Gesetzesentwurf in Polen: Par­la­ment lehnt Abt­rei­bungs­verbot nach Pro­testen ab

06.10.2016

Eine polnische Bürgerbewegung hatte einen Entwurf zur Verschärfung der ohnehin strengen Abtreibungsgesetze eingebracht. Nach massiven Protesten hat das Parlament den Gesetzesentwurf nun jedoch abgelehnt.

Nach Protesten Zehntausender Frauen hat Polens Regierung ihren Kurs überraschend geändert und ein drohendes Abtreibungsverbot gekippt. In einer eilig einberufenen Sitzung lehnte das Parlament den Gesetzentwurf einer Bürgerbewegung von Abtreibungsgegnern am Donnerstag nach zweiter Lesung ab. 352 Abgeordnete stimmten dafür, die heftig umstrittene Initiative zu verwerfen, 58 waren dagegen, 18 enthielten sich.

Damit reagierte die mit absoluter Mehrheit regierende PiS-Partei, die den Entwurf zunächst unterstützt hatte, auf internationale Kritik und massive Proteste. "Wir müssen verschiedene Meinungen zu dem Thema respektieren", sagte Ministerpräsidentin Beata Szydlo. Den überraschenden Seitenwechsel verteidigte auch der mächtige PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski, der als Befürworter eines Abtreibungsverbots galt. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass das restriktive Gesetz das Gegenteil bewirken könne, sagte er. Im Gegenzug kündigte die PiS bis Ende des Jahres ein Programm für Mütter an, die sich für das Austragen schwieriger Schwangerschaften entschließen würden.

Proteste führten zur Parlamentsentscheidung

Zehntausende Frauen und Männer hatten am Montag gegen das vorgesehene Totalverbot von Schwangerschaftsabbrüchen sowie gegen Haftstrafen für Frauen und Ärzte nach Abtreibungen protestiert.  "Mein Körper, meine Entscheidung", forderten polnische Frauen, die in dem Gesetz eine Form der Entmündigung sahen.

Dies habe Polens nationalkonservative Regierung unter Zugzwang gebracht, sagen Politologen. Durch das international kritisierte Gesetz sahen die Nationalkonservativen sogar ihre Wiederwahl in Gefahr, wie es hieß. "Frauen zu bestrafen, war nie unsere Absicht", betonte Sejm-Vizemarschall Ryszard Terlecki. Von Beginn an waren die Pläne starker Kritik ausgesetzt gewesen. Auch die katholische Kirche, der nachgesagt wird, der PiS nahezustehen, hatte sich zuletzt von ihnen distanziert. Die Nationalkonservativen wollen polnischen Medienberichten zufolge einen eigenen, weniger restriktiven Gesetzesentwurf einbringen.

Der überraschende Kurswechsel der Regierung wurde von den Abtreibungsgegnern scharf kritisiert. Die Debatte sei viel zu kurzfristig einberufen worden, monierten sie und sahen sich von der PiS verspottet. Gegner der Gesetzesverschärfung werteten die schnelle Reaktion als Erfolg ihrer Proteste. "Die Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung haben gewonnen", sagte Ex-Ministerpräsidentin Ewa Kopacz von der liberalkonservativen Bürgerplattform PO.

dpa/nas/LTO-Redaktion

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Gesetzesentwurf in Polen: Parlament lehnt Abtreibungsverbot nach Protesten ab . In: Legal Tribune Online, 06.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20788/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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