Kein UN-Tribunal zu Flug MH17: Was nun?

30.07.2015

Nach dem russischen Veto wird es kein UN-Tribunal zum Abschuss des Fluges MH17 geben. Das heißt aber nicht, dass kein Prozess mehr möglich ist. Welche Optionen gibt es?

Russland hat sein Veto gegen ein UN-Tribunal zum Abschuss von Flug MH17 über dem Kriegsgebiet Ostukraine verteidigt. Zugleich kritisierte es die Initiative als voreilig und politisch motiviert. Moskau trete dafür ein, dass diese Ermittlung nicht zu einem politischen Schauprozess werde, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. Die Vetomacht hatte am Mittwoch eine Resolution im UN-Sicherheitsrat blockiert.

Die russische Führung sei unzufrieden mit der Untersuchung zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine im Juli 2014 mit 298 Menschen. Sämtliche Informationen sollten berücksichtigt werden, doch seien in Moskau diesbezüglich Fragen aufgekommen, sagte Peskow. Das Außenministerium teilte mit, die Initiative für ein UN-Tribunal komme zu früh, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Russland wolle aber zu einer objektiven Aufklärung beitragen.

Die ukrainische Führung in Kiew warf indes Russland vor, den Fall selbst zu politisieren. "Es geht um eine individuelle strafrechtliche Verantwortung für Mord. Es geht nicht um Politik", kommentierte Außenminister Pawel Klimkin. Nur Russland vermische diese zwei Fragen miteinander, meinte er. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für die Katastrophe verantwortlich.

Was nun?

Die Niederlande, die die Untersuchungen zu Ursache und Tätern leiten, reagierten tief enttäuscht auf das russische Veto. "Das ist ein Rückschlag", erklärte Ministerpräsident Mark Rutte am Donnerstag in Den Haag. Die Niederlande seien jedoch fest entschlossen, die Verantwortlichen vor ein Gericht zu bringen. "Daran ändert das Veto nichts." Die Niederlande prüfen nun gemeinsam mit anderen betroffenen Ländern andere Möglichkeiten der Strafverfolgung. In Betracht kommen mehrere Varianten:

Die 5-Länder-Variante: Die am meisten betroffenen Länder - Niederlande, Ukraine, Malaysia, Australien und Belgien - errichten ein Tribunal. Der Vorteil dieses Vorgehens läge darin, dass so etwas schnell möglich wäre. Die Länder arbeiten bereits bei den Ermittlungen zusammen. Der Nachteil wäre, dass das Tribunal als voreingenommen angesehen werden könnte.

Niederländisches Gericht: Da aus den Niederlanden die meisten der 298 Opfer kamen, könnte auch ein Gericht in Den Haag urteilen. Auch ein solches Verfahren könnte zwar schnell gestartet werden, jedoch könnten die niederländischen Richter ebenfalls als voreingenommen gelten. Zudem genösse ein potenzielles Urteil geringes internationales Ansehen. Die Chance auf eine Mitarbeit Russlands wäre in dieser Variante gleich Null.

Internationaler Strafgerichtshof: Das Weltstrafgericht in Den Haag könnte den Fall zumindest in der Theorie übernehmen. Praktisch ist das jedoch unwahrscheinlich, denn die Ukraine, Malaysia und auch Russland gehören dem Gericht nicht an.

Drei Angehörige der Opfer haben bereits Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht. In diesem Verfahren wird es jedoch nicht um die politischen Hintergründe und die Täter des Abschusses gehen, sondern um die luftsicherheitsrechtliche Haftung der Ukraine.

dpa/age/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Kein UN-Tribunal zu Flug MH17: Was nun? . In: Legal Tribune Online, 30.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16437/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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