Streit über TTIP: EU-Kom­mis­sion schlägt neues Gericht vor

17.09.2015

Der Vorschlag für ein neues Investitionsgericht soll die Gegner des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP beruhigen. Geht die Strategie auf? Zumindest die Regierungen in Berlin und Paris sind zufrieden.

Zur Entschärfung des Streits über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP hat die EU-Kommission eine umfangreiche Reform des aktuellen Schiedsgerichtssystems vorgeschlagen. Nachdem auch das EU-Parlament sich gegen die umstrittenen privaten Schlichtungseinrichtungen ausgesprochen hatte, sollen die Streitigkeiten zwischen Konzernen und Staaten nun durch ein transparenteres System gelöst werden, das in seiner Funktionsweise deutlich mehr traditionellen Gerichten entspricht.

"Wir wollen ein System einrichten (...), dem die Bürger trauen", erklärte die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström bei der Vorstellung am Mittwoch. Die Schwedin hat vor, den Vorschlag als europäische Verhandlungsposition in die Freihandelsgespräche mit den USA einzubringen. An deren Ende soll mit einem Abkommen die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen entstehen. Verschiedene Gutachten attestieren TTIP in seiner bisherigen Form sogar Verfassungswidrigkeit.

Die Pläne zur Reform der aktuellen Schiedsverfahren sehen konkret vor, dass die EU-Staaten und die USA gemeinsam unabhängige Richter für einen neuen Investitionsgerichtshof auswählen. Zudem soll es erstmals ein zweite Instanz geben. Sie würde es erlauben, gegen Urteile Einspruch zu erheben.

Schiedsgerichte massiv in der Kritik

Bislang einigten sich die Verfahrensbeteiligten untereinander auf Schiedsrichter, eine Einspruchmöglichkeit gegen deren Urteile gab es nicht. In der Diskussion der vergangenen Monate sei deutlich geworden, dass Bürger dem alten System in Sachen Fairness und Gerechtigkeit nicht vertrauten, kommentierte Malmström.

Diese vor allem von Großkonzernen verlangten Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS) gelten als einer der Hauptgründe für den großen Widerstand in Europa gegen TTIP. Die traditionellen Schiedsgerichte werden von Gegnern als eine Art Paralleljustiz kritisiert, über die Unternehmen Schadensersatz zulasten der Steuerzahler erstreiten, nationale Gesetze aushebeln oder eine Senkung von Verbraucher- und Umweltstandards durchsetzen können.

In ersten Stellungnahmen bezeichneten Anti-TTIP-Organisationen wie Campact die Vorschläge der EU-Kommission als unzureichend. Kritisiert wurde vor allem, dass sie nicht für das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) gelten sollen. Die deutsche und die französische Regierung begrüßten hingegen die Pläne von Malmström.

Verhandlungen verzögern sich

Es sei ein großer Fortschritt, dass das alte System von privaten Schiedsgerichten vom Tisch sei, kommentierte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) in Berlin. Die Kommission berücksichtige bei der Reform wesentliche Punkte, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Frühjahr mit anderen EU-Handelsministern erarbeitet habe.

Wann die Gespräche über das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) abgeschlossen werden können, blieb am Mittwoch weiter unklar. Die Verhandlungen laufen seit Mitte 2013. Das Thema Investorenschutz wurde bislang allerdings nicht mit den USA diskutiert. Ursprünglich sollte ein Rahmen für das Abkommen bereits Ende dieses Jahres stehen. Dieser Termin gilt als nicht mehr haltbar.

dpa/acr/LTO-Redaktion

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Streit über TTIP: EU-Kommission schlägt neues Gericht vor . In: Legal Tribune Online, 17.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16924/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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