: Danach sollen Ehen, die von Partnern unter 16 Jahren geschlossen wurden, in Deutschland generell nicht anerkannt werden. Wenn aber einer der beiden Ehepartner bei Eheschließung zwischen 16 und 18 Jahren alt war, soll es Härtefallregelungen geben. Wie die FAZ (Eckart Lohse) wollen die Justizminister Ausnahmen auch deswegen ermöglichen, weil die Aufhebung einer im Ausland geschlossenen Ehe vor allem die jungen Frauen beziehungsweise Mädchen vor Unterhaltsprobleme stellen kann. Die taz (Sascha Lübbe) beschreibt ergänzend am Beispiel eines syrischen Paares die Komplexität des Themas.

Justizministerkonferenz – Weiteres: Daneben haben sich die Justizminister laut bild.de auch mit Maßnahmen gegen illegalen Waffenhandel im Internet und neuen Klagemöglichkeiten für Verbraucher befasst. Bundesjustizminister Heiko Maas hat angekündigt, den Entwurf für ein Gesetz zur Regelung von Musterklageverfahren noch in diesem Jahr vorzulegen. Außerdem soll nach dem Willen der Landesjustizminister geprüft werden, inwiefern bei der Unterbringung islamistischer Gefangener Änderungsbedarf besteht. Damit reagiert die Justizministerkonferenz auf die Selbsttötung des Terrorverdächtigen Jaber Al-Bakr im Oktober in einer Gefängniszelle in Leipzig.

EU-Steuerrechtspläne: Die EU-Kommission will Unternehmen verpflichten, offenzulegen, wie viele Steuern in einem Mitgliedstaat gezahlt wurden. Die Brüsseler Vorstellungen erläutert das Hbl (Ruth Berschens/Jan Hildebrand u.a.). Die Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen die Pläne und wissen dabei Bundesfinanzminister Schäuble an ihrer Seite. Anders der Justizminister, dem an Transparenz liege.

Digitales BGB: Rechtsprofessor Daniel Zimmer untersucht in der FAZ den Sinn der Forderung von EU-Kommissar Oettinger nach einem "digitalen BGB". Er warnt vor der Einführung neuer Rechte an Informationen und meint, dass viele Fragen auch mit den vorhandenen Regelungen gelöst werden können.

Datenverwertung: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt spricht sich für eine bessere Möglichkeit der Datenauswertung für Unternehmen aus. Die FAZ (Britta Beeger/Hendrik Wieduwilt) zitiert aus einem Strategiepapier des Ministeriums, in dem es heißt, "man müsse weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit hin zu einem kreativen und sicheren Datenreichtum".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. November 2016: EGMR zur Subsidiarität / Hasspostings im Internet / Minderjährigenehe . In: Legal Tribune Online, 18.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21197/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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