EuGH zu missbräuchlichen Verträgen: Gerichte müssen alle für Streit­ge­gen­stand rele­vanten Klau­seln prüfen

11.03.2020

Eine Verbraucherin klagte gegen eine Vertragsklausel ihrer Bank vor Gericht. Dieses war sich nicht sicher, ob es verpflichtet ist, auch weitere Vertragsklauseln zu prüfen. Muss es - aber nur in begrenztem Maße, entschied nun der EuGH.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass ein Gericht, welches die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln eines Unternehmers gegenüber einem Verbraucher prüft, auch Klauseln zu prüfen hat, die der Verbraucher nicht angefochten hat (Urt. v. 11.03.20 Az. C-511/17). Dies allerdings nur, soweit diese Klauseln mit dem Streitgegenstand zusammenhängen.

Geklagt hatte eine Kundin der UniCredit Bank Hungary gegen eine Klausel eines 2007 geschlossenen Hypothekendarlehnsvertrag. Die Klausel erlaubt es der Bank, den Vertrag später zu ändern. Die Kundin stütze ihre Klage auf die Richtline 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (RiLi 93/13).

Das hauptstädtische Stuhlgericht Ungarn (Fővárosi Törvényszék), bei dem die Klage anhängig ist, befand, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH die Pflicht für das nationale Gericht ergebe, in Rechtsstreitigkeiten über Verbraucherverträge von Amts wegen die Missbräuchlichkeit der Klauseln zu prüfen. Das ungarische Gericht legte dem EuGH daher die Frage vor, ob es auch Klauseln prüfen müsse, die ein Verbraucher mit der Klage nicht in Frage gestellt hat und die für die Prüfung auch nicht entscheidungserheblich sei. 

Der EuGH antwortete auf das Vorabentscheidungsgesuch nun, dass die RiLi 93/13 zwar eine Prüfung jener Klauseln verlange. Diese müssten aber mit dem Streitgegenstand in Zusammenhang stehen und das Gericht dabei über die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt, um die Missbräuchlichkeit zu überprüfen. Hierzu kann das Gericht die Parteien um Klarstellung und Unterlagen ersuchen.

Die Richtlinie begründe aber keine Pflicht, von Amtswegen auch weitere Klauseln über den Streitgegenstand hinaus zu überprüfen. Dies überschreite ansonsten die Grenzen des Streitgegenstandes, der von den Parteien in den Anträgen bestimmt wird.

Schließlich wies der Gerichtshof noch darauf hin, dass das Gericht jedoch alle Vertragsklauseln in ihrer kumulativen Wirkung berücksichtigen muss, um einzelne Klauseln zu beurteilen. Damit geht die Sache zurück zum nationalen Gericht, das nun entscheiden muss.

vbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu missbräuchlichen Verträgen: Gerichte müssen alle für Streitgegenstand relevanten Klauseln prüfen . In: Legal Tribune Online, 11.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40769/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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