OVG Rheinland-Pfalz zu baulichen Mängeln: Stadt darf sichergestellte Häuser nicht verwerten

18.09.2012

Mainz kann zwei von ihr sichergestellte Wohnhäuser, die wegen Verstößen gegen die Anforderungen an die Trinkwasserversorgung und den Brandschutz nicht mehr genutzt werden dürfen, nicht verwerten. Dies entschieden die Koblenzer Verwaltungsrichter am vergangenen Mittwoch.

Die Verwertungsanordnungen könnten entgegen der Auffassung der Stadt nicht auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden, da die entsprechenden Bestimmungen nur auf die Verwertung beweglicher Sachen, nicht jedoch von Immobilien zugeschnitten seien, so das Oberverwaltungsgericht (OVG).

Die Versteigerung von Grundstücken stelle einen massiven Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum dar, der in seiner Wirkung einer Enteignung gleichkomme. Deshalb sei eine Versteigerung verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn der Gesetzgeber Verfahrensvorschriften erlassen habe, die eine unverhältnismäßige Verschleuderung von Grundeigentum verhindere. Solche Vorschriften, wie sie etwa das Zwangsversteigerungsgesetz enthalte, fehlten in den Bestimmungen des Polizeirechts über die Verwertung sichergestellter (beweglicher) Gegenstände. So gebe es beispielsweise kein dem zwangsversteigerungsrechtlichen Anspruch des Schuldners auf Anwesenheit beim Versteigerungstermin entsprechendes Verfahrensrecht (Urt. v. 12.09.2012, Az. 8 A 10236/12.OVG und 8 A 10253/12.OVG).

Geklagt hatte der Miteigentümer bzw. Verwalter zweier Häuser in der Mainzer Neustadt. Nachdem sie mehreren Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde, bauliche Mängel zu beseitigen nicht nachgekommen waren, stellte die Polizei die Häuser im Oktober 2008 sicher und nahm sie in Verwahrung. 2010 ordnete die Stadt die Verwertung der beiden Häuser durch eine öffentliche Versteigerung an, um weitere Verwahrungskosten zu vermeiden. Ort und Zeit der Versteigerung sollten den Klägern jedoch nicht mitgeteilt werden, um den Erfolg der Verwertung nicht zu gefährden.

Die hiergegen eingelegten Klagen wies das Verwaltungsgericht ab. Das OVG gab den Berufungen der Kläger nun statt und hob die Verwertungsanordnungen der Stadt auf.

Nach Ansicht des OVG blieben der Stadt zur Beseitigung der Missstände, welche von den Häusern der Kläger ausgingen, nur die Befugnisse nach den baurechtlichen Regelungen. Soweit danach die Gefahr bestehe, dass letztlich die Allgemeinheit die Kosten einer Mängelbeseitigung tragen müsste, weil ein Regress bei den Grundstückseigentümern nicht realisiert werden könne, sei allein der Gesetzgeber berufen, andere Möglichkeiten für einen zwangsweisen Zugriff auf verwahrloste Immobilien zu schaffen. Eine dahingehende rechtspolitische Diskussion werde bereits lebhaft geführt.

tko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG Rheinland-Pfalz zu baulichen Mängeln: Stadt darf sichergestellte Häuser nicht verwerten . In: Legal Tribune Online, 18.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7106/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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