Die juristische Presseschau vom 12. Dezember 2014: Videoüberwachung hat Grenzen – Telekom-Aktionäre dürfen hoffen – Ermittlungen zu Oktoberfest-Attentat

12.12.2014

Die Videoüberwachung des eigenen Grundstücks findet ihre Grenzen im Datenschutzrecht, so der EuGH. Außerdem in der Presseschau: Das Bundeskabinett hat Tarifeinheit und Frauenquote beschlossen, die Bundesanwaltschaft ermittelt wieder wegen des Oktoberfest-Attentats 1980, Telekom-Aktionäre können auf Entschädigung hoffen und warum ein Reisender am Flughafen ein Foto hätte löschen müssen.

Thema des Tages

EuGH zur privaten Videoüberwachung: Private müssen sich an Vorgaben des europäischen Datenschutzrechts halten, wenn sie – etwa aus Furcht vor Einbrechern – Aufnahmen mit Überwachungskameras anfertigen. Das heißt: eine Interessensabwägung ist erforderlich und Kameras müssen gekennzeichnet werden. Das hat der Europäische Gerichtshof anlässlich einer Auslegungsfrage zur EU-Datenschutzrichtlinie entschieden. Die Richtlinie sieht zwar auch eine Ausnahme für die Datenverarbeitung von einer natürlichen Person zu persönlichen oder familiären Zwecken vor. Die Ausnahme ist aber nach dem Urteil des EuGH eng auszulegen und gilt nicht, wenn sich Videoüberwachung auf einen Bereich außerhalb der Privatsphäre richtet. Die FAZ (Reinhard Müller) und lto.de stellen das Urteil vor.

Datenschutzexperte Carlo Piltz (delegedata.de) weist darauf hin, dass mit dem Urteil die öffentliche Videoüberwachung durch Private "nicht per se verboten" ist; Udo Vetter (lawblog.de) merkt an, dass aus Verstößen gegen das Datenschutzrecht im Strafprozess kein Verwertungsverbot erwachsen muss. Heribert Prantl (SZ) hält das Urteil des EuGH für "lasch", weil letztlich niemand kontrollieren könne, wie der Blick der Kameras schweift. Außerdem lasse das Urteile klare Richt- und Leitlinien vermissen, wann die private Überwachung öffentlicher Räume zulässig ist und wann nicht. Der Anwalt Axel Spies (blog.beck.de) verweist schließlich darauf, dass Dashcams an Windschutzscheiben ähnliche Fragen aufwerfen.

Rechtspolitik

Tarifeinheit und Frauenquote beschlossen: Die Bundesregierung hat die gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit und zur Frauenquote auf den Weg gebracht. Mit der Tarifeinheit will die Regierung Arbeitskämpfe konkurrierender Gewerkschaften im selben Betrieb verhindern, wie es sie bei der Deutschen Bahn in diesem Jahr gab. Im Streitfall soll nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb gelten. Das Gesetz zur Frauenquote sieht Sanktionen vor für den Fall, dass mitbestimmungspflichtige Konzerne bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat nicht mindestens einen Frauenanteil von 30 Prozent erreichen. Auch kleinere Unternehmen und der öffentliche Dienst sollen den Frauenanteil in ihren Chefetagen erhöhen und regelmäßig über ihre Fortschritte berichten. lto.de und zeit.de stellen die beiden Reformen vor, ebenso die Beiträge der FAZ (Joachim Jahn) und die taz (Heide Oestreich) jeweils zur Frauenquote sowie die FAZ (Dietrich Creutzburg), die Welt (Stefan von Borstel) und die taz (Pascal Beucker) zur Tarifeinheit.

Dorothea Siems (Welt) nimmt die beiden Gesetzesvorhaben zum Anlass, die Bundesregierung generell dafür zu kritisieren, individuelle Freiheitsrechte immer mehr einzuschränken und die Wirtschaft zu sehr zu regulieren. Im Interview auf handelsblatt.com (Jens Hagen) erklären der Präsident der Pilotenvereinigung Cockpit Ilja Schulz und sein Anwalt Gerhart Baum, warum sie die Vorschriften zur Tarifeinheit für verfassungswidrig halten. Sie seien eine "massive Einschränkung des Streikrechts"; es werde "gezielt Rechtsunsicherheit geschaffen, um kleine Gewerkschaften zu schwächen".

Korruption im Gesundheitswesen: Die Bundesregierung will im Januar ein Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen auf den Weg bringen. Das meldet das Handelsblatt. Hintergrund des Vorstoßes sei eine Gesetzeslücke, die der Bundesgerichtshof vor zwei Jahren festgestellt hatte: Danach gelte für Kassenärzte bei Korruption nur das Berufsrecht, nicht aber das Strafrecht.

Änderungen im Aufenthaltsrecht: Integrierte Ausländer sollen ein Bleiberecht erhalten, "nicht integrierte" sollen schneller abgeschoben werden. Der Anwalt Wolfram Steckbeck bespricht die Reform auf lto.de. Steckbeck begrüßt die geplante Abschaffung der sogenannten Kettenduldungen, nach der Duldungen immer wieder aufs Neue ausgesprochen wurden.

Beschneidung von Jungen: Zum zweiten Jahrestag der Verabschiedung des Gesetzes, das die Beschneidung von Jungen aus religiösen Motiven legalisiert, fordern einige Verbände erneut, dieses Gesetz zurückzunehmen. Sie kritisieren, dass Jungen kein Recht auf Unversehrtheit haben. Im Raum stehe der Vorschlag, Jungen im religionsmündigen Alter von 14 Jahren selbst entscheiden zu lassen. Die taz (Heide Oestreich) berichtet.

Entrümpelung von EU-Gesetzgebung: Nach Informationen des Handelsblatts (Ruth Berschens) will die neue EU-Kommission die Gesetzgebung entrümpeln und insgesamt 80 von 450 noch nicht beschlossenen Richtlinien und Verordnungen fallen lassen. Das gehe aus einem Papier zum "Arbeitsplan 2015" hervor, den die Kommission kommenden Dienstag verabschieden wolle. Der Bericht zählt einzelne betroffene Regelungen auf.

IStGH – Bertram Schmitt zum Richter gewählt: Die FAZ (Reinhard Müller) stellt Bertram Schmitt vor, der zum Richter am Internationalen Strafgerichtshof gewählt wurde. Schmitt ist derzeit Strafrichter am Bundesgerichtshof und Ersatzrichter bei Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Völkermord, Massenvergewaltigungen, Vertreibungen" – der erfahrene Strafrechtler werde in Den Haag in größere Abgründe blicken als bisher, als "Botschafter eines umkämpften Gerichts in einem stark politisierten Umfeld".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. Dezember 2014: Videoüberwachung hat Grenzen – Telekom-Aktionäre dürfen hoffen – Ermittlungen zu Oktoberfest-Attentat . In: Legal Tribune Online, 12.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14093/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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