Schadensersatzprozess in den USA: Eigen­tümer durfte Graf­fitis nicht über­strei­chen

14.02.2018

Das "5Pointz", ein Lagerhauskomplex in New York, galt jahrelang als inoffizielles Freiluftmuseum für Graffiti-Werke. Nach einem Gerichtsurteil muss dessen Eigentümer nach dem Überstreichen der Kunst nun eine Entschädigung in Millionenhöhe zahlen.

Vier Jahre nach der Zerstörung dutzender Graffitis auf einem früheren Lagerhauskomplex in New York muss der Gebäudeeigentümer eine Gruppe Künstler mit einer Millionenzahlung entschädigen. Das Urteil dürfte auch in künftigen Graffiti-Prozessen in den USA als Wegweiser dienen. Denn es zeigt: Graffitis können nach amerikanischem Recht Kunst sein - auch auf fremden Eigentum.

Für Graffiti-Künstler weltweit war das "5Pointz" ein inoffizielles Freiluftmuseum und eine Pilgerstätte für Street-Art-Fans und Touristen. Auf der Fassade waren miteinander verschmelzende Schrifttypen, fotorealistisch gesprühte Wesen und knallbunte Wörter, die zu abstrakten Gemälden verschwammen, zu sehen.

Der Eigentümer der Immobilie im Stadtteil Queens, Jerry Wolkoff, hatte den Künstlern mehr oder weniger freie Hand gelassen. So kamen Sprayer aus aller Welt nach New York, um an dem fünfstöckigen Industriebau ihre bunten Linien zu ziehen. Bis Wolkoffs den Plan fasste, den Komplex abzureißen und an seiner Stelle Hochhaus-Luxuswohnungen bauen zu lassen. Deswegen ließ er die bunten Werke ohne Vorwarnung über Nacht mit weißer Farbe übermalen.

Dagegen klagte Jonathan Cohen, der die Künstler-Gruppe anführte. Im Mittelpunkt des New Yorker Prozesses stand die Frage, ob Wolkoff als Eigentümer den Komplex weiß übermalen lassen durfte oder ob die Sprühdosen-Werke trotz ihrer Vergänglichkeit als Kunst gelten und deshalb hätten geschützt werden müssen.

US-Gericht: gleicher Rechtsschutz wie für bildende Kunst

Der zuständige Richter schloss sich nun der Entscheidung einer Jury vom November an. Wolkoff habe die Arbeiten im November 2013 "willentlich" zerstört und für sein Verhalten auch keine Reue gezeigt, schrieb er in seinem Urteil.

Das Spektrum der Arbeiten und ihre Kommentare zu sozialen Themen der Zeit seien beeindruckend gewesen, so das Gericht. "Einige Künstler kamen von sehr renommierten Kunstschulen, andere waren Autodidakten. Einige verkehrten in elitären, traditionellen Kunstkreisen, andere waren schlicht der Street Art und der Gemeinschafts-Kunst verpflichtet", heißt es im Urteil.

Den 21 betroffenen Künstlern der überstrichenen Werke sprach das Gericht eine Summe von umgerechnet 5,5 Millionen Euro Schadensersatz zu. "Das Urteil ist ein klares Anzeichen dafür, dass Graffiti in dieselbe Kategorie gehört wie andere bildende Kunst", sagte der Anwalt der Graffiti-Sprayer.  

Die Millionen-Entschädigung markiert den ersten Fall, in dem Sprayer vom sogenannten Visual Artists Rights Act (VARA) geschützt werden, der die Rechte bildender Künstler regelt. "Ihnen ging es nie ums Geld", sagt der Künstler-Anwalt über die Motivation der klagenden Gruppe. Nach einem langen Rechtsstreit sei jetzt aber klar, dass Graffiti ähnlichen Rechtsschutz genießt wie andere bildende Kunst.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Schadensersatzprozess in den USA: Eigentümer durfte Graffitis nicht überstreichen . In: Legal Tribune Online, 14.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27035/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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