Unionsfraktion zerstritten: Kon­fron­ta­tion im Streit um Flücht­lings­po­litik dauert an

14.06.2018

Im unionsinternen Streit um den Umgang mit Flüchtlingen an deutschen Grenzen beharrt Innenminister Seehofer auf eigenmächtigen Zurückweisungen, die Kanzlerin hofft auf eine europäische Lösung. Nun zeigt sich die CDU kompromissbereit.

Im Asylstreit mit der CSU hat die CDU nun einen Kompromissvorschlag unterbreitet: Personen, deren Asylantrag in Deutschland bereits abgelehnt worden sei, sollten bei einem erneuten Versuch der Einreise sofort zurückgewiesen werden, teilte die CDU nach Beratungen des Parteipräsidiums am Donnerstag mit. Damit kommt in den festgefahrenen Streit um die künftige deutsche Asylpolitik neue Bewegung. Die CSU verlangt aber auch, bereits in der Europäischen Union registrierte Asylbewerber Flüchtlinge und solche ohne gültige Papiere zurückzuweisen.

"Das Präsidium hat heute Morgen das Ziel bekräftigt, die Migrationsprozesse in Europa und die Einreise in unser Land wirksam zu steuern und zu kontrollieren", hieß es in der kurzen schriftlichen Erklärung. Dazu biete der angekündigte Masterplan von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die nötigen Grundlagen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer hatten am Mittwochabend  bei Beratungen zunächst noch keinen Durchbruch in ihren Bemühungen zur Entschärfung des Asylstreits erzielen können. Unklar blieb zunächst, wann die beiden Parteivorsitzenden erneut zu Verhandlungen zusammenkommen würden. An diesem Donnerstag treffen Merkel und Seehofer bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin aufeinander.

Merkel hofft weiter auf europäische Lösung

Bereits am Mittwoch hatte Merkel nach dpa-Informationen einen konkreten Kompromissvorschlag vorgelegt. Demnach geht es u. a. darum, unter der europäischen Decke bilaterale Vereinbarungen mit den am stärksten vom Migrationsdruck betroffenen Ländern zu schließen, um eine juristisch wasserdichte Rückweisung von Migranten an der deutschen Grenze zu ermöglichen, die schon in anderen EU-Ländern Asylverfahren durchlaufen haben. 

Mehrere Länder mit Unions-Ministerpräsidenten pochen auf eine Abweisung von in anderen EU-Staaten registrierten Asylbewerbern bereits an der Grenze. Sie schließen sich damit einer Forderung Seehofers und des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder an, die hiermit auf Konfrontationskurs mit Merkel sind. Die beiden CSU-Politiker dringen auf eine Verschärfung der Migrationspolitik, eine Lage wie 2015 mit offenen Grenzen darf sich aus ihrer Sicht nicht wiederholen.

Merkel befürwortet hingegen eine europäische Lösung, keine nationale Lösung. Ein deutscher Alleingang in Form von eigenmächtigen Zurückweisungen an der Grenze dürfte sich vor dem europarechtlichen Hintergrund ohnehin als schwierig gestalten.

Unions-Sondersitzung geplant

An dem gut zweieinhalb Stunden dauernden Treffen zwischen Merkel und Seehofer im Kanzleramt in Berlin nahmen auch Söder, der hessische Regierungschef Volker Bouffier und Kanzleramtsminister Helge Braun (beide CDU) teil. In Bayern und Hessen wird im Herbst gewählt, auch deswegen dürften Söder und Bouffier in die Lösung der Asylstreitigkeiten einbezogen sein.

Über den Verlauf des Treffens war Stillschweigen vereinbart worden. Voraussichtlich am Donnerstagvormittag soll entschieden werden, ob noch im Laufe des Tages oder erst am Freitagvormittag eine Sondersitzung der Unionsfraktion einberufen wird. Ob die Unionsspitzen bis dahin einen Kompromiss finden würden, war aber unklar. Es wurde für möglich gehalten, dass auch noch längere Verhandlungen nötig sein könnten.

Die Fraktion habe deutlich gemacht, dass es eine gemeinsame Linie von CDU und CSU geben solle, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Mittwochabend im ZDF-heute journal. Sie hoffe sehr auf eine Einigung. Aus ihrer Sicht gibt es auch die Chance, "vielleicht nicht unter den 28 europäischen Staaten, aber mit den entsprechenden Staaten, also zum Beispiel Italien oder Griechenland, auch zu entsprechenden bilateralen Vereinbarungen zu kommen, die im Grunde genommen das gleiche Ziel erreichen, das die CSU auch hat, aber eben in einem europäischen System". Es gebe solche Vereinbarungen, etwa zwischen Frankreich und Italien. Sie sehe durchaus die Chance und Notwendigkeit, zu versuchen, "diese Möglichkeit auszuloten, bevor man wirklich auf nationale Alleingänge setzt".

Unionspolitiker bringt Vertrauensfrage ins Gespräch

Seehofers Forderung, einen Teil der Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, ist nicht nur in der CSU populär. Auch einige CDU-Politiker - im Bundestag und in den östlichen Bundesländern - haben die Hoffnung, dass es bald mehr europäische Solidarität in der Asylpolitik geben könnte, aufgegeben. In der Unionsfraktion hatte sich am Dienstag kein einziger Unterstützer der Kanzlerin zu Wort gemeldet, sondern vor allem jene, die sich der Seehofer-Forderung anschlossen. Merkel will beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni wesentliche Fortschritte in Richtung einer europäischen Asylpolitik erreichen.

Aus der Unionsfraktion kam zuletzt die Forderung, den Streit mit einer internen Kampfabstimmung zu klären. "Bei der entscheidenden Frage, ob wir an der deutschen Grenze einzelne Personengruppen zurückweisen, wird es keinen Kompromiss geben können, da gibt es nur Ja oder Nein", sagte der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten der Augsburger Allgemeinen. Der CDU-Abgeordnete Axel Fischer brachte gar eine Vertrauensfrage ins Gespräch. Er sagte Bild: "Seit 2015 diskutieren wir über dieses Thema. Irgendwann muss man Entscheidungen treffen, notfalls auch mit einer Vertrauensfrage."

Der Europapolitiker Gunther Krichbaum schlägt in dem Konflikt einen Kompromiss vor. "Die Bundeskanzlerin sollte auf dem Gipfel Ende Juni eine Frist von einem Jahr setzen. Wenn es bis dahin kein einheitliches, europäisches Asylsystem gibt, das auch funktioniert, müssen die nationalen Maßnahmen ergriffen werden, die Seehofer vorschlägt", sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag der Saarbrücker Zeitung (Donnerstag).

dpa/mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Unionsfraktion zerstritten: Konfrontation im Streit um Flüchtlingspolitik dauert an . In: Legal Tribune Online, 14.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29143/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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