Geschlechterangaben auf Stimmzetteln unzulässig: Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden

04.04.2014

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Das ist zweifellos richtig, aber auf Stimmzettel drucken darf man es trotzdem nicht. Der VGH Rheinland-Pfalz erklärte Vorschriften zu diesen und weiteren Angaben auf den Stimmzetteln für die am 25. Mai anstehenden Kommunalwahlen in zwei Eilverfahren für verfassungswidrig. Kurios: Der Antrag war unter anderem von denselben Parteien gestellt worden, die die Angaben einführen wollen

Neben dem der Verfassung entnommenen Satz zur Gleichberechtigung von Mann und Frau wiesen die Stimmzettel Angaben zum gegenwärtigen Geschlechteranteil unter den Volksvertretern und das Geschlecht jedes zur Wahl stehenden Kandidaten sowie den Geschlechteranteil unter diesen aus. Dies sollte die Wähler motivieren, stärker für weibliche Kandidaten zu stimmen, die bei den letzten Kommunalwahlen 2009 landesweit lediglich 16,8 Prozent aller Mandate erhalten hatten.

Die entsprechenden Vorschriften hat der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz nun in zwei Eilbeschlüssen außer Kraft gesetzt (Beschl. v. 04.04.2014, Az. VGH A 15/14 und VGH A 17/14). Einen gleichlautenden Antrag eines Beigeordneten hatte das Gericht im Februar noch als unzulässig abgewiesen, da der Beigeordnete nicht selbst in seinen Rechten betroffen sei.

SPD und Grüne siegreich gegen eigene Regelung

Dies sah er in den jetzigen Verfahren, in denen die Anträge von den Landtagsfraktionen der SPD, der Grünen und mehreren Mitgliedern der Piratenpartei geführt wurden, anders. Dass die SPD und die Grünen zu den Antragstellern zählen, verwundert zunächst, denn die rot-grüne Landesregierung hatte die streitigen Stimmzettel selbst entworfen. Für das Eilverfahren hatten sie jedoch beantragt, dass der VGH "höchst fürsorglich" eine vorläufige Regelung treffen solle, wenn dies zur rechtlich gesicherten Durchführung der Wahl nötig sei.

Der VGH sah dies als zulässig an. Im Hauptverfahren hätten die beiden Fraktionen einen Normenbestätigungsantrag gestellt, mit dem sie begehrten, die Vereinbarkeit der betreffenden Regelungen mit der Landesverfasssung festzustellen. 

Wähler haben Recht, "in Ruhe gelassen zu werden"

Damit werden sie vor dem VGH wohl keinen Erfolg haben. Jedenfalls im Eilverfahren erklärte das Gericht den geschlechtsbezogenen Angaben eine klare Absage. Diese würden den Grundsatz der Freiheit der Wahl verletzen, der einen unbedingten Schutz vor staatlicher Einwirkung auf die Entscheidung im Zeitpunkt der Stimmabgabe gewährleiste. Zwar sei eine Verschränkung des staatlichen und des gesellschaftlichen politischen Willensbildungsprozesses grundsätzlich legitim. Dies gelte aber nicht mehr im Moment der Stimmabgabe in der Wahlkabine. Dort habe der Wähler das Recht, "in Ruhe gelassen zu werden".

Auch der Verfassungsauftrag, wonach der Staat Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern ergreift, gebe dem Landesgesetzgeber kein Recht, durch die Gestaltung der amtlichen Stimmzettel auf die unbedingt zu schützende Freiheit der Willensbetätigung der Bürgerinnen und Bürger im Zeitpunkt des eigentlichen Wahlaktes einzuwirken.

cvl/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Geschlechterangaben auf Stimmzetteln unzulässig: Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden . In: Legal Tribune Online, 04.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11575/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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