OLG Frankfurt: Aus­sagen einer Islam­kri­ti­kerin teils unter­sagt

07.02.2020

Eine Soziologin darf nicht mehr behaupten, dass die islamische Ahmadiyya-Gemeinschaft ihren Status zur Durchsetzung ihrer "politischen Agenda" nutze und ihre Moscheen "Orte der Männer" seien. Das hat das OLG Frankfurt entschieden.

Die Soziologin Necla Kelek darf zwei Aussagen, die sie 2017 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk über die Ahmadiyya-Gemeinschaft tätigte, nicht wiederholen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden (Urt. v. 06.02.2020, Az. 16 U 50/19).

Kelek hatte in dem Interview gesagt, dass sie es für eine Fehlentscheidung halte, der Ahmadiyya-Gemeinschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu gewähren. Den Status hat die islamische Gemeinschaft in Hessen seit 2013 und in Hamburg seit 2014. Laut Kelek fehle in der Ahmadiyya eine offen gelebte Kultur des Austauschs mit Andersgläubigen. Sie sagte unter anderem, dass sich Ahmadiyya kaum von anderen streng konservativen islamischen Gemeinschaften unterscheide. Ahmadiyya klagte auf Unterlassung einiger in dem Interview getätigten Äußerungen.

Das Landgericht (LG) Frankfurt verurteilte Kelek zur Unterlassung der Behauptung, dass die Ahmadiyya den Islam wortwörtlich umgesetzt sehen wolle und sich inhaltlich nicht mit dem Koran – "insbesondere den Gewaltteilen" - auseinandersetzen würde. Die weitergehenden Unterlassungsanträge wurden abgewiesen.

Das OLG änderte das Urteil nun teilweise ab und wies den vom LG zugesprochenen Unterlassungsanspruch ab. Stattdessen entschied das OLG, dass Kelek die Behauptung zu unterlassen habe, die Ahmadiyya nutze ihren "Status" zur Durchsetzung ihrer "politischen Agenda" und dass die Moscheen der Ahmadiyya-Gemeinschaft "Orte der Männer" seien.

Bezeichnung als "islamische Sekte" zulässig

Keleks Aussage, Ahmadiyya nutze ihren Status zur Durchsetzung ihrer politischen Agenda, stellt laut Gericht "eine Meinungsäußerung mit Tatsachenkern, der nicht belegt ist", dar. Es bleibe "unklar, woran die Beklagte eine politische Agenda der Klägerin, die von ihrem Selbstverständnis gerade unpolitischer sein will als andere Islamgemeinschaften, festmacht", hieß es in der Mitteilung des Gerichts.

Auch die Äußerung, die Moscheen der Ahmadiyya seien "Orte der Männer", unterfällt nach Auffassung des OLG dem Bereich der Meinungsäußerung mit Tatsachenkern. Dabei sei es zwar legitim, "eine islamische Gemeinde als patriarchalisch und männerdominant zu bewerten". Diese Betrachtung berücksichtige aber nicht, dass es in dem Interview konkret um die Moscheen der Ahmadiyya gehe. Dem Kontext nach sei die Äußerung laut Gericht so zu verstehen gewesen, dass die Moscheen nicht von Frauen besucht werden dürften. Dies hatte die Gemeinschaft laut Mitteilung aber bestritten und auf zahlreiche Veranstaltungen für Frauen hingewiesen. Darauf sei Kelek nicht mehr eingegangen, so dass ihre Behauptung unwahr und zu unterlassen sei.

Weitergehende Unterlassungsansprüche stünden der Gemeinschaft aber nicht zu, entschied der Senat. Zulässig sei unter anderem die Bezeichnung als "islamische Sekte", da der Begriff der Sekte vielschichtig und mehrdeutig und damit ohne beweisbaren Tatsachenkern sei. Auch die anderen Aussagen Keleks, dass in der Gemeinschaft nicht jeder ein- und austreten könne, dass "Druck auf Mitglieder ausgeübt werde" und dass Ahmadiyya den Islam "wortwörtlich umgesetzt sehen" wolle, sind laut OLG zulässige Meinungsäußerungen. Auch die noch vom LG monierte Äußerung, die Gemeinschaft setze sich nicht mit den "Gewaltstellen im Koran" auseinander, hielt das OLG für zulässig.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt: Aussagen einer Islamkritikerin teils untersagt . In: Legal Tribune Online, 07.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40193/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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