Verfassungsrechtliche Bedenken beim Landeshaushalt: Darf NRW trotz Schulden Rücklagen bilden?

15.10.2018

Kann ein Bundesland ein Finanzpolster anlegen, obwohl es auf einem dicken Schuldenberg sitzt? Der NRW-Finanzminister plant das gerade. Der Rechnungshof und die Opposition haben gravierende verfassungsrechtliche Bedenken.

Ein geplantes Finanzpolster der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen für Ausgaben des kommenden Jahres wird möglicherweise den Verfassungsgerichtshof (VGH) in Münster beschäftigen. In einer Sondersitzung des parlamentarischen Haushaltsausschusses beharrten am Montag Finanzministerium, Opposition und Landesrechnungshof (LRH) auf ihren Positionen zur Verfassungsmäßigkeit dieser Rücklage.

Die CDU/FDP-Koalition will aus dem Etat 2018 eine allgemeine Rücklage von 365 Millionen Euro bilden, um damit 2019 nicht näher spezifizierte Ausgaben zu finanzieren. Nach der Verabschiedung des Entwurfs im Kabinett hatte Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) im Juli erklärt, in diesem Jahr könne er das Geld "einfach nicht mehr sinnvoll ausgeben".

Der Rechnungshof hat dagegen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Angesichts von fast 145 Milliarden Euro Gesamtschulden des Landes müssten finanzielle Spielräume genutzt werden, um Schulden zu begrenzen oder zu tilgen, bekräftigte dessen Präsidentin Brigitte Mandt im Ausschuss. Dies folge aus dem verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs.

Kunstgriff über "routinemäßige Umschuldungen"?

Das NRW-Finanzministerium sieht das anders und will an seinen Plänen festhalten. Für den Fall halten SPD, Grüne und AfD eine Klärung vor dem VGH für unausweichlich. Finanzstaatssekretär Patrick Opdenhövel argumentierte, da der Haushalt 2018 keine neuen Schulden vorsehe, sei die Rücklage rechtlich zulässig. Aus Sicht des LRH ist der Haushalt 2018 aber kreditfinanziert, weil über 16 Milliarden Euro Kreditaufnahme für die planmäßige Tilgung von Schulden vorgesehen seien.

Opdenhövel rechnet dagegen: "Wenn wir die Tilgungen mitberücksichtigen, ist der Haushalt nicht kreditfinanziert." Er sprach von "routinemäßigen Umschuldungen, die den Schuldensockel nicht erhöhen." Rücklagen im Haushalt von vollständigen Tilgungen abhängig zu machen, widerspreche der Praxis des Bundes und anderer Länder - Vergleiche, die aus Sicht des LRH hinken. Gerade für allgemeine Rücklagen, die nicht bestimmten Zwecken oder gesetzlichen Verpflichtungen dienten, gebe es besondere Anforderungen. Diese habe die Landesregierung hier nicht nachgewiesen.

SPD und Grüne hielten der Regierung vor, sie könne ihr Versprechen, in dieser Legislaturperiode keine neuen Schulden aufzunehmen, nur mit "Taschenspielertricks" einlösen. Angesichts erwarteter Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro sei das "ein Armutszeugnis", sagte Grünen-Fraktionschefin Monika Düker. SPD-Finanzpolitiker Stefan Zimkeit kündigte für die weiteren Beratungen des Nachtragshaushalts 2018 und des Haushaltsentwurfs 2019 Änderungsanträge an, die einen Verzicht auf das geplante Finanzpolster vorsehen.

Finanzminister Lienenkämper hatte im Sommer auf drohende Belastungen durch die Abwicklung der WestLB hingewiesen. Schon ab 2019 könne die Haftung des Landes für die vergifteten Papiere der zerschlagenen Landesbank nicht mehr aus Rücklagen gedeckt werden. Daher müssten die Hinterlassenschaften der WestLB mit voraussichtlich 314 Millionen Euro aus dem Haushalt bedient werden.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Verfassungsrechtliche Bedenken beim Landeshaushalt: Darf NRW trotz Schulden Rücklagen bilden? . In: Legal Tribune Online, 15.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31517/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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