50 Jahre "Aktuelle Stunde": Mehr Pfeffer für das Parlament?

09.02.2015

Intensiv und engagiert arbeitet der Bundestag fast nur, wenn die Kameras aus sind. Die Fragestunde und Regierungsbefragung, die einst das Plenum immer wieder "pfeffrig" machten, erscheinen vielen heute ziemlich erstarrt. Sie könnten nun reformiert werden. Bekommt das Parlament nun wieder mehr Reiz?

Das höchste deutsche Parlament ist für viele Menschen gründlich ins Abseits geraten. Wer aufregende Einsichten in die Politik sucht, guckt sich heute wohl nicht oft eine Übertragung aus dem Bundestag an. 64 Prozent können sich laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung gar nicht an eine Plenumsdebatte in jüngster Zeit erinnern. Dabei war das Parlament lange Schauplatz wichtiger, immer auch mal witziger und vor allem öffentlich wahrgenommener Debatten, auch in der Aktuellen Stunde, die am Dienstag 50 Jahre alt wird. Über mehr "Pep" wird derzeit hinter verschlossenen Türen gestritten.

Eine Kernaufgabe des Plenums ist es, Gesetzentwürfe zu debattieren. Doch die Weichen werden schon vorher gestellt - in den Ausschüssen und informellen Verhandlungsrunden in den großen Bundestagskomplexen nahe des Berliner Reichstagsgebäudes. Verbunden sind diese Gebäude durch lange, lichtdurchflutete unterirdische Gänge, die an die Wege zwischen den Terminals beim Umsteigen in großen Airports erinnern.

Politiker und ihre Mitarbeiter verbreiten hier, in den vielen Parlaments-Foyers, Sälen und Büros emsige Betriebsamkeit. Die Atmosphäre: oft intensiv und engagiert. Doch vor den Kameras bleiben oft nur Schaufensterreden vor halbleeren Rängen im Plenum.

Weniger Vorhersehbarkeit, mehr Spannung

Vor allem drei Instrumente sollen Leidenschaft ins Plenum bringen - und der Opposition bei der Aufdeckung von Widersprüchen auf der Regierungsseite helfen. Die Aktuelle Stunde: eine spontane Kurzdebatte über wichtige Streitthemen. Die Regierungsbefragung: eine Chance für Abgeordnete, Minister zu aktuellen Themen zu löchern. Und die Fragestunde, in der Einzelfragen beantwortet werden.

"Aller Anfang ist schwer", sagte Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid (SPD) am 10. Februar 1965 zu Beginn der ersten Aktuellen Stunde. Die Fragestunde gab es damals schon 13 Jahre. Nun ging es zur Premiere ums deutsch-französische Verhältnis. Auch Kanzler Ludwig Erhard (CDU) nahm teil. Seither kam es zu mehr als 100 Aktuellen Stunden in jeder Wahlperiode. Politiker wie der langjährige SPD-Fraktionschef Herbert Wehner lebten auch hier gern ihre Streitlust aus. Zwar wirkt die Aktuelle Stunde auch heute noch emotional, aber auch wie ein ritueller Schlagabtausch.

Reform der Fragestunde und Regierungsbefragung?

Für weitgehend erstarrt halten Beobachter die Fragestunde, in der Staatssekretäre in der Regel Antworten auf eingereichte Fragen vorlesen, und die Regierungsbefragung. Letztere beschränkt sich heute oft auf wenig überraschende Themen, die zuvor im Bundeskabinett behandelt wurden. An diesen zwei Instrumenten, die immer mittwochs stattfinden, soll eine Reform ansetzen. Doch seit Herbst gibt es in der Frage eine Blockade zwischen Schwarz-Rot und Grünen/Linken.

Deshalb bot Bundestagspräsident Norbert Lammert den Fraktionen eigene Vorschläge an. Union und SPD konnten das schlecht ablehnen. Im Kern sollen die Fraktionen, auch die Opposition, selbst vorher Themen festlegen, um die Regierung ins Verhör zu nehmen. Die vorhersehbaren Beschlüsse des Kabinetts will Lammert nach hinten rücken.

Die Begeisterung bei Schwarz-Rot soll sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Ältestenrat nun in engen Grenzen gehalten haben. So verstoße es gegen das Mehrheitsprinzip im Grundgesetz, wenn eine kleine Fraktion einen Minister ins Plenum bestellen kann. Und anwesende Minister könnten nur zu Dingen aus ihren Ressorts Rede und Antwort stehen. Die grüne Parlaments-Geschäftsführerin Britta Haßelmann hält dagegen: "Es ist keine Zumutung, dass mehrere Minister mittwochmittags für eine Stunde im Parlament sind."

Die Koalition meint, es sollte besser jeder Abgeordnete die Regierung fragen dürfen, was er will. Die Opposition aber fürchtet dann wohlwollende Scheinfragen aus den Reihen von Union und SPD - eine systematische Aufarbeitung möglicher Probleme etwa bei Pkw-Maut oder Mindestlohn bleibe weiter aus. Ende des Monats soll im Ältestenrat weiterverhandelt werden. Die Maximalforderung nach Erscheinen der Bundeskanzlerin in der Regierungsbefragung vermeiden inzwischen sogar Linke und Grüne. 2010 wollte das sogar noch der heutige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Damals war er Parlaments-Geschäftsführer der Oppositionsfraktion SPD.

dpa/acr/Redaktion

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50 Jahre "Aktuelle Stunde": Mehr Pfeffer für das Parlament? . In: Legal Tribune Online, 09.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14630/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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