Gesundheitsschutz in England und Wales: Voll­stän­diges Rauch­verbot für Häft­linge

01.10.2015

Die britische Regierung hat ein absolutes Rauchverbot in Gefängnissen beschlossen. 80 Prozent der britischen Insassen sind derzeit Raucher. Viele befürchten Revolten, wenn sie ab 2016 aufhören oder auf E-Zigaretten umsteigen müssen.

Die Regierung Großbritanniens hat beschlossen, Gefängnisinsassen ab Januar 2016 das Rauchen im gesamten Gebäude zu verbieten. In allen anderen öffentlichen Gebäuden gilt bereits seit 2007 ein absolutes Rauchverbot, doch bislang war es Häftlingen erlaubt, zumindest innerhalb ihrer Zelle zu qualmen. Unter anderem der Guardian berichtet über die Gründe der restriktiven Politik, die maßgeblich im Schutz der Gesundheit von Mitarbeitern und Insassen liegen.

Luftmessungen in sechs Gefängnissen hätten ergeben, dass die Gefängnismitarbeiter mindestens in einem Sechstel ihrer Aufenthaltszeit im Gebäude Rauchkonzentrationen ausgesetzt sind, die die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als unbedenklich eingestuften Grenzwerte überschreiten. Im Schnitt rauchen vier von fünf britischen Häftlingen. Den daraus folgenden Gesundheitsrisiken will die Regierung nun begegnen.

Hinzu kommen rechtliche Erwägungen. Ein Gefangener in einer privaten Haftanstalt hatte geklagt, weil er gezwungen wurde, seine Zelle mit einem Raucher zu teilen. Im März dieses Jahres hatte ein Gericht entschieden, dass sich zumindest private Gefängnisse an die Gesetze zum Rauchverbot halten müssten und der Health Act auch dort Anwendung finde. Das frühere Argument, Gefängnisse genössen die Immunität der Krone und fielen daher nicht unter den sonst geltenden Raucherschutz, hatte das Justizministerium zuvor selbst aufgegeben.

Nach der Entscheidung, die ein privat geführtes Gefängnis betraf, wurde es für die Regierung schwer, das Rauchen nicht auch in öffentlichen Haftanstalten zu verbieten. Als weitere Argumente neben dem Gesundheitsschutz kommen zudem eine Reduktion des Brandrisikos, geringere Kosten für die Versicherung und die eine leichtere Instandhaltung der Gefängnisse hinzu.

E-Zigaretten und Entzugsprogramme

Andrew Selous, der für Gefängnisse zuständige britische Minister, sieht das Verbot zwar als unumgänglich an, betont jedoch auch die Schwierigkeit, eine solch massive Änderung gerade in der besonderen Umgebung eines Gefängnisses durchzusetzen.

Man werde das Verbot daher nicht über Nacht einführen, sondern in Etappen. Zunächst soll es im Januar 2016 in Wales und ab März in vier englischen Haftanstalten in Kraft treten, anschließend auf alle 136 Haftanstalten in England und Wales ausgeweitet werden.

Nach amtlichen Angaben sind vier Fünftel der Häftlinge in britischen Gefängnissen Raucher. Auch dienen Tabak und Zigaretten hinter Gittern bislang häufig als inoffizielle Währung. Gefängnisleiter hatten gewarnt, dass ein Rauchverbot die Sicherheit in den Haftanstalten gefährden könne.

Wichtig sei vor allem, dass die Sicherheit der Gefängnisse beachtet werde, so Selous. Damit sie besser mit dem Rauchverbot zurechtkämen, seien bereits elektronische Zigaretten verteilt worden. Gefangene, die mit dem Rauchen aufhören wollen, sollen Unterstützung bekommen.

"Ein winziges Stück Freiheit hinter Gittern"

Auch in den USA, Kanada und Neuseeland gilt seit einigen Jahren ein absolutes Rauchverbot in Haftanstalten. Im Sommer dieses Jahres hatten bereits einige Staaten Australiens ein solches eingeführt. Ende Juni war es daher in Melbourne zu massiven Revolten gekommen. 300 Gefangene stürmten am Vorabend des zum 1. Juli in Kraft getretenen Rauchverbots mit selbst gemachten Schlagstöcken auf das Personal los, schlugen Scheiben ein und setzten Inventar in Brand. Erst schwer bewaffneten Polizisten gelang es nach 15 Stunden mit Wasserwerfern und Tränengas, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

Ein australischer Insasse hatte das Rauchverbot Folter genannt. Der Richter habe die Häftlinge schließlich nicht verurteilt, mit dem Rauchen aufzuhören, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Rauchen sei nicht nur eine Währung oder ein Mittel zum Stressabbau: "Rauchen ist ein winziges Stück Freiheit hinter Gittern. Der Raucher trifft die Entscheidung, wann er sich eine Kippe anzündet oder teilt. Nimmt man ihm das weg, haben die Bullen über alles Kontrolle."

Rauchverbot "in Deutschland kein Thema"

Der für Gefängnisse zuständige australische Minister David Elliott sagt lapidar: "Wenn du rauchen willst, begehe kein Verbrechen, dann kommst du auch nicht ins Gefängnis."

In deutschen Gefängnissen sei ein Rauchverbot kein Thema, sagt der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Strafvollzug (BSBD), Anton Bachl. "In den Hafträumen und in dafür ausgewiesenen Bereichen kann geraucht werden. Bei Mehrfachbelegungen in den Hafträumen wird auf die Nichtraucher Rücksicht genommen." In Nordrhein-Westfalen dürfe nur in Gemeinschaftsräumen nicht geraucht werden, sagt Justizsprecher Detlef Feige. "Eine Änderung ist nicht geplant."

ahe/LTO-Redaktion

Mit Materialen von dpa

Zitiervorschlag

Gesundheitsschutz in England und Wales: Vollständiges Rauchverbot für Häftlinge . In: Legal Tribune Online, 01.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17065/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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