VGT-Präsident zu Maut-Plänen der Regierung: "Verschwendung ministerieller Arbeitskraft"

29.01.2015

Am Donnerstag eröffnete Kay Nehm den 53. Verkehrsgerichtstag. Sein Kernanliegen ist die Maut, mit der er auch deutsche Autofahrer belasten will. Die darüber gesammelten Daten sollten zudem auch zur Verbrechensbekämpfung nutzbar gemacht werden. Weitere Themen auf dem bedeutenden verkehrsgerichtlichen Kongress sind neue Promille-Grenzen für Radfahrer und niedrigere Tempolimits auf Landstraßen.

Für Instandhaltung und Bau neuer Straßen und Brücken müsste mehr Geld ausgegeben werden - da sind sich viele Experten einig. Doch mit den aktuellen Mautplänen der Bundesregierung wird sich das nicht finanzieren lassen, meint Kay Nehm: "Jeder weiß, dass das zu erwartende Aufkommen nicht annähernd ausreichen wird."

Der Präsident des Verkehrsgerichtstags (VGT) fordert stattdessen eine streckengebundene Pkw-Maut für alle. Das bestehende Maut-System für Lastwagen könne auch auf andere Autos ausgeweitet werden und so eine verkehrslenkende Funktion entstehen. "Zu Spitzenzeiten mit viel Verkehr und auf notorisch überlasteten Strecken wäre dann mehr Maut fällig als zu Zeiten, in denen weniger Fahrzeuge unterwegs sind." Eine solche Maut sei gerechter, denn wer wenig oder zu verkehrsarmen Zeiten fährt, könne finanziell entlastet werden.

Diese Maut könne zudem sozial gerecht gestaltet werden, indem die Fahrt zur Arbeit steuerlich stärker berücksichtigt würde. Die Einnahmen sollten dann ausschließlich zur Sanierung und zum Ausbau von Verkehrswegen dienen. Offen blieb, auf welchen Straßen eine solche Maut gelten sollte.

Die Regierung hatte auf Betreiben der CSU eine Pkw-Maut auf den Weg gebracht, bei der inländische Autobesitzer unter dem Strich nicht draufzahlen sollen. Viele Details sind aber noch zu klären - genau wie die EU-Verträglichkeit und die Frage, wie sicher die erhofften Einnahmen sind.

Die seit einem Jahr andauernden Bemühungen der Regierung, eine europarechtskonforme Pkw-Maut für ausländische Autofahrer zu schaffen, hält Nehm für "ein risikoreiches Vorhaben mit erheblichen politischen Auswirkungen in Europa." Mit Blick auf Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach er von einer "Verschwendung ministerieller Arbeits- und Gestaltungskraft".

Nehm will Maut-Daten zur Verbrechensbekämpfung nutzen

Außerdem will Nehm die Maut-Daten in Deutschland auch zur Verbrechensbekämpfung nutzen können. Der frühere Generalbundesanwalt kritisierte bereits bei der Eröffnung des VGT, dass die an Autobahnen für Lastwagen erhobenen Daten derzeit selbst zur Aufklärung schwerster Delikte gegen das Leben nicht verwertet werden dürften.

Als Beispiel nannte er die Fahndung nach dem sogenannten Autobahnschützen, der zwischen 2008 und 2013 Hunderte Male auf Lastwagen geschossen hatte. Statt "dem lebensgefährlichen Spuk durch Auswertung der Maut-Daten ein rasches Ende" bereiten zu können, hätten Beamte des Bundeskriminalamtes "Methoden der Steinzeit" anwenden müssen. Sie hätten an Autobahnen die Fahrzeugkennzeichen erfasst und mit den Tatzeiten abgeglichen.

Widerspruch erntete Nehm vom Niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius. Datenschutz sei in Deutschland ein hohes Gut, sagte der SPD-Politiker. Die Nutzung der Maut-Daten zu anderen Zwecken sei gesetzlich ausgeschlossen. Daran habe man sich zu halten.

Tempolimit auf Landstraßen und weitere Themen

Beim Deutschen Verkehrsgerichtstag im niedersächsischen Goslar diskutieren Fachleute bis Freitag über aktuelle Fragen des Verkehrs und Verkehrsrechts. Juristen, Wissenschaftler und Politiker sowie Spezialisten von Automobilclubs, Fachleute aus Ministerien, Behörden, Unternehmen und Verbänden geben dem Gesetzgeber anschließend Empfehlungen für Neuregelungen im Straßenverkehr oder im Verkehrsrecht.

In der Vergangenheit wurden Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages später oft gesetzlich verankert: so etwa das begleitete Fahren mit 17, höhere Bußgelder für Verkehrssünder, die Herabsetzung der Alkohol-Grenze für Kraftfahrer auf 0,5 Promille oder das Handy-Verbot beim Autofahren.

In diesem Jahr, der 53. Auflage des Kongresses, nehmen knapp 2.000 Experten aus Deutschland und aus etwa einem Dutzend weiterer europäischer Länder teil. Themen sind neben dem europäischen Führerschein-Tourismus, neuen Promille-Grenzen für Radfahrer und Unfallgefahren durch Ablenkung durch Smartphones unter anderem Maßnahmen wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h auf Landstraßen zur Reduzierung von Unfallgefahren.

Der Präsident des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland, rief dazu auf, in Deutschland mehr für die Verkehrssicherheit tun. Auf Landstraßen seien rund 60 Prozent aller Verkehrstoten zu beklagen. Der GDV-Präsident appellierte an die verantwortlichen Politiker, mehr Geld für den Bau von Schutzplanken vor Bäumen aufzuwenden und "die Bereitschaft, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Überholverbote anzuordnen". Es gelte jetzt ausnahmsweise einmal "mehr Tempo zu machen - für mehr Verkehrssicherheit."

dpa/ahe/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VGT-Präsident zu Maut-Plänen der Regierung: "Verschwendung ministerieller Arbeitskraft" . In: Legal Tribune Online, 29.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14522/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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