EuGH-Generalanwalt: Keine Sozialleistungen für jobsuchende Unionsbürger

27.03.2015

Mit dem "Dano-Urteil" hat der EuGH schon entschieden, dass arbeitslosen Zuwanderern aus anderen EU-Staaten bestimmte Sozialleistungen verwehrt werden dürfen, wenn sie sich nicht um Arbeit bemühen. Nun werden die Luxemburger Richter bald entscheiden, ob auch Unionsbürger, die zwecks Jobsuche eingereist sind, ausgeschlossen werden können. Der Generalanwalt hat am Donnerstag hierzu Stellung bezogen.

Nach Ansicht des Generalanwalts Melchio Wathelet darf Deutschland Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche ins Land begeben haben, von bestimmten Sozialleistungen ausschließen. Dies dürfe aber nicht pauschal gelten, wenn die Betroffenen bereits mehr als drei Monate im Land gearbeitet hätten. Das ist das Ergebnis seiner Schlussanträge, die er am Donnerstag den Richtern des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorgelegt hat (Az. C-67/14).

Befasst hat sich Wathelet mit einem deutschen Fall, den das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel nach Luxemburg übertragen hatte. Eine schwedische Familie, eine Mutter und drei Kinder, klagt gegen das Jobcenter Berlin, welches ihr die begehrten Hartz-IV-Leistungen verweigert hatte. Die Behörde berief sich auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Demnach können Ausländer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keine Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen.

Erinnerungen weckt der Rechtsstreit an den Fall "Dano", benannt nach der in Leipzig lebenden Rumänin, die sich gerichtlich gegen die ablehnende Entscheidung des Jobcenters gewandt hatte. Sie sei nicht nach Deutschland gereist, um Arbeit zu suchen, hieß es damals. Der EuGH entschied Ende 2014 schließlich, dass eingereiste Unionsbürgern von Sozialleistungen ausgeschlossen werden dürfen, wenn sie sich nicht ernsthaft um einen Job bemühen. Die entsprechende deutsche Regelung sei unionsrechtskonform. Da die Frau keine ausreichenden Existenzmittel habe, könne sie sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht in Deutschland und damit nicht auf das im EU-Recht verankerte Diskriminierungsverbot berufen, führte der EuGH damals aus.

Ehemals beschäftigte Zuwanderer sollen Verbindung zum Land nachweisen dürfen

Der nun anhängige Fall unterscheidet sich maßgeblich dadurch vom Fall Dano, dass die schwedische Mutter und ihre älteste Tochter nach ihrer Einreise 2010 fast ein Jahr lang in Deutschland beschäftigt waren. Deswegen hatte ihnen das Jobcenter für ein halbes Jahr Arbeitslosengeld II bewilligt. Dann strich es die Mittel; es bestehe kein Aufenthaltsrecht mehr.

Wathelet geht davon nun aus, dass Unionsbürger, die bereits mehr als drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet haben, nicht automatisch von den in Rede stehenden Sozialleistungen ausgeschlossen werden dürfen. Es sei zwar unionsrechtskonform, dass Unionsbürger, nachdem sie weniger als ein Jahr berufstätig waren, ihre Erwerbstätigeneigenschaft nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit verlieren.

Es verstieße aber gegen den Gleichheitsgrundsatz, Unionsbürger von existenzsichernden Sozialleistungen automatisch und pauschal auch dann auszuschließen, wenn diese nach einer Erwerbstätigkeit unfreiwillig arbeitslos seien. Solchen Betroffenen müsse vielmehr die Möglichkeit eröffnet werden, gegenüber den Behörden nachzuweisen, dass eine "tatsächliche Verbindung" zum Aufnahmestaat und damit doch ein Aufenthaltsrecht besteht.

Das könne zum Beispiel mit dem Nachweis gelingen, dass die schulpflichtigen Kinder der schwedischen Familie einer Schulausbildung nachkommen. Schon dann hätten jedenfalls diese und die sorgeberechtigte Mutter ein Aufenthaltsrecht, weil das Unionsrecht ein Recht zum Zugang zur Ausbildung verleiht. Auf sie fände nämlich der sozialrechtliche Ausschluss gar keine Anwendung, weil er nur für Personen gilt, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind nicht bindend, das Urteil wird voraussichtlich in wenigen Monaten verkündet. 

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwalt: Keine Sozialleistungen für jobsuchende Unionsbürger . In: Legal Tribune Online, 27.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15081/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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