Entwurf zur Reform der Tötungsdelikte: Leben und Sterben des Mör­ders

2/2: Totschlag als Grundtatbestand, Mord als Qualifikation

Mit diesen praktischen gehen auch dogmatische Änderungen einher. Nach der Konstruktion des Entwurfs soll der Mord künftig eine Qualifikation des Totschlags darstellen. Die Rechtsprechung hatte das Verhältnis beider Tatbestände bislang anders gesehen: Mord war nach ihrer Auffassung nicht bloß ein besonders gravierender Totschlag, sondern ein getrennt zu betrachtender Straftatbestand von ganz eigener Qualität. Die Mehrheit in der Fachliteratur hingegen hatte sich seit jeher für das Qualifikationsmodell ausgesprochen: Beide Delikte setzten schließlich die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen voraus. Beim Mord träten eben weitere Merkmale hinzu, die diesen zwar als schwereres, aber nicht als grundlegend anderes Delikt erscheinen ließen.

Diese Auffassung will der Entwurf übernehmen. Folgerichtig sollen die §§ 211 und 212 Strafgesetzbuch (StGB) in Zukunft die Plätze tauschen. Denn üblicherweise nennt das StGB erst den Grundtatbestand und führt anschließend seine Qualifikationen auf – die umgekehrte Reihenfolge bei Mord und Totschlag war bislang eines der Argumente, mit denen die Rechtsprechung das Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation ablehnte.

Sprachliche Angleichungen und Widerstand aus der Union

Ein weiteres  Argument der Verfechter eines selbständigen Tatbestands war der Wortlaut der Vorschriften: Die ungewöhnliche, personalisierte Bezeichnung des Täters des § 211 StGB als "Mörder" (spiegelbildlich im § 212: "…ohne Mörder zu sein") belege die eigenständige Qualität des Delikts. Allerdings entstammt die Wortwahl unstreitig der Tätertypenlehre der Nazizeit, derzufolge man nicht bloß Straftaten beging, sondern Straftäter "war". Die heute unstreitige Ablehnung dieser Verknüpfung von Tat und Charakterurteil soll gleichfalls ihren Ausdruck im Entwurf finden: Der "Mörder" ist daraus verschwunden.

Schon jetzt regt sich Widerstand gegen Maas' Pläne: Der Spiegel zitiert Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) mit den Worten "Das Tötungstabu muss gestärkt und darf nicht durch eine Aufweichung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Mord geschwächt werden." Die " im Grunde überflüssige" Reform widerspreche der "überragenden Bedeutung des Lebens", wobei Bausback auch die "aktuellen terroristischen Akte" anspricht. In dieselbe Richtung äußerte sich am Freitagabend der CDU-Bundestagsabgeordnete Sebastian Steineke auf Twitter: "Genau das falsche Signal, daher mit uns nicht zu machen #Maas will zwingende lebenslange Haft für #Mord abschaffen".

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Entwurf zur Reform der Tötungsdelikte: Leben und Sterben des Mörders . In: Legal Tribune Online, 26.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18901/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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