NRW will für Transparenz sorgen: Was kostet ein Gesetz?

30.07.2015

Ein Gesetz ist schnell beschlossen - die wahren Kosten offenbaren sich oft erst im Nachhinein. Das soll sich in NRW nun ändern, mit wissenschaftlicher Hilfe.

Wenn Politiker ein Gesetz ersinnen, wird es oft teuer. Mindestlohn, Nichtraucher- und Klimaschutz, EU-Vorgaben - die Liste der kostenträchtigen Gesetze ist lang. Im Voraus erfahren die Bürger oft nicht, wie hoch die Rechnung konkret ausfällt. Vor allem der Mittelstand klagt über zunehmende Belastungen. Als - laut Nationalem Zentrum für Bürokratiekostenabbau - erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen künftig die Karten auf den Tisch legen. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat in dem Institut der Bielefelder Fachhochschule des Mittelstands (FHM) durchspielen lassen, wie finanzielle Belastungen seriös kalkuliert werden können.

Bislang müssen nur die Bundesministerien bei neuen Gesetzentwürfen Folgekosten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung berechnen und dem 2006 gegründeten Normenkontrollrat vorlegen. Wie das auf Landesebene geht, haben die Bielefelder Bürokratie-Experten in einem "Testlabor" erprobt. Eine spezielle Leidenschaft, räumt der Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Volker Wittberg, ein. Bisher wurde er für das Projekt bisweilen mitleidig an der FHM belächelt. Tatsächlich gehe es aber um etwas ganz Praktisches, nämlich Politikern im Voraus bewusst zu machen: Was tue ich? Welche Wirkung hat das? "Die Industrie bringt auch kein Produkt auf den Markt, das nicht getestet wurde."

"Was kostet Sie das?"

In seinem Testlabor wollte Wittberg bewusst einen schwierigen Fall durchspielen: "Mit mehreren Ebenen und wo noch etwas in Bewegung ist." Dazu hat er sich die Lebensmittelinformationsverordnung der EU von 2014 und die dazugehörige Durchführungsverordnung des Bundes ausgesucht. Die ist erst zum Teil rechtswirksam, macht aber schon verbindliche Vorgaben zur Angabe von Inhaltsstoffen und Allergenen auf Verpackungen, Schriftgröße der Informationen und vieles Weitere.

"Was kostet Sie das?" hat die Forschungsgruppe Fleischer, Bäcker, große Lebensmittelhersteller, Gastronomie und Onlinehandel, aber auch die Kommunen gefragt. Anschließend halfen die Statistikämter in Bund und Land sowie weitere Behörden einzuschätzen, für wie viele Ungefragte die Angaben hochgerechnet werden können. Das Ergebnis: Die Einführung der Verordnung kostete allein die Wirtschaft in NRW etwa 367 Millionen Euro - bei jährlichen Folgekosten von rund 200 Millionen Euro. Für die Kommunen liegen die Einführungskosten demnach einmalig bei rund 2,2 Millionen Euro. Jährlich kommen rund zwei Millionen hinzu. Dabei stehe in Gesetzentwürfen in der Zeile "Kosten" häufig: "keine", merkte Wittberg an.

Braucht NRW ein neues Gesetz?

Doch der Teufel liege im Detail. Beispiel: "Wenn die Schrift größer sein muss, passen nicht mehr alle Angaben in zwölf Sprachen auf die Tiefkühlpizza-Verpackung." Um dennoch alle verlangten Infos aufzudrucken, müssten dann mehrere unterschiedliche Kartons für kleinere Ländergruppen produziert werden. Das kostet extra. Eine Überproduktion in ein Land mit Produkt-Defizit umzulenken, sei nicht mehr ohne neue Verpackung möglich. Wenn der Gesetzgeber zu der Überzeugung komme, dass ist es wert, sei das okay, stellt Wittberg fest. Es müsse aber transparent sein, wo Kostentreiber liegen, um nicht im Blindflug zu beschließen.

NRW brauche kein neues Gesetz, um den Bürokratiekosten-Check einzuführen, erläuterte Minister Duin. Die Möglichkeit sei bereits im Mittelstandsförderungsgesetz des Landes von 2012 angelegt. Dass das Instrumentarium speziell die von der Wirtschaft am meisten kritisierten Klimaschutzgesetze seines grünen Kabinettskollegen Johannes Remmel in die Zange nehmen könnte, verneint der SPD-Politiker. Der Check komme für viele Resorts infrage, stellte er diplomatisch fest.

dpa/age/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

NRW will für Transparenz sorgen: Was kostet ein Gesetz? . In: Legal Tribune Online, 30.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16449/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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