Facebook muss Hasspostings entfernen: Pro­vider-Pri­vileg schützt vor Haf­tung nicht

von Pia Lorenz und Alexander Cremer

09.05.2017

Die österreichische Justiz macht es einfach: Das OLG in Wien hat entschieden, dass bei Klagen gegen Facebook österreichisches Recht anwendbar ist – und Hasspostings nicht nur national geblockt, sondern weltweit gelöscht werden müssen.

Das Oberlandesgericht (OLG) in Wien hat  im Rahmen einer Klage gegen das soziale Netzwerk Facebook heimisches Recht  angewendet. Der Unterlassungsanspruch beurteile sich nach Art. 4 Abs 1 Rom II-VO nach dem Recht am Erfolgsort, so die österreichischen Richter. Und damit bei ehrenbeleidigenden Postings im sozialen Netzwerk auch am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin, hier der österreichischen Vorsitzenden der Partei die Grünen.

Deren Pateichefin, Eva Glawischnig, wurde in einem von einem anonymen Nutzer verbreiteten Posting unter anderem als "korrupter Trampel" und "miese Volksverräterin" bezeichnet. Facebook muss nach der Wiener Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz die beanstandeten Hasspostings weltweit löschen - und nicht wie bisher nur für österreichische Nutzer blockieren, berichtete unter anderen zunächst kurier.at. Die Zeitung wusste auch zu berichten, dass Facebook, dessen Hauptsitz in Kalifornien liegt, wie auch in anderen Streitigkeiten die Ansicht vertrat, dass in dem Fall kalifornisches, oder, nach dem Hauptsitz der Europaniederlassung, irisches Recht zu Anwendung komme.

Diese Argumentation teilten die Wiener Richter ebensowenig wie die Berufung des Unternehmens auf das sog. Provider-Privileg. Die Rechtsverletzung sei auch und gerade für juristische Laien offenkundig gewesen, Facebook hätte die konkreten Kommentare also nach der Abmahnung durch die Grünen-Chefin entfernen müssen, so das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz (OLG Wien, Beschl. v. 26.04.2017, Az. 5 R 5/17t). Das gelte allerdings nicht für sinngleiche Äußerungen, die der Betroffene mit viel weniger Aufwand ermitteln könne als das Netzwerk, so die Richter der Abteilung 5.  

Kein Provider-Privileg ab Abmahnung

Zwar hafte der Provider nicht als Täter, sondern als Gehilfe nur dann für Rechtsverletzungen seiner Kunden, wenn diese auch für einen juristischen Laien offenkundig sind. Auch und gerade jemandem, der sich nicht mit der Rechtsprechung zur Grenze zulässiger Kritik auseinander gesetzt habe, käme  aber erst gar nicht in den Sinn, dass Kommentare wie die des anonymen Nutzers noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt seien, meint  das OLG.

Daraus resultiert zwar keine Ex-ante-Pflicht, aber jedenfalls nach der Abmahnung von Glawischnig hätte Facebook die konkret monierten sowie alle gleichlautenden Posts löschen müssen. Dass es dem Internet-Giganten mit Hilfe automatisierter Filtersysteme ohne weiteres möglich sei, Beiträge über die Grünen-Politikern herauszufiltern, welche die fraglichen Ausdrücke enthalten, setzen die zweitinstanzlichen Richter dabei als "allgemein bekannt" voraus.

Nicht zumutbar sei dagegen eine umfassende Kontrolle aller Facebook-Seiten auf sinngleiche Äußerungen gegen die Politikerin. Der Aufwand wäre zu hoch, zumal sich der Sinngehalt von Äußerungen häufig nur aus ihrem Kontext ergebe. Es sei viel einfacher für den Betroffenen, das Netzwerk auf  weitere Meldungen aufmerksam zu machen und ihre Entfernung zu fordern.

Hasspostings müssen weltweit gelöscht werden

Entfernung bedeutet dabei nicht etwa nur, dass die fraglichen Postings allein in Österreich blockiert würden, entschied das Gericht. Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung derartiger Veröffentlichungen hänge nicht davon ob, ob der unmittelbare Täter, also der Nutzer hinter dem Fakeprofil, seinen Kommentar vom Inland oder vom Ausland aus verbreitet

Für Dr. Ulf Buermeyer macht die Entscheidung aus Österreich deutlich, dass auch Facebook nicht über dem Recht steht. "Sperren und Löschen von fragwürdigen Inhalten sind aber allenfalls die zweitbeste Lösung", relativierte der Berliner Richter und Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegenüber LTO. Aus rechtsstaatlicher Sicht wesentlich sind seines Erachtens schnelle Verurteilungen von Menschen, die in sozialen Netzwerken Straftaten begehen. "Facebook muss dringend besser mit Polizei und Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten. Eine Kontaktstelle in Deutschland mit kurzen Reaktionsfristen wäre hier ein wichtiger erster Schritt".

Eine solche sieht auch der Anfang April vom Kabinett beschlossene Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzDG) vor, mit dem Heiko Maas (SPD) soziale Netzwerke bei der Bekämpfung strafrechtlich relevanter Hasskommentare effektiver in die Pflicht nehmen will. Auch in Deutschland steht Facebook seit langem in der Kritik, nicht konsequent gegen Hass- und Trollpostings vorzugehen. Für Ulf Buermeyer ist die deutsche Kontaktstelle allerdings einer der wenigen positiven Aspekte des Gesetzes, das trotz zwischenzeitlich erfolgter Nachbesserungen von vielen Experten als Zensurgesetz kritisiert wird.

pl/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Pia Lorenz und Alexander Cremer, Facebook muss Hasspostings entfernen: Provider-Privileg schützt vor Haftung nicht . In: Legal Tribune Online, 09.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22860/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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